EMB Newsletter April 2013
Newsletter als PDF
Kontakt
European Milk Board
Bahnhofstr. 31
D-59065 Hamm
Tel.: 0049/2381/4360495
Fax: 0049/2381/4361153
E-Mail: office@europeanmilkboard.org
Webseite: http://www.europeanmilkboard.org
Newsletter als PDF
Kontakt
EMB - European Milk Board asbl
Rue de la Loi 155
B-1040 Bruxelles
Tel.: +32 - 2808 - 1935
Fax: +32 - 2808 - 8265
Liebe Milchbäuerinnen und Milchbauern, liebe Interessierte,
die soziale und politische Wirklichkeit der Milchproduktion in Europa bestätigt jeden Tag, dass die Gründung des European Milk Board (EMB) als Organisation für Milcherzeuger und ihre Interessen der einzig richtige Weg gewesen ist. In einem extrem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld, in dem 25% der europäischen Milcherzeuger am Rande der Insolvenz stehen, die Produktionskosten der Milch nicht mehr tragbar sind, und der Milchpreis niedriger ist als 1980 – wie würde es den Milcherzeugern ohne das EMB ergehen?
Was das EMB erreichen kann, wurde letzten November in Brüssel bei einer der eindrucksvollsten Demonstrationen deutlich, die die Hauptstadt des politischen Europas jemals erlebt hat. Zwei Tage lang demonstrierten die Milcherzeuger mit Unterstützung von mehr als tausend Schleppern vor dem Europäischen Parlament und sprühten mehrere Tankwagenladungen Milch auf die Fassade des Parlamentsgebäudes. Dank dieses historischen Ereignisses sowie des Milchstreiks 2008 finden die Forderungen des EMB jetzt in Brüssel Gehör.
Eine Kulturrevolution in der Milcherzeugung, die ein völliges Umdenken bei den Milcherzeugern in Europa zur Folge hat - das ist es, was das EMB bewirken möchte. In den letzten 50 Jahren haben wir uns viel zu häufig mit der Ausweitung der Produktion beschäftigt und dabei übersehen, wie wichtig der Milchpreis und das Einkommen sind. Die große Herausforderung, vor der wir nun stehen, liegt darin, das Bewusstsein der Erzeuger dafür zu schärfen, dass Produktion allein die Entwicklung der Höfe nicht sicherstellt. Nur mit einem angemessenen Preis ist auch ein würdevolles Leben möglich. Für die Zukunft haben wir uns deshalb vorgenommen, einen neuen Denkansatz zu prägen: „Erst der Preis, dann die Produktion.“
Dieses Umdenken hat bereits eingesetzt, wie das Projekt „Die Faire Milch“ bezeugt. Damit fördert das EMB die Idee einer fairen Handelsbeziehung zwischen Erzeugern und Verbrauchern in der Nahrungsmittelkette. Ziel des Projekts ist es, einen fairen Milchpreis gleichsam für Erzeuger und Verbraucher zu erzielen, wobei letztere durch den Kauf von „Faire Milch“- Produkten natürlich auch zuallererst die Wirtschaft vor Ort unterstützen, anstatt multinationale Konzerne.
Wir alle sind aufgerufen, das EMB nachhaltig zu fördern und zu entwickeln - dafür brauchen wir die Unterstützung jedes Einzelnen. Nur zusammen können wir unsere Zukunft verändern und zum Besseren wenden. Das EMB stellt für uns eine Gewissheit dar, eine echte Chance, einen Traum zu verwirklichen. Der Traum ist, eine bessere Welt für Milcherzeuger und Landwirte zu schaffen, in der die Sorge um das tägliche Überleben am wirtschaftlichen Abgrund keine Rolle mehr spielt.
Roberto Cavaliere (Mitglied im EMB-Vorstand)
Was planen die Molkereien nach 2015?
Die Abschaffung der Quotenregelung ist in mehrerlei Hinsicht ein einschneidendes Ereignis. Einerseits verlieren die Milcherzeuger ihren durch die „Garantiemengenregelung“ gesicherten Marktzugang. Andererseits besteht die Gefahr einer immer wiederkehrenden Überproduktion. Die Abschaffung der Mengenbegrenzung muss aber auch im Kontext der weltweiten Marktliberalisierung gesehen werden.
Interessant sind die Aussagen der Molkereien zu der Frage, wie sie als Verarbeiter auf die veränderte Situation reagieren wollen. Zumal die Molkereien in Zukunft für die Milcherzeuger de facto den einzigen Marktzugang darstellen.
Mitgliederversammlung: Das EMB gründet sich neu und beschließt Demonstrationen in Deutschland
Am 25. und 26. März hat in Brüssel die halbjährliche Mitgliederversammlung des EMB stattgefunden. Dabei wurde der Schwerpunkt der politischen Arbeit für die nächste Zeit auf Aktionen in den Mitgliedstaaten gelegt. Darüber hinaus ist die Sitzverlegung des EMB von Deutschland nach Belgien abgeschlossen worden.
