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EMB - European Milk Board asbl
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Liebe Milchbäuerinnen und Milchbauern, liebe Interessierte,

in den letzten Wochen wurde das Thema Agrarpolitik an vielen Orten diskutiert. Die GAP-Reform, das Milchpaket – nicht nur in Brüssel und unter Parlamentariern, sondern auf den Höfen, in den Straßen Berlins, in Brescia in Italien und in Grangemouth in Schottland spricht man über Landwirtschaft, welche Bedeutung sie in der Gesellschaft hat und wie eine reformierte Politik aussehen sollte. Dass ein wesentliches Element einer neuen Politik die Stärkung der Erzeuger am Markt sein muss, zeigen die Erfahrungen in der Schweiz. Dort wird heute schon sichtbar, was geschieht, wenn die Molkereien die Steuerung des Milchmarktes übernehmen.

Bei einer Demonstration in Berlin gingen am 22.1.2011 über 22.000 Menschen für eine bessere Agrarpolitik auf die Straße. Solche Aktionen zeigen, dass die Milcherzeuger in der Bevölkerung und in gesellschaftspolitischen Gruppen Unterstützung für ihre Anliegen finden können. Die Bewegung für eine sozial und ökologisch nachhaltigere Landwirtschaft mit fairen Preisen für Erzeuger und Verbraucher wird breiter. Im EU-Parlament in Brüssel gab es am 26.1.2011 eine Anhörung zur GAP-Reform. Ein Vertreter von ARC (Agricultural and Rural Convention) stellte die Elemente einer reformierten Agrarpolitik vor und unterstrich die Bedeutung der Stärkung der Position der Erzeuger durch gesetzliche Rahmenbedingungen und die Bündelung in unabhängigen Erzeugerorganisationen.

In Kürze wird das Parlament Stellung nehmen zu dem von der EU-Kommission vorgestellten Milchpaket. EMB hat deshalb in den letzten Wochen verschiedene Vertreter des EU-Parlaments und der Kommission in Brüssel getroffen. Auf nationaler Ebene haben die Mitgliedsverbände ihrerseits Aufklärungs- und Lobbyarbeit betrieben sowie durch Aktionen die Aufmerksamkeit auf die Notwendigkeiten für einen funktionierenden Milchmarkt gelenkt. Im Rahmen der Mitgliederversammlung des EMB in Irland wird es Gelegenheit geben, sich über die Erfolge und Herausforderungen in den eigenen Aktivitäten auszutauschen.

In Frankreich ist nun neben dem Office de lait, das in der Zukunft als eine neuartige Branchenorganisation gedacht ist, auch eine reine Erzeugerorganisation gegründet worden – das „France Milkboard“. Erstes politisches Ziel dieses neuen Verbandes ist es, den Beginn der so genannten Kontraktualisierung zu verschieben, damit die Erzeuger nicht direkt Verträge abschließen müssen, sondern dies über das France Milkboard vermittelt tun können.

Unsere Mitgliedsorganisationen APLI und OPL halten seit Ende Januar unzählige Informationsversammlungen im ganzen Land ab. Das Interesse seitens der Milcherzeuger ist überwältigend. Die französischen Milchviehhalter haben erkannt, dass eine Bündelung vor den Molkereien für sie die einzige Möglichkeit darstellt, mehr Einfluss auf dem Milchmarkt zu erlangen. Ansonsten besteht die große Gefahr, in die Molkereien vertikal integriert zu werden und somit in Zukunft jegliche Möglichkeit, kostendeckende Milchpreise durchsetzen zu können, zu verspielen. 

Im Februar startet nun auch das Luxemburg Dairy Board mit der Fairen Milch. Informationen hierzu und zu den Überlegungen in den USA, eine Mengenregulierung auf nationaler Ebene einzuführen, werden bald auf unserer Internetseite www.europeanmilkboard.org zur Verfügung stehen.

Ich wünsche Ihnen eine gute Lektüre,

Mit herzlichen Grüßen,

Sonja Korspeter, EMB.

