MILK-NEWS

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Liebe Milchbäuerinnen und Milchbauern, liebe Interessierte,

Seit 60 Jahren schlittert die Landwirtschaft von einer Krise in die nächste. Heute kann man sogar sagen, dass wir uns in einer Dauerkrise befinden.

Die Industrialisierung der Landwirtschaft sollte Lösungen hervorbringen und Mehrwert schaffen... Das Ergebnis, sechzig Jahre später: Eine regelrechte Agrarindustrie, ein Koloss auf tönernen Füßen, mit einer extrem hohen Verschuldungsrate und Erzeugern, die ohne Beihilfen nicht überleben können und gewaltige Mengen an Milch, Fleisch, Gemüse und Getreide produzieren. Somit muss die Lagerhaltung subventioniert werden. Anschließend sind dann Beihilfen notwendig, um die Mengen in Drittländer (u.a. nach Afrika) zu verkaufen – was die Vernichtung afrikanischer Kleinbauern und eine Änderung der lokalen Ernährungsgewohnheiten zur Folge hat. All dies mit dem nicht zugegebenen und nicht zu rechtfertigenden Ziel, neue Exportmärkte zu erschließen. Und dann sollen wir uns noch wundern, dass Millionen von Einwanderern in unsere Länder kommen.

Eine andere Art der Landwirtschaft ist möglich! Bauern dienen nicht nur der Nahrungsmittelherstellung. Sie unterhalten den ländlichen Raum und spielen eine wichtige gesellschaftliche Rolle. Unsere Städte bestehen aus Beton, Glas und Stahl, die Bedeutung des Menschlichen entschwindet nach und nach, was gestörte gesellschaftliche Verhaltensweisen zur Folge hat: Einsamkeit, Depression, Schizophrenie usw. Man könnte sich sogar vorstellen, dass Bauern für alle Dienste entlohnt werden sollten, die Sie der Gesellschaft erweisen, zusätzlich zur Nahrungsmittelproduktion. Die Landwirtschaft kann eine Quelle der Beschäftigung, der Energieproduktion sein, sie kann Beziehungen zwischen Menschen herstellen, kann unserem Leben einen Sinn geben. Die Landwirtschaft kann für all dies stehen, und noch viel mehr!

Die bevorstehende Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik wird sich für einen dieser beiden Wege entscheiden müssen: Entweder sie fördert weiter die Industrialisierung der Landwirtschaft, die uns geradewegs zu einem weltweiten "Tschernobyl" führt, oder sie setzt auf eine bäuerliche Landwirtschaft, bei der der Mensch im Mittelpunkt der Gesellschaft steht und die uns den Weg zum Eldorado weist.

Boris Gondouin, APLI Frankreich

Appell der Milcherzeuger an EU-Parlament, Rat und Kommission: Greifen Sie den Vorschlag des Parlaments zur Omnibus-Verordnung auf!

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Wir alle haben gesehen, dass die freiwillige Mengenreduzierung im Jahr 2016 und 2017 Wirkung gezeigt hat. Man kann sich das Aufatmen nicht nur bei uns Bäuerinnen und Bauern, sondern auch bei der EU-Politik vorstellen, als die stetige Talfahrt der Preise damit endlich gestoppt werden konnte.

 

Doch der freiwillige Lieferverzicht hätte viel eher kommen müssen. Denn dass Intervention und private Lagerhaltung bei solch einer starken Marktverwerfung nicht ausreichen würden, konnte man schon viel eher deutlich erkennen. Aktuell ist zudem ersichtlich, dass große Einlagerungsmengen langfristig Probleme machen. Um solche Fehler in Zukunft zu vermeiden, sollte das Prinzip der freiwilligen Mengenreduzierung in der EU-Gesetzgebung zur Landwirtschaft verankert werden.

