Die Milchmarktkrise führt in den Milchviehbetrieben auch weiterhin zu enormen Liquiditätsproblemen. Auf EU-Ebene ist daher umgehend ein weiteres Hilfspaket zu beschließen und umzusetzen. Viele Betriebe sind längst nicht mehr in der Lage, ihren finanziellen Verpflichtungen nachzukommen
Priorität hat in dieser Situation nicht nur die Beschaffung zusätzlicher Liquidität. Zur schnellen Verbesserung der Milchmarktsituation muss dringend auch der weiter vorhandene Angebotsdruck auf EU-Ebene reduziert werden – unabhängig davon, dass sich aktuell eine Stagnation der EU-Milchanlieferung abzeichnet. Damit könnten auch die Magermilchpulvermengen, die in die Intervention gehen, stark und möglicherweise sogar bis auf null reduziert werden.
Die EU muss auch im Agrarbereich wieder zusammen agieren. Krisenbeseitigung im Milchsektor kann nur gemeinsam gelingen. Daher fordern die Milcherzeuger Europas, dass am 18. Juli vom EU-Agrarrat folgende Maßnahmen beschlossen werden:
1. EU agiert als Ganzes – freiwilliger Lieferverzicht wird in allen Ländern angewandt
Verpflichtend für alle Länder in der EU muss den Erzeugern ein zeitlich begrenzter freiwilliger Lieferverzicht zu gleichen Bedingungen angeboten werden. Koordiniert wird er von der EU-Kommission und finanziert durch Finanzmittel, die die EU sowie der jeweilige Mitgliedsstaat bereitstellen. Nur dann kann eine Mengenreduzierung ausreichend Wirkung auf die Preise entwickeln. Die Reduzierung sollte jeweils zwischen 5 – 25 Prozent der individuellen Betriebsmenge der teilnehmenden Erzeuger liegen. Die Beihilfen sollten ausschließlich auf Betrieben ankommen, die ihre Milchviehbetriebe weiterführen wollen oder müssen.
Können sich einige Länder dieser Verpflichtung zum Anbieten des freiwilligen Lieferverzichts entziehen und ihre Produktionshöhe im definierten Krisenzeitraum beibehalten oder gar ausdehnen, entfällt für die anderen Länder der Sinn, ihre Menge zu senken. Denn damit würden sie Verantwortung zur Preisstabilisierung zeigen, die Wirkung ihrer Maßnahmen würde aber von den nicht teilnehmenden Ländern zum einen ausgenutzt, zum anderen zudem geschmälert. Daher muss der freiwillige Lieferverzicht in allen Ländern den Milchviehhaltern angeboten werden.
2. Deutlichen Anreiz bieten, um ausreichend Erzeuger zu finden und ihre Benachteiligung gegenüber nicht reduzierenden Produzenten zu vermeiden
Um einen schnellen Markteffekt zu erzielen, muss ein deutlicher Anreiz gesetzt werden, die betriebliche Milchanlieferung zeitlich befristet zurückzunehmen. Entscheidend dafür ist die Höhe der angebotenen Ausgleichsleistung, die rechnerische Grundlage für die Beihilfe sein muss. Aus Sicht der Milchviehhalter sollte sie über dem aktuellen Milchpreisniveau liegen. Dies würde nicht nur die Entscheidung der Milchviehhalter dafür beschleunigen - neben einem entsprechenden Markteffekt käme so auch zusätzliche Liquidität auf die Betriebe. Zu bedenken ist auch, dass sich während des Zeitraums, in dem der Milchviehhalter seine Mengen reduziert, eine Markterholung einstellen wird. Die beteiligten Betriebe könnten davon nicht in gleichem Maße profitieren wie Betriebe, die weitermachen wie bisher. Eine Benachteiligung reduzierender Betriebe ist durch eine entsprechende Höhe der Ausgleichsleistung zu vermeiden.
Vor dem Hintergrund der Notwendigkeit einer schnellen und möglichst einfachen Umsetzung empfiehlt das EMB, den Bonus einheitlich auf 30 Cent je Kilogramm nicht gelieferter Milch festzusetzen. Für eine 3%ige Rücknahme der Milchanlieferung für 12 Monate entstünde auf EU-Ebene damit ein Finanzbedarf von 1,35 Milliarden Euro. Diese Summe wurde im Übrigen in den letzten beiden Jahren der Quotenregelung von den Erzeugern in etwa an Superabgabe bezahlt. Damit würde dieses Geld wieder dem Sektor zugeführt, eine zusätzlich aktuelle finanzielle Belastung würde für die EU-Bürger nicht entstehen. Bei einer zeitlichen Befristung der Maßnahme auf 6 Monate könnten für diesen Zeitraum rechnerisch 6 % der Milchmenge reduziert werden. Angesichts der aktuellen EU-Marktpreise ist eine Ausgleichsleistung von 30 Cent nicht nur in den meisten Mitgliedsländern ein attraktiver Anreiz, er enthält darüber hinaus auch den nötigen Spielraum für eine positive Marktentwicklung.