 

Schottland: Proteste – Preise – Politik

Proteste

Die Milchbauern in Schottland und ganz Großbritannien leiden bereits seit langem unter  zu niedrigen Milchpreisen. Dieser Ärger hat sich nun das erste Mal seit Jahren in Demonstrationen entladen. Zunächst rückte Tesco, eine der großen britischen Supermarktketten, ins Visier der Demonstranten. Doch dann kündigte Asda, eine andere große Kette, erneute Preissenkungen an.  Am 15. Dezember 2010 fanden sich deshalb etwa 180 Milchbauern, darunter Mitglieder von Farmers for Action (FFA), Dairy Farmers of Scotland (DFoS) und der schottischen National Farmers Union (NFUS) sowie Vertreter von Zulieferbetrieben und Abgeordnete des schottischen Parlaments in Grangemouth vor einem Lager von Asda ein. Asda hatte David Handley, den Vorsitzenden der FFA, noch am Morgen aufgefordert, eine Liste mit Bedingungen zu unterschreiben und  eine einstweilige Verfügung gegen die Demonstranten erwirkt. Da die Demonstration trotzdem stattfand, musste sich Handley vor Gericht verantworten. Dieses Verfahren wurde mittlerweile nach einer außergerichtlichen Einigung eingestellt.

Milchpreis

Die Milchpreise wurden stark gesenkt. Auch wenn die Profite des Handels gering bleiben, für die Milchviehbetriebe in Schottland sind die Auswirkungen langfristig sehr schädlich. Die verarbeitende Industrie versucht, mit immer niedrigeren Preisen Marktanteile zu gewinnen. Für sie ist es leicht, da sie schließlich das Geld anderer aufs Spiel setzt. Schätzungen gehen davon aus,  dass über 80% der Milcherzeuger in Großbritannien keinen kostendeckenden Preis erhalten.  Der durchschnittliche Ab-Hof-Preis in Großbritannien lag im Oktober bei 25,67 pence pro Liter (28,42 Cents) und war somit 4,21 pence (4,67 Cents), also 14%, niedriger als der Durchschnitt der EU-25. Alle Bauern in Großbritannien, unabhängig davon wie groß ihr Betrieb ist, brauchen dringend eine deutliche Milchpreissteigerung.

Politik

In Schottland arbeiten FFA, NFUS, DFOS und Politiker zusammen und versuchen gemeinsam die Probleme des Milchsektors zu lösen. Auf Ebene von ganz Großbritannien fehlt diese Zusammenarbeit noch.  Obwohl die Wettbewerbskommission  bereits einen Ombudsmann empfohlen hat, der die Lieferkette überwacht, hat es die britische Regierung nicht eilig, diese Position zu besetzen. Mangelnde Regulierung und der Machtmissbrauch innerhalb der Lieferkette haben heute bereits ähnliche Ausmaße wie im Finanzsektor angenommen. Dort haben diese Faktoren zur derzeitigen Finanzkrise geführt.

Bauern und Bauernverbände müssen jetzt so viel Druck wie nie zuvor ausüben. Denn Gerüchte besagen sogar, dass die britische Regierung sich dem Druck der Industrie beugen wird und sich für eine Senkung des im Milchpaket der EU-Kommission  empfohlenen Bündelungsgrades von 33% auf maximal 25% der nationalen Produktion aussprechen wird! Dies ist nur ein weiteres Indiz dafür, dass eine starke, engagierte, nationale Milcherzeugerorganisation dringend benötigt wird, die sich ausschließlich für die Interessen der Milchbauern einsetzt. Es gibt bereits eine Organisation namens DairyUK, die für sich in Anspruch nimmt, die Milchindustrie in Großbritannien einschließlich der Interessen der Bauern zu vertreten. Erst kürzlich konnte man jedoch in einer Presseerklärung von DairyUK lesen, dass das Milchpaket der EU-Kommission positiv sei und dass sich die Einführung von Verträgen in Großbritannien bereits bewährt habe.

Wir brauchen tiefgreifende Veränderungen der Struktur der Milchindustrie auf der Ebene der Erzeuger – Veränderungen, die unsere Bauern so stärken, dass sie sich an den Verhandlungstisch begeben, um faire Preis auszuhandeln, Veränderungen, die ihnen Mut geben, in die Zukunft zu investieren!

Doris Robertson, Dairy Farmers of Scotland

 

Schweiz: Effektive Mengensteuerung versus Preissegmentierung

In der Schweiz ist die Lage weiterhin sehr angespannt. Die „Kommission für Wirtschaft und Abgaben“ der Regierung hat mehrere Experten angehört bevor sie dem Ständerat ihre Einschätzung der Motion Aebi mitgeteilt hat. Diese Motion würde es ermöglichen, zusätzliche Mengen zu besteuern und die Allgemeinverbindlichkeit für die Milchmengensteuerung zu vergeben. Diese Motion wurde bereits vom Nationalrat (den Abgeordneten) angenommen und muss nun vom Ständerat (den Vertretern der Kantone) verabschiedet werden, damit sie vollständig bestätigt wird. Die Annahme durch die beiden Kammern ist verpflichtend.