Einen Vorschlag dazu gibt es vom EU-Parlament bezüglich der sogenannten Omnibus-Verordnung, die aktuell im Trilog zwischen EU-Rat, -Kommission und -Parlament diskutiert wird. Es handelt sich um einen neuen Artikel 220a „Freiwillige Regelung zur Verringerung der Erzeugung“, der in die EU-Verordnung Nr. 1308/2013 Eingang finden soll. Das European Milk Board ruft alle Trilog-Beteiligten dazu auf, diesen Vorschlag aufzugreifen und in geltendes Recht umzusetzen. Es geht darum, Vertrauen in einem Sektor zu schaffen, der in den vergangenen Jahren von Krisen stark gebeutelt wurde.

 

„Bekennen Sie sich zu einer verantwortungsvollen Politik und zu Ihren Landwirten. Binden Sie das Instrument gesetzlich ein, damit es nicht nur nach Lust und Laune oder auch gar nicht mehr eingesetzt wird, sondern wirklich dann zur Anwendung kommt, wenn der Markt es braucht. Und er wird es brauchen!“

 

EMB Pressemitteilung vom 20.07.2017

Belgien kritisiert französisches Projekt im Milchsektor

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Es ist gut nachvollziehbar, dass einzelne EU-Länder eigenständig Wege aus einer festgefahrenen Situation suchen, wenn es von EU-Seite her an einer stabilisierenden Politik mangelt.

 

So hat Frankreich im vergangenen Jahr seine Milchverarbeiter verpflichtet, Milch und Milchprodukte mit einem Herkunftsnachweis zu versehen, der den Konsumenten anzeigt, in welchem Land die Milch gemolken und verarbeitet wurde. Nun meldete sich der belgische Landwirtschaftsminister Willy Borsus zu Wort und verwies auf die Konsequenzen, die das französische Vorgehen für sein Land hätte. Der Milchhandel des Beneluxstaates mit Frankreich sei seit der Einführung der Kennzeichnungspflicht um 17 Prozent eingebrochen, Verträge bezüglich Milch und Milchprodukten würden immer seltener verlängert. Sein Amtskollege aus Frankreich, Stéphane Travert, verteidigt die Kennzeichnungspflicht als eine Erhöhung der Transparenz für Konsumenten und weist den belgischen Vorwurf zurück. Das Projekt würde erst einige Monate laufen und es könnten daher noch keine zuverlässigen Angaben zu seinen Auswirkungen gemacht werden.

Der Konflikt zwischen den beiden Ländern macht deutlich, wie notwendig es ist, das Problem im Milchsektor mit einer ausgleichenden Politik auf EU-Ebene zu lösen. Denn Krisen, wie sie den Milchsektor in den vergangenen Jahren ständig heimgesucht haben, schaffen negative Spannungen zwischen EU-Mitgliedern. Wirksame Kriseninstrumente auf EU-Ebene stabilisieren also nicht nur den Milchmarkt, sondern leisten auch einen wichtigen Beitrag zur Stärkung des allgemeinen Zusammenhalts in der EU.

Silvia Däberitz, EMB-Geschäftsführerin

Der Brexit führt zu einer "GAP-Falle" und die Kommission darf nicht hineintappen

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Die Berichte, die im Umlauf sind, dass die Kürzungen des EU-Haushalts, die aus dem Wegfall des britischen Beitrags resultieren, zulasten der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) gehen werden, sind äußerst besorgniserregend.

 

 

Was die wirtschaftlichen Auswirkungen und die positive Multiplikatorenwirkung betrifft, kann man nicht von der Hand weisen, dass die Direktzahlungen der EU der wichtigste Faktor in vielen Regionen unseres Landes sind.