Auch fast ein halbes Jahr später denken die Mitglieder des EMB noch mit großen Emotionen an die Milchbauerndemonstration Ende November in Brüssel zurück. Die Reaktionen zu einem kurzen Film über die Kundgebung und den Ereignissen drumherum, der auf der Mitgliederversammlung gezeigt wurde, haben dies noch einmal deutlich gemacht. Die entscheidende Frage, die im Anschluss von den Teilnehmern gestellt wurde, ging dann auch dahin, wie diese Energie und die mediale Aufmerksamkeit für die politische Arbeit des EMB genutzt werden können.
Die Lage der Milcherzeugung in Norwegen
Im folgenden Interview gibt Nils Melbøe, Milcherzeuger und Vorsitzender des norwegischen Bauern- und Kleinbauernverbands im Bezirk Rogaland (Rogaland Bonde-og Småbrukarlag), einen Einblick in die norwegischen Milchmärkte und ihre gesetzliche Regulierung.
Wie ist die Lage der Milcherzeugung in Norwegen?
Derzeit gibt es etwa 10.000 Milcherzeuger in Norwegen. Allgemein ist ein starker und dauerhafter Strukturwandel hin zu weniger und größeren Höfen zu beobachten. Diejenigen, die in der Milcherzeugung bleiben, investieren zunehmend in Maschinen und landwirtschaftliche Anlagen. Gleichzeitig erzielt jedoch niemand Nettoeinnahmen. Die Schuldenquote ist explodiert und die traditionelle bäuerliche Landwirtschaft wird nach und nach durch kleine Gruppen von Landwirten ersetzt, die sich zusammentun und große, gemeinschaftlich betriebene Höfe aufbauen.
Niederländische Bauernverbände fordern Änderungen beim EU-Wettbewerbsrecht
Am 18. März hat im niederländischen Nijkerk ein Symposium zum Thema Wettbewerbsrecht in der EU stattgefunden. Rund 200 Teilnehmer waren gekommen, um sich mit fachkundigen Referenten darüber auszutauschen, welche Rolle das EU-Wettbewerbsrecht bei der Verbesserung der Stellung der Produzenten in der Lebensmittelkette spielen könnte. Ausgerichtet wurde die Tagung von Verbänden niederländischer Schweinemäster, Geflügelzüchter, Milchviehhalter und Ackerbauern. Der NMV, einer der beiden Mitgliedsverbände des EMB in den Niederlanden, ist auch darunter gewesen.
Anna Gerbrandy, Dozentin für internationales und europäisches Recht an der Universität Utrecht, vertrat die Auffassung, dass die Wettbewerbsbehörden in den Niederlanden und der EU aufhören müssten, einen einseitigen Fokus auf die Interessen der Verbraucher zu legen.
Internetumfrage: Freiwilliger Lieferverzicht ist das am schnellsten wirksame Kriseninstrument
Die deutsche Landwirtschaftszeitung dlz agrarmagazin hat in ihrem Internetauftritt eine Umfrage zu der Frage durchgeführt, welche Maßnahmen in Krisensituationen am Milchmarkt am schnellsten wirken. Mit 48,1 Prozent hat sich dabei fast die Hälfte der Teilnehmer für den freiwilligen Lieferverzicht ausgesprochen.
EMB-Agenda
Hier finden Sie einige der wichtigsten Termine des EMB-Vorstands im April 2013:
04.04.: Treffen mit dem Agrarreferenten der tschechischen Ständigen Vertretung in Brüssel
04.04.: Treffen mit der Europäischen Kommission zu Milch-produktionskosten
09.04.: Milchbündelungstreffen in Brüssel
10.-12.04.: Milchbauerndemonstration zur Agrarministerkonferenz in Berchtesgaden
15.04.: Milchbauerntag in Karow
18.04.: Konferenz zum EU-Wettbewerbsrecht in Brüssel
Volltexte
Was planen die Molkereien nach 2015?
Die Abschaffung der Quotenregelung ist in mehrerlei Hinsicht ein einschneidendes Ereignis. Einerseits verlieren die Milcherzeuger ihren durch die „Garantiemengenregelung“ gesicherten Marktzugang. Andererseits besteht die Gefahr einer immer wiederkehrenden Überproduktion. Die Abschaffung der Mengenbegrenzung muss aber auch im Kontext der weltweiten Marktliberalisierung gesehen werden.