Der Druck, den die Industrie, die mehr preiswerte Milch fordert, auf die Mitglieder des Ständerates ausübt, ist enorm. Die Industrie möchte, dass über die Motion gar nicht gesprochen wird. Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben wird vom Vorsitzenden von EMMI, einem der größten Konzerne der Schweiz, gesteuert. Die Erzeuger, die ebenfalls uneins sind angesichts dieser Motion, werden durch ihren Verband, die Organisation der Schweizer Milchproduzenten (SMP) vertreten. Aufgrund der internen Spannungen (Bauern, die der Industrie nahestehen oder nicht) und der Angst, in Frage gestellt zu werden, ist die SMP zu Kompromissen bereit, die ein Großteil der Erzeuger für zu schwach hält.

Auf dem Land ist der Druck auf die Preise allgegenwärtig. Bei den verschiedenen Erzeugerorganisationen, die alle unterschiedliche Preise und Abnahmebedingungen haben, herrscht Unsicherheit. Seit der Einführung einer dreistufigen Segmentierung (ABC) gibt es  heftige Diskussionen unter den Erzeugern. Es soll ein Preis für jede Kategorie festgelegt werden (A nationaler Preis, B Preis ohne Unterstützung, entspricht dem europäischen Preis, C Weltmarktpreis, Absatz auf dem Weltmarkt). Die Menge jedes Erzeugers, auch derjenigen, die nicht zur derzeitigen Überproduktion beigetragen haben, wird segmentiert und es ist unmöglich, keine B oder C Mengen zu produzieren. So werden die Erzeuger dazu gezwungen, bei ihrer Produktion Verluste zu machen. Die Reaktionen angesichts dieses Systems sind heftig.

Uniterre hat konkrete Vorschläge zur Schaffung eines Mengensteuerungssystems vorgelegt, das direkt von den Erzeugern verwaltet wird. Angesichts der katastrophalen Situation und dem Mangel an neuen Ideen, wird dieses Projekt von immer mehr Erzeugern unterstützt.

Nicolas Bezencon, Uniterre

 

Italien: Produktion und politischer Druck

Im Vergleich zum Vorjahr ist die produzierte Milchmenge in Italien stabil geblieben. Von Januar bis März 2011 werden auch die Milchpreise voraussichtlich stabil bleiben. In der zweiten Hälfte des Jahres 2010 lagen die Erzeugerpreise bei 37-38 Cents für Milch, die zu Frischeprodukten verarbeitet wird und bei etwa 40 Cents für Milch, die zu veredelten Produkten verarbeitet wird. Die Produktionskosten sind aufgrund der gestiegenen Mais- und Sojapreise deutlich gestiegen und zwar um 6-7 Cents pro Liter, so dass der Preis die Kosten der Erzeugung nicht deckt.

Mit Hinblick auf die Preise in der Landwirtschaft haben wir den Notstand ausgerufen. Wir haben alle Institutionen aufgerufen, einen runden Tisch zu organisieren, um die Probleme, die das Einkommen der Bauern bedrohen zu lösen. Aus diesem Grund haben wir am 28. Januar 2011 eine Aktion in Brescia (im Norden Italiens) organisiert, um gegen die Untätigkeit der Institutionen im Landwirtschaftssektor zu demonstrieren. Dank dieser Initiative war es uns möglich, an einem ersten Institutionen-übergreifenden Treffen teilzunehmen. 

Am 21. Januar 2011 hat die Region Lombardei eine Konferenz zur Zukunft der GAP organisiert. Die APL war nicht eingeladen, daran teilzunehmen. Daher haben wir auch in diesem Fall eine Demonstration vor dem Amtssitz der Regionalverwaltung veranstaltet und Flyer an Bauern, die an der Konferenz teilgenommen haben, verteilt, um sie zu informieren, dass die Region Lombardei den Landwirtschaftssektor in Italien spaltet (beispielsweise indem unsere Organisation nicht eingeladen wurde). Paolo De Castro, der Vorsitzende der Konferenz, betonte, dass er enttäuscht sei, dass unsere Organisation (APL-COPAGRI) nicht eingeladen wurde. Darüber hinaus unterstrich er, dass APL die einzige Organisation sei, die zusammen mit dem EMB, gute Arbeit in Brüssel leiste.