Gott sei Dank hat sich die fundierte Berichterstattung seit langem von der dummen "Scheck-in-der-Post"-Karikatur wegbewegt, die die öffentliche Wahrnehmung der GAP und ihrer Funktionsweise verzerrt hat. Den meisten Menschen ist inzwischen vollkommen klar, dass die Direktzahlungen im Rahmen der GAP für ein Eingeständnis der EU stehen: In einer Situation, in der sie selbst unfähig oder unwillig ist, die Lebensmittelkonzerne zu zwingen, Landwirten und Primärerzeugern einen angemessenen Preis zu zahlen, obliegt es ihr, den Unterschied auszugleichen. So sind die Direktzahlungen de facto die Bestätigung der EU, dass sie bereit ist, die völlig unzureichenden Preise "aufzustocken", die die Konzerne den Landwirten mangels Regulierungsmaßnahmen oder Druck seitens der EU zahlen. Die EU-Politik besteht darin, "günstige Nahrungsmittel" zu fordern, sodass die Supermärkte in den Großstädten höchsten Standards entsprechende Nahrungsmitteln zu künstlich niedrigen Preisen verkaufen können und die Einzelhändler ihr enormes wirtschaftliches Gewicht nutzen können, um die Preise rückwärts (sprichwörtlich) bis zur Kuh diktieren zu können, ohne dass die EU den Landwirten auch nur ansatzweise Schutz bietet. Was zählt ist, dass die Verbraucher in den Städten hervorragende Qualität zu günstigsten Preisen bekommen. Der Unterschied zwischen den Schleuderpreisen, mit denen die Einzelhändler davonkommen, und dem, was die Landwirte benötigen, um (so gerade eben) über die Runden kommen, wurde in Form von Direktzahlungen im Rahmen der GAP geleistet. Ich habe es bereits an anderer Stelle gesagt, aber ich werde es wiederholen: Direktzahlungen im Rahmen der GAP waren keine Beihilfen an die Landwirte, sondern waren - und sind - Beihilfen für die Einzelhandelskonzerne, die es ihnen ermöglichen, die Landwirte unter Einstandspreis zu entlohnen und von ihren Kunden nicht den angemessenen Preis zu verlangen.

Es ist etwas ironisch, dass der Mitgliedstaat, der in seiner Unterstützung der "Billignahrungsmittel"-Politik und seiner Geringschätzung eines ausgleichenden GAP-Systems am lautstärksten war, das Vereinigte Königreich war. Der britische EU-Ausstieg und die Kürzung des Gesamthaushalts um den britischen Beitrag von ca. 11 Milliarden Euro pro Jahr werden schwerwiegende Folgen für den Haushalt der EU haben – das erkennen wir an. Aber der Gedanke, dass die GAP und die in ihrem Rahmen geleisteten Direktzahlungen infolge der geringeren Haushaltmittel gekürzt werden müssen, bedeutet de facto, dass der Brexit letztendlich Irland doppelt trifft und das akzeptiert unser Verband ICMSA nicht.

Zwei der leicht absehbaren Folgen der geplanten Kürzungen sind die Beschleunigung des bereits ausgeprägten Ausblutens der einheimischen Landwirtschaft und der Primärerzeugung von Nahrungsmitteln in der EU. Anders gesagt wird das, was vom der bäuerlichen Landwirtschaft in den EU-Ländern auf dem Kontinent noch übrig ist, verschwinden und wir werden eine Industrialisierung in der Landwirtschaft und Nahrungsmittelerzeugung sehen. Mit den Kürzungen der GAP und Direktzahlungen wird außerdem die Nahrungsmittelinflation in die Höhe schnellen, da die Landwirte verzweifelt versuchen werden, die Einnahmenverluste auszugleichen, indem sie höhere Preise für ihre Erzeugnisse verlangen. Damit sind sie auf direktem Konfrontationskurs zur Billignahrungsmittelpolitik, die von den Einzelhandelskonzernen und der Kommission gemeinsam praktiziert wird. Das dadurch entstehende – soziale, politische, wirtschaftliche und regionale – Chaos kann man derzeit nur erahnen und fürchten.

Die beiden größten Errungenschaften der EU waren, dass sie Konflikte zwischen den Mitgliedstaaten unmöglich gemacht hat und ihre Bevölkerung mit Nahrungsmitteln mit weltweit höchsten Standards und günstigen Preisen versorgt hat. Die Kürzung der GAP-Mittel bedeutet, dass diese Errungenschaft Schaden nimmt und damit die Argumente der GAP-feindlichen Befürworter des Brexit auf perverse Art bestätigt werden.