Die Auszahlung der Gelder ist analog zur vorgenommenen Reduzierung monatlich an die Milcherzeuger vorzunehmen. Mit dem letzten Monat der Maßnahme kann die Endabrechnung erfolgen.
Die konkrete Höhe der Ausgleichsleistung muss klar und eindeutig vor der Antragsstellung festgelegt werden. Jede nachträgliche Festlegung, die beispielsweise vom Gesamtvolumen der Anträge oder auch der Marktentwicklung der kommenden Wochen und Monate abgeleitet wird, führt zu Unsicherheit und längeren betrieblichen Entscheidungsfindungsprozessen.
Das erforderliche Finanzvolumen könnte zunächst anhand des Milchaufkommens in den jeweiligen Mitgliedsländern zugeteilt werden. Sollte ein Mitgliedsland sein Finanzvolumen nicht innerhalb einer zu setzenden Frist einsetzen können, ist das ungenutzte Volumen den anderen Mitgliedsländern zur Verfügung zu stellen.
Die Reduktionsbereitschaft der einzelnen Erzeuger sollte über ein Ausschreibungsverfahren ermittelt werden. Reduktionswillige Erzeuger verpflichten sich dabei, in dem definierten Zeitraum ihre Produktion um die von ihnen angebotene Menge zu reduzieren. So besteht nach kürzester Zeit Klarheit über den Umfang der Mengenreduktion in der EU.
Ein wichtiger Aspekt bei der Umsetzung ist, dass die Entscheidung, ob die Milchanlieferung zeitlich befristet reduziert werden kann und soll, um neuerliche Beihilfen in Anspruch nehmen zu können, zwingend alleine dem Milchviehhalter überlassen sein muss. Keinesfalls darf die Möglichkeit entstehen, dass die Molkereiunternehmen auf diese Entscheidung Einfluss nehmen können.
Begründung: Die Liquiditätsproblematik auf den Milchviehbetrieben besteht völlig losgelöst von den unterschiedlichen Interessen der Molkereiunternehmen. Sie ist im Gegenteil Ausdruck einer einseitigen Risikoverteilung zu Lasten der Milcherzeuger. Den Zugang zu Beihilfen für die Milchviehhalter abhängig zu machen vom Wohlwollen bzw. den Interessen der Molkereiunternehmen widerspräche nicht nur dem Gleichheitsprinzip, eine schnelle Beschaffung zusätzlicher Liquidität würde damit weiter ausgebremst.
Weiter ist es nicht zielführend, die Gewährung von Beihilfen damit zu koppeln, dass sich die Molkereiunternehmen daran beteiligen bzw. dass sie die Mittel aufstocken. Dadurch würde innerhalb der Molkereiunternehmen ein Umverteilungseffekt entstehen. Der ohnehin schon viel zu niedrige Erzeugermilchpreis würde weiter abgesenkt werden, um die Mittel für den Bonus zu finanzieren. Das würde in den Gremien der Molkereiunternehmen zu deutlichen Spannungen und massivem Widerstand führen, was zu Recht gescheut wird.
3. Parallel zur freiwilligen Mengenreduzierung eine zeitliche Mengendeckelung für die anderen Erzeuger ansetzen
Gleichzeitig muss im definierten Krisenzeitraum die Milchanlieferung derer, die sich nicht an der Mengenreduktion beteiligen, zeitlich begrenzt gedeckelt werden. Das heißt, dass jene in diesem Zeitraum ihre Produktion nicht steigern dürfen. Für die Einhaltung dieser Begrenzung würde eine Überproduktionsabgabe sorgen, die von denjenigen geleistet werden müsste, die ihre Menge dennoch anheben. So würde effektiv verhindert, dass freiwillige Mengenrücknahmen einzelner Unternehmen durch die Mehrmengen anderer wieder nivelliert werden könnten.
In Stichworten zusammengefasst:
- Durch ein weiteres EU-Hilfspaket ist umgehend zusätzliche Liquidität zu schaffen.
- Die Inanspruchnahme der Hilfsgelder ist an zeitlich befristete Mengenrücknahme zu koppeln.
- EU agiert als Ganzes; allen EU-Erzeugern wird Möglichkeit zu freiwilliger Reduzierung geboten.
- Die Höhe der Ausgleichsleistung ist entscheidend für die damit zu erzielende Marktwirkung.
- Bei der Höhe der Ausgleichsleistung ist die angestrebte Erholung der Milcherzeugerpreise im Verpflichtungszeitraum mit zu berücksichtigen.
- Schon im ersten Monat des Verpflichtungszeitraumes ist die Milchanlieferung entsprechend zu reduzieren.
- Die Auszahlung der Ausgleichsleistung/Liquiditätshilfe erfolgt direkt an die Antragsteller.
- Eine Mitwirkungsverpflichtung der Molkereiunternehmen ist nicht anzustreben.
- Im Krisenzeitraum ist die Milchanlieferung derer, die sich nicht an der Mengenreduktion beteiligen, zeitlich begrenzt zu deckeln.