Können die empfohlenen Maßnahmen den Milchsektor stabilisieren?
Der im November 2016 erschienene Bericht „Improving Market Outcomes“ der Task Force zu Agrarmärkten gibt Empfehlungen zur Stärkung der Position der Erzeuger in der Wertschöpfungskette. Vor dem Hintergrund der starken Krisen im Milchsektor begrüßt das European Milk Board (EMB) als Vertreter der europäischen Milcherzeuger prinzipiell Empfehlungen zur Verbesserung der Lage.
Inwieweit empfohlene Maßnahmen nun tatsächlich einen Beitrag zur positiven Entwicklung des Sektors leisten können, wurde im vorliegenden Papier analysiert. Dabei wurde auf die wichtigsten Punkte eingegangen. Die Prüfung hat ergeben, dass die Empfehlungen der Task Force nicht genügen, um den Milchsektor in der EU ausreichend zu stabilisieren.
Marktransparenz
Positiv ist, dass der Bericht den Ausbau von Markttransparenz adressiert. Allerdings geht er dabei nicht auf ein essentielles Element - die Einbindung der Produktionskosten inklusive einem fairen Einkommen - ein. Auch geht der Bericht irrtümlicherweise davon aus, dass Transparenz allein die Produzenten zu einem marktgerechten Verhalten motiviert. Doch dazu braucht es ergänzende Maßnahmen, wie beispielsweise einen freiwilligen Lieferverzicht, der die passenden Marktreaktionen hervorrufen kann.
Instrumente zum Risikomanagement
Das EMB empfiehlt, dass sich die Task Force hinsichtlich der Instrumente zum Risikomanagement in Bezug auf Agrarpreise stärker mit deren Wirkung auf 1. die Erzeuger und 2. den Markt an sich beschäftigt. So sollten Instrumente dafür sorgen, die Risiken der Erzeuger und damit ihre Einkommensverluste zu mindern. Wichtig ist aber ebenso, dass der Markt durch diese Instrumente stabilisiert und nicht zusätzlich belastet wird. Der Bericht der Task Force trägt diesen beiden Punkten nicht ausreichend Rechnung.
Terminmärkte
Die Nutzung von Terminmärkten als Risikomanagement-Instrument entbindet nicht von der Notwendigkeit, den eigentlichen Markt (Kassamarkt) soweit ins Gleichgewicht zu bringen, dass kostendeckende Erzeugerpreise möglich sind.
Wie die EMB-Analyse und teilweise auch der Bericht der Task Force zeigt, können Terminmärkte unter bestimmten Bedingungen lediglich Preisspitzen und Preistiefs etwas abschneiden, am eigentlichen Preisniveau selbst aber nichts ändern. Ein effektives Abfedern von Preisschwankungen gelingt zudem nur bei positiven Aussichten am Kassamarkt, was besonders im Milchsektor wenig vorkommt. Außerdem sind kostendeckende Preise am Kassamarkt kaum zu erwarten, daher kann auch am Terminmarkt keine Absicherung auf solch ein Preislevel erfolgen.
Selbst wenn man die sehr begrenzten Vorteile des Termingeschäftes nutzen möchte: Erzeuger benötigen eine hohe Liquidität und der Handel von Terminkontrakten ist erst ab einer Produktionsmenge von 1 Mio. kg Milch sinnvoll. Damit ist ein Großteil der EU-Erzeuger von dieser Möglichkeit ausgeschlossen. Landwirte sind zudem keine Börsenexperten, das Risiko von Verlustgeschäften ist für sie nicht klein. Terminkontrakte können also nicht als Lösung für die Krise am Milchmarkt betrachtet werden.
EU-weiter Rahmen gegen unfaires Marktverhalten
Einem EU-weiten rechtlichen Rahmen zur Vermeidung von unfairem Verhalten in der Wertschöpfungskette kann zugestimmt werden. Hier muss jedoch unbedingt auch ein Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb enthalten sein, das den Kauf von Rohstoffen unter Einstandspreis verbietet.