John Comer, Vorsitzender von ICMSA Irland

Experten-Anhörung im Bayerischen Landtag: BDM regt Debatte um grundsätzliche Ausrichtung der GAP an

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Die Weiterentwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nach 2020 war Thema der Agrarausschuss-Sitzung des Bayerischen Landtags, in der Sachverständige landwirtschaftlicher Verbände sowie des Bundes und der EU gehört wurden.

Hans Foldenauer erklärte als Vertreter des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter BDM e.V., dass die bisherige starke Konzentration der GAP auf die Verteilung von Agrargeldern an die Landwirte in der bisherigen Form nicht zukunftsfähig ist. Sie hat zu einer Abhängigkeit der Landwirtschaft von öffentlichen Geldern geführt und ist zudem mit einem riesigen Bürokratie- und Kontrollaufwand verbunden. Eine wirtschaftlich nachhaltige Weiterentwicklung der Betriebe kann mit diesen Zahlungen nicht erreicht werden – nicht zuletzt deshalb, weil auch Marktkrisen nicht verhindert werden.

Tatsächlich profitieren von den Agrargeldern in erster Linie die exportorientierten Konzerne der Ernährungs- und Molkereiindustrie. Um die Landwirtschaft global wettbewerbsfähig zu machen, wird in der Agrarpolitik vor allem auf Kostenführerschaft gesetzt. Der damit verbundene Preisdruck wird durch die Direktbeihilfen für die Erzeuger nicht annähernd ausgeglichen und  sorgt bei den Landwirten für einen enormen Intensivierungsdruck und massive wirtschaftliche Probleme. Immer weniger potenzielle Hofnachfolger sind daher angesichts der fehlenden wirtschaftlichen Perspektive bereit, die Betriebe weiterzuführen.

„Für die exportstarken Konzerne der Ernährungs- und Molkereiindustrie ist die GAP hingegen bisher eine willkommene „Gelddruckmaschine“. Ihr Rohstoffeinkauf wird durch die Stützung  der Erzeuger mit öffentlichen Geldern quasi künstlich verbilligt“, erklärt Foldenauer. Um die EU-Agrarpolitik sozial gerechter und zukunftsfest zu machen, müsse bei der Weiterentwicklung der GAP 2020 daher der Schwerpunkt auf eine funktionierende Gemeinsame Marktordnung (GMO) gelegt werden. Mit einer Nachjustierung der zukünftigen Verteilung der Agrargelder werde kein Problem gelöst, sondern sogar eher verschärft, so Foldenauer weiter.

Elementar ist nach Auffassung des BDM, dass das Haupteinkommen zukünftig wieder aus dem Verkaufserlös der landwirtschaftlichen Produkte kommen muss. Dazu bedarf es einer starken Gemeinsamen Marktordnung. Weiter muss die GMO um wirkungsvolle Marktkriseninstrumente erweitert werden. Man muss künftig in der Lage sein, Krisen präventiv und frühzeitig zu begegnen und so schnell wieder ein Marktgleichgewicht herzustellen. Dass es dazu effiziente Möglichkeiten gibt, hat die Verknüpfung des 2. EU-Hilfspakets mit zeitlich befristeter Mengendisziplin bewiesen.

„Wenn das Haupteinkommen der Betriebe in erster Linie aus dem Verkaufserlös der Produkte zu erzielen ist und die Direktzahlungen nicht mehr rund 50% des Einkommens der Betriebe ausmachen, hat man mit der GAP echte Gestaltungsmöglichkeiten für eine widerstandsfähige, vielfältige Landwirtschaft mit Zukunft, die ihre zahlreichen Aufgaben im Bereich des Klima- und Umweltschutzes, des Tierwohls und der Ernährungssicherheit auch wirklich leisten kann“, fasst Foldenauer zusammen.