Sara Abelini, APL

 

Frankreich: France Milkboard gegründet – Bündelung vor Kontraktualisierung

Der französische Landwirtschaftsminister Bruno Le Maire hatte im Jahr 2010 zugesagt, in Anlehnung an die Aktivitäten des EMB und der französischen Organisationen OPL und APLI, ein Maßnahmenpaket zur Stärkung der Erzeuger vorzustellen. Zum einen sollten Verträge zwischen Erzeugern und Abnehmern (Privatmolkereien, Genossenschaften) abgeschlossen werden und zum anderen sollte die Verhandlungsposition der Erzeuger gegenüber der Industrie durch die Schaffung von Erzeugerorganisationen gestärkt werden. Ein Schlichter, der zwischen Erzeugern und Abnehmern vermittelt, sollte berufen werden.

Am 31. Dezember 2010 hat das französische Parlament (es waren nur wenige Abgeordnete anwesend) über die sog. Kontraktualisierung abgestimmt. Vom 1. April 2011 an müssen Abnehmer Erzeugern einen Vertrag vorlegen. Wenn sie dies nicht tun,  riskieren sie eine Geldbuße in Höhe von 75.000€. Erzeuger müssen vor dem 1. Juli 2011 einen Vertrag unterschrieben haben. Die Erzeugerorganisationen sind in Vergessenheit geraten. Auch der Vermittler wurde noch nicht bestellt. Die Erzeuger sind also auf sich gestellt und in einer schwachen Position und müssen so als Einzelpersonen einen Vertrag unterzeichnen, der ihren Interessen in den meisten Fällen nicht entspricht.   Genossenschaften und Privatunternehmen werden Liefersicherheit haben und können die Bedingungen und Preise alleine festlegen. Die Verträge werden eine Laufzeit von fünf Jahren haben. Im Falle der Genossenschaften ist eine Laufzeit von fünf Jahren zusätzlich zur Restlaufzeit der bestehenden Verträge vorgesehen (1 – 5 Jahre).

Die Verträge werden automatisch verlängert. Die jeweilige monatliche Lieferung wird für zwölf Monate vertraglich festgelegt. Beispielsweise: jeden Monat werden 8,3% der jährlichen Menge geliefert +/-10%. Im Falle einer Über- oder Unterlieferung muss der Erzeuger eine Strafe zahlen. Zusätzlich kann bis zum Auslaufen der Quoten auch eine Quotenüberschreitung geahndet werden. Qualitätsnormen werden ebenfalls festgelegt, die Lieferbedingungen ebenso wie der Zugang zu Tanks und die Lieferfrequenz  müssen optimiert werden.

Milchpreis im Vertrag

Der Gesetzesvorschlag sieht vor, dass in den Verträgen Kriterien und Richtgrößen festgelegt werden, die bei der Ermittlung des Basispreises für Milch miteinbezogen werden. Die Festlegung des Preises könnte an die Vorgaben des Artikels L 632-14 des aktuellen Gesetzes angelehnt sein. Es sieht vor, dass die CNIEL (die französische Branchenorganisation) die Indices für die Milchmärkte oder alle anderen Indikatoren oder Referenzwerte veröffentlicht, und die als Orientierung dienen. Der Vertrag muss laut Dekret des Ministeriums ebenfalls die Bedingungen nach denen der Preis die Besonderheiten der Milch oder des Betriebes miteinbezieht definieren sowie die Bedingungen nach denen der Erzeuger zu Monatsbeginn darüber informiert wird, welchen Basispreis er für seine Lieferungen in dem jeweiligen Monat erhält. Die Verträge enthalten darüber hinaus die Bedingungen für die Rechnungslegung (Zahlungsverzug, vertrauliche Informationen, Konten, Absatz) und die Kündigung des Vertrages. Alle Änderungen der Vertragsbedingungen werden schriftlich festgehalten und von beiden Parteien unterschrieben unter Beachtung der Kündigungsfrist des Vertrags. Im Vertrag können ebenfalls Bedingungen für das Vertragsende definiert werden: Kündigung des Vertrages durch eine der beiden Parteien und insbesondere, die Kündigungsfrist von mindestens zwölf Monaten.

France Milkboard

Das französische Office du Lait National hat in Zusammenarbeit mit APLI und OPL das „France Milkboard“ gegründet und organisiert aktuell viele Treffen, um die Bauern in einer Erzeugerorganisation (Französisch: Organisation des Producteurs (OP)) zu einen, die mit Molkereien die Bedingungen, Preise und Verträge aushandeln kann.  Dieses Projekt stößt auf ein reges Interesse bei den Erzeugern. Das France Milkboard wird in einem ersten Schritt versuchen, eine starke Position in Frankreich zu erlangen, um die Politiker zu zwingen, die   Kontraktualisierung gleichzeitig mit der Genehmigung von  Erzeugerorganisationen einzuführen  und die Verträge folglich bis Ende des Jahres aufzuschieben.

Willem Smeenk, OPL

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