Vertragslandwirtschaft
Wie sich in Frankreich gezeigt hat, ist es mit Verträgen an sich nicht gelungen, die Position der Erzeuger zu stärken. Der Task Force Bericht räumt zunächst auch ein, dass Verträge nur begrenzt dazu in der Lage sind. Er versäumt jedoch, auf folgende Möglichkeiten zu verweisen: Verträge könnten einen wichtigen Beitrag leisten, wenn eine EU-weite Vertragspflicht inklusive der vertraglichen Bindung der Preise an die Produktionskosten existieren würde.
Produzentenorganisationen
Die Task Force liegt mit ihren Beobachtungen richtig, dass die Bündelung der Erzeuger nicht ausreichend vorankommt. Neben der Beseitigung von rechtlichen Unklarheiten, die sie anführt, müssten aber unbedingt noch die folgenden – von der Task Force nicht beachteten - Punkte genannt werden, um die Bündelung zu stärken: Ein Anheben der Bündelungsgrenzen, die Einbeziehung von Genossenschaftsmilch in kollektive Verhandlungen sowie das Setzen von Anreizen zum Anschluss an eine Produzentenorganisation.
Erleichterter Zugang zu Finanzmitteln
Finanzielle Engpässe sind in Krisenzeiten problematisch. Dennoch sollte der Task Force klar sein, dass nicht allein ein erleichterter Zugang zu Finanzmitteln die Lösung sein kann. Außerdem muss sichergestellt werden, dass diese Gelder den Markt nicht zusätzlich belasten, indem sie das Anpassen der Produktion an die Nachfrage verzögern. Zudem machen Überbrückungskredite nur dann Sinn, wenn die Erzeuger in der Lage sind, diese in absehbarer Zeit auch wieder zurück zu zahlen.
Die Ausrichtung der GAP
Behält die GAP, so wie von der Task Force empfohlen, seine aktuelle Ausrichtung bei, wird sich die Ausgrenzung vieler Akteure weiter verstärken. Die GAP sollte sich daher stärker auf ein ausgeglichenes Wachstum konzentrieren. Die EU braucht Impulse, die Bevölkerungsgruppen und Nationen wieder stärker zusammenbringen. In der Landwirtschaft können diese Impulse mit gesetzt werden.
Für den Milchsektor sind dies beispielsweise Instrumente, die den Sektor nicht noch weiter belasten und die es Erzeugern erlauben, ihr Einkommen aus dem Markt zu generieren. Dazu wurde mit dem Einsatz des freiwilligen Lieferverzichts in diesem Jahr ein Anfang gemacht. Notwendig ist jedoch ein reguläres Instrument, das mittels eines rechtlichen Rahmens EU-weit installiert wird.
Dieser gesetzliche Rahmen muss:
1. einen Markt-Index beinhalten, der über die MMO installiert wird;
Dieser Index setzt sich u.a. aus der Entwicklung von Produktnotierungen, Milchpreisen und Erzeugungskosten (Marge) zusammen.
2. Sanktionen ermöglichen;
In Krisenzeiten muss während des freiwilligen Lieferverzichts eine Deckelung der restlichen Produktion stattfinden. Dazu ist die Möglichkeit, Sanktionen anzuwenden, unerlässlich. Denn ohne Deckelung ist die Gefahr sehr groß, dass erreichte Produktionssenkungen durch die Mehrproduktion anderer Erzeuger wieder neutralisiert werden.
3. die Erhebung einer Umlage bei Erzeugern zur Finanzierung des Kriseninstruments ermöglichen.
Mit einer Umlage übernehmen die Erzeuger auch eine finanzielle Verantwortung für das Programm.
Markt beobachten – Krisen vorhersehen und vermeiden!
Silvia Däberitz, EMB
EMB Evaluierung des Berichts "Improving Market Outcomes" der Task Force (vollständiger Bericht)
Bericht "Improving Market Outcomes" der Agricultural Markets Task Force (November 2016)