Pressemitteilung des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter (BDM) vom 7. Juli 2017

Aktuelle Milcherzeugungskosten für Deutschland: 42 Cent/ Kilogramm Milch

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Im Milchsektor gibt es seit dem Jahr 2012 eine realitätsnahe Kalkulation der Milcherzeugungskosten. Das Büro für Agrarsoziologie (BAL) errechnet aus offiziellen EU-Daten die Kosten für ein Kilogramm Milch und setzt sie ins Verhältnis zu dem jeweils aktuell ausgezahlten Preis. Hier die neusten Zahlen für Deutschland:

 

Im Milchsektor gibt es seit dem Jahr 2012 eine realitätsnahe Kalkulation der Milcherzeugungskosten. Das Büro für Agrarsoziologie (BAL) errechnet aus offiziellen EU-Daten die Kosten für ein Kilogramm Milch und setzt sie ins Verhältnis zu dem jeweils aktuell ausgezahlten Preis. Hier die neusten Zahlen für Deutschland:

Wie aus der Rechnung ersichtlich, fließen auch die Arbeitsleistungen über einen Einkommensansatz in die Erzeugungskosten von 42,00 Cent/ Kilogramm Milch mit ein. „Es gibt aber leider auch andere Berechnungsarten, die die Arbeitsleistung des Betriebsleiters und der Familienarbeitskräfte nur zum Teil oder auch gar nicht mit in die Kalkulation aufnehmen“, gibt Romuald Schaber, der Vorsitzende des European Milk Board (EMB), zu bedenken. „So als wäre die Arbeitskraft kaum oder gar nichts wert.“ Dadurch entstünde oftmals ein verzerrtes Bild darüber, was die Herstellung von Milch kosten würde bzw. auch kosten dürfe. „Leider fühlen sich dadurch auch Milcherzeuger oft gezwungen, den Wert der eigenen Arbeit sehr gering zu schätzen“, kritisiert Schaber. Doch das sei falsch. „Denn es steckt viel Arbeit in der Milchproduktion und für das Betreiben eines Milchbetriebes ist ein breit angelegtes Know-How – vom Ackerbau und der Tierpflege über Nutzung und Instandhaltung sensibler Maschinen bis hin zur betriebswirtschaftlichen Leitung des Hofes – notwendig.“ Die Kalkulation der BAL orientiert sich an Tarifabschlüssen im Agrarbereich und bewertet diese Leistungen mit 20 - 22 Euro/ Stunde (Brutto) für einen Betriebsleiter realistisch.

 

Die Preis-Kosten-Ratio, die die Deckung der Produktionskosten durch den Milchpreis anzeigt, weist für April einen Wert von 0,81 aus. Danach sind die Kosten nur zu 81 Prozent gedeckt. Das sei, laut Schaber, ein äußerst problematischer Zustand für den Milchsektor. „Lassen Sie mich einmal so fragen: Die Milcherzeuger produzieren ein wichtiges Grundnahrungsmittel in höchster Qualität, sie entwickeln sich ständig weiter, tragen ein vergleichsweise hohes Berufsrisiko und halten mit ihrer Arbeit die ländlichen Räume lebendig. Dürfen da auf ihrem Einkommenszettel tatsächlich minus 19 Prozent stehen?“, so Schaber nachdenklich.

Diese Situation beschränkt sich nicht allein auf Deutschland. Auch in anderen EU-Ländern dümpeln die Preise weit unter dem Kostenniveau. Zwar konnte sich durch eine EU-weite Produktionsreduzierung der Markt im Vergleich zum Vorjahr etwas erholen. Doch mit Preisen von beispielsweise 32 Cent in Frankreich oder 35 Cent in Dänemark sind die Milcherzeugungskosten von über 40 Cent auch hier nicht gedeckt. Das EMB schlägt vor, den Markt über ein Kriseninstrument zu stabilisieren und damit die Kostenunterdeckung zu beenden. „Dieses Kriseninstrument mit dem Namen Marktverantwortungsprogramm (MVP) kann uns helfen, ein Sektor mit Zukunft zu werden – ein Sektor also, in dem junge Menschen die Milchbetriebe weiterführen können, anstatt ihn wie jetzt scharenweise verlassen zu müssen“, so Schaber.