Interessant sind die Aussagen der Molkereien zu der Frage, wie sie als Verarbeiter auf die veränderte Situation reagieren wollen. Zumal die Molkereien in Zukunft für die Milcherzeuger de facto den einzigen Marktzugang darstellen. Die Aussagen reichen von:
Wir nehmen alle Milch ab
Wir führen keine neuen Modelle ein
Wir möchten ein „Closed Shop“ Modell, nach dem keine weiteren Mitglieder aufgenommen und darüber hinaus benötigte Milch zugekauft wird
Wir müssen bzw. wollen den Weltmarkt bedienen
Was aber genau gedacht oder gar geplant wird, war bis vor kurzem noch völlig im Dunkeln. Allmählich lichtet sich der Schleier. Was ist nun zu erkennen? In welche Richtung gehen die Gedanken?
Lediglich drei Molkereien in Europa haben sich bisher eindeutig positioniert.
Sodiaal, die größte Genossenschaft in Frankreich, hat vor rund einem Jahr beschlossen, zukünftig ein A/B - Preismodell anzuwenden. Für 85% der Produktion sollen die Milcherzeuger einen höheren Preis bekommen. Die restlichen 15% der Anlieferung will die Molkerei je nach Marktlage bezahlen.
Die Berglandmilch, größte Genossenschaft in Österreich, hat ihren Mitgliedern vor wenigen Wochen ein bereits beschlossenes Konzept vorgestellt. Das Konzept sieht eine nicht handelbare Molkereiquote vor. Die Basismenge kann nur durch Überlieferung aufgestockt werden. Jedoch werden diese Produktionssteigerungen mit einer sogenannten Vermarktungsabgabe belegt. Unter dem Strich also auch ein A/B-System.
Emmi in der Schweiz wendet bereits seit Auslaufen der Kontingentierung eine Segmentierung an. Dies bedeutet nichts anderes, als die Aufteilung der Erzeugermilch in bessere und schlechtere Bezahlung.
Alle anderen Verarbeiter halten sich nach wie vor bedeckt, wenn es um die Milchmengen in der Zukunft geht:
FrieslandCampina in den Niederlanden hat lediglich pauschal angekündigt, die Anlieferungsmenge steuern zu wollen.
DMK, größter deutscher Genossenschaftskonzern, testet derzeit ein System von Vorabmeldungen der geplanten Produktion ihrer Milcherzeuger. Vor einigen Jahren wurde den Mitgliedern ein Closed-Shop Modell in Aussicht gestellt. Dies würde bedeuten, dass die eigenen Mitglieder unbegrenzt liefern könnten. Die Begrenzung würde die Molkerei über den Milchzukauf regeln.
Arla Foods in Dänemark äußerte sich ebenfalls unverbindlich. Es sei nicht geplant die Anlieferung einzuschränken.
Allerdings sind die Aussagen dieser Molkereigiganten im Grunde nichtssagend. Quasi über Nacht können auch von ihnen A/B-Modelle eingeführt und als Steuerungsinstrumente deklariert werden. Auffällig ist, dass es sich bei all den Unternehmen um Genossenschaften handelt. Die private Milchwirtschaft hält sich bisher noch mehr bedeckt.
Zwei-Preissysteme als Gefahr für Milchpreise und Erzeuger!
Wohin geht die Reise tatsächlich? Noch ist nicht abschließend zu beurteilen, welche Systeme von den Molkereien tatsächlich nach 2015 angewendet werden. Dennoch zeigt die bisherige Entwicklung eindeutig in Richtung Aufsplittung des Preises, ohne die Mengen tatsächlich zu begrenzen.
Dieser Ansatz bietet den Verarbeitern größtmögliche Flexibilität. Das Ergebnis ist eine möglichst große Milchmenge. So werden einerseits die Kapazitäten der Verarbeiter bestmöglich ausgelastet. Andererseits können über den niedrigeren B-Preis mit den produzierten Übermengen jederzeit auf Kosten der Erzeuger Märkte erobert werden.
Fatal ist diese Herangehensweise allerdings für die Milchviehhalter. Marktchaos und Preisverfall sind vorgezeichnet. Der einzelne Erzeuger ist überhaupt nicht mehr in der Lage, auf Marktsignale zu reagieren. So besteht in Wahrheit eine Kollektivhaftung aller Milcherzeuger. Eine eventuelle Produktionseinschränkung einiger weniger verpufft im Markt. Die Belastung durch niedrige Milchpreise tragen alle, unabhängig ob sie sich marktkonform verhalten oder nicht.
Im Gegensatz dazu kann bei einer einzelbetrieblichen Mengensteuerung jeder Produzent für sich entscheiden, ob er sich an seine Quote hält oder nicht. Er trägt direkt die Konsequenzen seines Handelns. Dieser Ansatz hat somit wesentlich mehr mit der viel gepriesenen Marktwirtschaft zu tun, als der sogenannte freie Markt.
Romuald Schaber (Präsident des EMB)