EMB Pressemitteilung vom 17. Juli 2017

Österreich: Berglandmilch droht Bauern mit Stopp der Milchabnahme

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Nach Außen hin haben sich die Wogen geglättet. Intern brodelt es in der Milchbranche aber nach wie vor. Es geht um alte Rechnungen, umstrittene Verträge und den Kampf kleiner Betriebe ums Überleben. Die Vorgeschichte: 37 Bauern standen im Frühjahr ohne Abnehmer da.

 

 

Sie hatten sich den sogenannten Milchrebellen der Initiative Freie Milch angeschlossen, die abseits aller Genossenschaften eigene Wege in der Vermarktung suchte – und finanziell scheiterte. Die Rückkehr der Abtrünnigen zu den angestammten Molkereien wurde zur Zitterpartie: Berglandmilch, mit Schärdinger Marktführer in Österreich, lenkte erst in letzter Sekunde ein und holte zwölf Betriebe unter ihr rettendes Dach zurück – jedoch zu sehr unkonventionellen Konditionen. Ein Passus im Vertrag, der dem STANDARD vorliegt, besagt: Die Berglandmilch darf die Milchabnahme sofort stoppen, macht sich ein Lieferant "schädigender Medienberichte" schuldig.

 

Keine Stellungnahmen

Der Vertrag ist, was ebenso unüblich ist, auf nur ein Jahr befristet. Um Milch weiter liefern zu dürfen, müssen die Bauern in rund sieben Monaten um Verlängerung bitten. Finanziell sind sie im Vergleich zu angestammten Lieferanten erheblich schlechtergestellt. Einen Zuschlag für Biomilch gibt es für sie nicht. Sie erhalten für das Kilo brutto 20 Cent weniger als andere Biobetriebe und 4,2 Cent weniger als konventionell geführte Höfe. Betroffene Bauern waren zu keiner Stellungnahme bereit. Mit diesem Preis sei kein Überleben möglich, sagen jedoch Landwirte, die Einsicht in die Verträge hatten, aber rechtzeitig bei anderen Molkereien wie der Nöm, die Abschläge auf lediglich drei Cent beschränkte, unterkamen. Sie erzählen von Biohöfen, die sich nun dazu gezwungen sehen, die Milchwirtschaft völlig aufzugeben, weil sich die Produktion nicht rechne. Verschärft werde ihre prekäre Lage durch die lange Dürre: Futter muss vielfach zugekauft werden.

 

„Marktbeherrschung“

Wolfgang Pirklhuber von den Grünen spricht von einer "Schande fürs Genossenschaftswesen", das seiner Ansicht nach mehr demokratische Frischluft nötig habe. "Der größte Genossenschafter verhält sich hier am unsolidarischsten – nach der Devise: Friss oder stirb. Kleinere agieren weitaus fairer." Dass Meinungsäußerungen vertraglich eingeschränkt werden, sei ihm noch nie untergekommen: Es rüttle an den Grundrechten. Für Ernst Halbmayr, einst Mitbegründer der Freien Milch, sind Bedingungen, die der Molkereiriese an die früheren Rebellen stellte, nur aufgrund seiner "marktbeherrschenden Stellung" möglich. Jakob Auer, Präsident des Bauernbunds, hatte offen für Pönalen für die Rückkehrer plädiert. Viele hoffen, bei seinem Nachfolger Georg Strasser auf mehr Sensibilität für das heikle Thema zu stoßen. Berglandmilch selbst hat stets betont, zunächst den eigenen, verlässlichen Mitgliedern verpflichtet zu sein, die teilweise noch Geschäftsanteile zeichnen mussten.

Verena Kainrath: "Berglandmilch droht Bauern mit Stopp der Milchabnahme", Der Standard 11. Juli 2017

Wenn JEFTA kommt, müssen Bauern gehen

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Die EU und Japan haben Anfang Juli bekannt gegeben, sich auf die Grundsätze eines Freihandelsabkommens (JEFTA) geeinigt zu haben. Die Vereinbarungen des Vertrages sollen Anfang 2019 in Kraft treten. In Japan entwickelt sich das Thema JEFTA und Landwirtschaft zu einem Knackpunkt.

 

Japan ist die viertgrößte Wirtschaftsmacht in der Welt. Dort leben fast 127 Millionen Menschen. Die europäische Agrarindustrie und ihre Vertreter in Politik und Verbänden sehen in Japan vor allem einen Abnehmer für ihre überschüssigen Milch- und Fleischprodukte aus Europa. Nach Japan soll aber auch mehr Wein exportiert werden.

Bisherige Handelsvereinbarungen ermöglichen Europa schon heute nennenswerte Exportmengen an Schweinefleisch nach Japan. Darüber hinaus verteuern japanische Zölle das Schweinefleisch vom Weltmarkt um 67 Prozent, was die Exporte deutlich bremst. Für Rindfleisch liegen die Zölle sogar bei 93 Prozent. Aus der EU wird kaum Rindfleisch nach Japan exportiert. Im Milchsektor gelangt hauptsächlich europäische Molke nach Japan.

Diese Zölle sollen fallen - ein Schlag für die lokale Milchwirtschaft in Japan. Nur wenige Tage vor der Mitsommernacht wurde noch eine Änderung der japanischen Milchpolitik „Livestock Stablization Act“ auf den Weg gebracht. „Das neue Gesetz wird im April 2018 in Kraft treten“, berichtet Shushi Okazaki von der japanischen Bauernorganisation Noumiren. Okazaki führt weiter aus: „Die Gesetzesänderung wird es Molkereien ermöglichen, die Erzeugerpreise nach unten zu drücken.“ Bisher sind die Milchabsätze auf regionaler Ebene geregelt. Die Erzeugerpreise werden von Organisationen gegenüber Molkereien ausgehandelt und bei Bedarf Angebot und Nachfrage angepasst. Diese Strukturen werden durch die neue Milchpolitik aufgeweicht. „Dadurch wird das Einkommen der meisten Milcherzeuger in Japan sinken. In Folge dessen werden Betriebe vermutlich aufgeben müssen“, sagt Okazaki. 

„Die AbL stellt sich klar auf die Seite der japanischen Berufskolleginnen und -kollegen. Es kann nicht sein, dass ein Handelsabkommen mit der EU dazu führt, dass in Japan bäuerliche Strukturen massiv unter Druck geraten“, kommentiert Elisabeth Waizenegger, Milchbäuerin im Bundesvorstand der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). Laut Waizenegger ist das auch nicht im Interesse europäischer Milcherzeuger: „Diese Politik bringt auch den Bäuerinnen und Bauern hier keinen Nutzen, ganz im Gegenteil. Die jüngste EU-Reform im Milchsektor hat in Deutschland dazu geführt, dass unsere bäuerliche Milchwirtschaft derzeit wegzubrechen droht und einer industriellen Produktionsform weichen soll. Diese Entwicklung ist der einseitigen europäischen Weltmarktorientierung geschuldet. Einzig die Milchindustrie, die vor allem billige Massenwaren exportiert, profitiert von JEFTA und Co.“

Den jüngsten von Greenpeace geleakten Vertragstexten ist zu entnehmen, dass JEFTA Klageprivilegien für Investoren enthalten soll. Dieses System wurde bereits bei TTIP und CETA stark kritisiert. Und das Vorsorgeprinzip ist lediglich in Kapiteln erwähnt, die keinerlei Durchsetzungsmechanismen unterliegen, aber in den entscheidenden Kapiteln fehlt die Verankerung dieses Prinzips. Damit könnten auch mit diesem Abkommen bäuerliche Standards und Qualitätserzeugung abgesenkt werden.

„Die AbL fordert die deutsche Politik auf, umgehend auf eine Kehrtwende in der europäischen Handelspolitik hinzuwirken. Im Gegensatz dazu befürwortet die AbL einen Handel unter fairen Bedingungen mit hochpreisigen Qualitätsprodukten, die eine Wertschöpfung ermöglichen“, fordert Waizenegger.

Berit Thomsen, Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) 

EMB fordert Agrarkommissar Hogan auf, Lagerbestände nicht zu verschleudern

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Die EU-Kommission hat am 20. Juni den Verkauf von weiteren 100 Tonnen Magermilchpulver aus der öffentlichen Intervention zu einem Preis von 185 €/100 kg bewilligt. Aus der Sicht des European Milk Board beeinträchtigen diese Verkäufe unter Wert den europäischen und internationalen Milchmarkt.

 

Außerdem widerspricht die EU-Kommission mit diesem Vorgehen ganz klar ihrer Aussage, dass der Verkauf um jeden Preis nie eine Option war und dass Marktgleichgewicht und Preiserholung wichtigste Ziele bleiben.

Romuald Schaber, Präsident des European Milk Board, zeigt sich bestürzt über den Verkauf des Interventionspulvers: „Das ist für Europas Milcherzeuger ein Stoß in den Rücken und ein verheerendes Signal an die Akteure im Milchmarkt. Die Milchkäufer können so weiterhin auf billiges Pulver spekulieren“. Die Milchpreise, die sich nun langsam erholen, bekämen damit wieder einen Dämpfer.

Das Interventions-Milchpulver darf nur zu einem stabilisierenden Preis verkauft werden. Legt man die Produktionskosten von über 40 Cent je produziertem Liter Rohmilch zugrunde, die in den interventionsstarken Ländern wie Frankreich, Deutschland und Belgien anfallen, ergibt sich ergänzt durch Transport-, Verarbeitungs-und Vermarktungskosten, eine Preisschwelle von mindestens 335 Euro/100 kg Milchpulver. Alternativ können neue Absatzwege ins Auge gefasst werden, um die gewaltigen Pulverbestände von rund 350.000 Tonnen abzubauen, wie beispielsweise die Verwendung als Tierfutter.

„Die Kommission sollte aus den Fehlern der Vergangenheit lernen und endlich begreifen, dass die Intervention den Milchmarkt nicht ausreichend stabilisieren kann“, so Schaber weiter. So lange die Milchpreise tief sind, würden die Milchbauern weitermelken, um ihren Cashflow aufrechtzuerhalten und die Lagerbestände werden weiter aufgefüllt. Die Vergangenheit habe auch gezeigt, dass erst das Mengenreduktionsprogramm der EU eine unmittelbare Wirkung auf die Milchpreise hatte, weil hier direkt an der Überproduktion angesetzt wurde. Die EU wäre gut beraten, in Zukunft rechtzeitig mengenreduzierende Instrumente anzuwenden, anstatt die Mengen nur kurzfristig vom Markt zu nehmen und das Problem der Übermengen zeitlich nur zu verlagern.

Nachdem Agrarkommissar Hogan das Problem der Magermilchpulverbestände bagatellisiert und auf die historisch hohen Fettpreise hinweist, hat sich das European Milk Board gestern in einem Brief direkt an den EU-Kommissar gewandt: „Wichtig ist, welchen Einfluss das Verschleudern des Milchpulvers auf die Auszahlungspreise hat. Sie wissen, dass diese Wirkung problematisch ist, da der Milchpreis unter Druck gesetzt und eine Preiserholung blockiert wird. Indem Sie den Markt mit derart billigem Milchpulver bedienen, signalisieren Sie zudem, wie wenig Sie letztlich von einer hohen Wertschöpfung und fairen Preisen im Milchsektor halten. Das ist der aktuellen Debatte um Fairness und Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft nicht dienlich... Sie werden feststellen, dass die hohen Fettpreise sich leider nicht in den Erzeugerpreisen ausreichend widerspiegeln. Der Fettanteil macht ja nur eine Hälfte des Milchpreises aus, das Eiweiß, also Milchpulver, die andere Hälfte. Damit die Milchpreise steigen können, ist es deshalb wichtig, auch dem Milchpulver einen entsprechenden Preis einzuräumen.

Im Brief an Agrarkommissar Hogan wurde ebenfalls klar darauf hingewiesen, dass die Ramschverkäufe von Magermilchpulver den internationalen Milchmarkt belasten und das European Milk Board sich bei Fortführung dieser Praxis eine rechtliche Prüfung überlegen müsste.

Pressemitteilung des EMB vom 14. Juli 2017

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