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EMB - European Milk Board asbl
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Newsletter Juli

Liebe Milchbäuerinnen und Milchbauern, liebe Interessierte,


Luxemburg, Brüssel, St-Hilaire-du-Harcouet, Autobahnen in Tschechien – an vielen Orten in Europa sind aktuell die Milcherzeuger versammelt. Diese Aktionen haben immer  mindestens drei Ziele. Einerseits dienen sie dazu, die Öffentlichkeit über die Lage der Milcherzeuger zu informieren. Inzwischen wissen Verbraucher und Medienvertreter in vielen Ländern, dass da was nicht in Ordnung ist mit den Erzeugerpreisen. Viele haben auch die Zahl 40 Cent und die Notwendigkeit der Mengenregulierung im Kopf, wenn sie an die Milchbetriebe denken. Weiterhin sollen die Aktionen natürlich den Druck auf die Politik erhöhen, die Ausrichtung der Milchpolitik im Sinne einer nachhaltigen und flächendeckenden Milcherzeugung zu verändern. Kostendeckende Milchpreise sind die Voraussetzung für die Zukunft der Milcherzeugung in Europa.


Doch die Aktionen haben aktuell noch eine weit größere Bedeutung: Die Milcherzeuger stehen auf für ihre Interessen und mobilisieren sich gemeinsam mit ihren Kollegen aus den anderen europäischen Ländern. Sie sehen den Kollegen, der ebenfalls weit gereist ist und erleben seine Entschlossenheit zu handeln, auch wenn es noch schwieriger werden sollte. Man wird gemeinsam handeln, nachdem man sich face to face und in Aktion kennengelernt hat.


Am 14. Juli in Straßburg versammeln sich viele europäische Milcherzeuger vor dem frisch gewählten europäischen EU-Parlament, um noch einmal den dringenden Handlungsbedarf der Politik in Bezug auf den Milchmarkt und ihre Lösungsvorschläge zu präsentieren. Französische Milcherzeuger aus dem Westen Frankreich sind heute, am 6. Juli bereits mit ihren Treckern aufgebrochen, um zur Zeit in Straßburg anzukommen. Einige von ihnen waren bei den Veranstaltungen mit 1.500 Milcherzeugern in Bretagne und Normandie dabei. Einige haben am Hoftor ein Schild hängen mit der Aufschrift « Hier bald Milchstreik und kostenlose Milchabgabe ».


Schon am kommenden Mittwoch, den 8. Juli findet die Mitgliederversammlung des European Milk Board statt. Hier werden wichtige Entscheidungen bezüglich des Handelns der Milcherzeuger in Europa in den kommenden Wochen und Monaten getroffen. Eine rasche Verbesserung der Milcherzeugerpreise sowie der Aufbau einer Basis für ein System, in dem die Milcherzeuger selbstbestimmt ihr Produkt verkaufen können, stehen hierbei im Mittelpunkt. Es braucht kurz- und langfristige Perspektiven für die Milchbäuerinnen und -bauern, und damit für die Milch in Europa.


Gute Lektüre,
mit herzlichen Grüssen,


Sonja Korspeter
(Geschäftsführerin des EMB)



Einzug in Brüssel


Ein Empfang der besonderen Art. Als die EU-Staats- und Regierungschefs am 18. Juni zu ihrem zweitägigen Gipfel nach Brüssel fuhren - wurden sie bereits von zweitausend Milcherzeugern und ihren über 1000 Traktoren erwartet.

Chansons aus dem Radio, ein brummeliger Fahrer und ein Blick durch die Windschutzscheibe auf unzählige Autos, die vor einem im Verkehr steckten. Wer am 18. und 19. Juni in Brüssel im Wagen oder Bus unterwegs war, hatte viel Zeit, sich der Musik, der Aussicht oder seinen Mitfahrern zu widmen. Längere Fahrzeiten als sonst waren die Regel, denn die Traktoren des European Milk Board (EMB) hatten Straßen der Stadt blockiert. Über 2000 Milchbäuerinnen und Milchbauern besonders aus Deutschland, Belgien, den Niederlanden und Luxemburg waren mit über 1000 Treckern in die belgische Hauptstadt gekommen. Sie forderten die tagenden EU-Staatschefs auf, fünf Prozent der Milchquote sofort einzufrieren und langfristig die Weichen für eine funktionierende flexible Mengenregulierung zu stellen. Fünf Tage waren einige Milcherzeuger unterwegs gewesen, hatten dabei bis zu 900 Kilometer auf ihren Traktoren zurückgelegt, um am Donnerstag, dem 18. Juni im Park Cinquantenaire im Herzen Brüssels ihr Lager aufzuschlagen.

Zwei Kundgebungen vor den Toren des EU-Ratsgebäudes, in dem die EU-Staats- und Regierungschefs tagten, waren angefüllt mit Reden und Berichten zur katastrophalen Lage der Milcherzeuger und mit den Forderungen des EMB. Dessen Präsident Romuald Schaber, Vizepräsidentin Sieta van Keimpema, der Präsident der Milcherzeuger Interessengemeinschaft Belgiens (MIG) Erwin Schöpges, Vertreter der  französischen Organisation des producteurs de lait (OPL) und der Via Campesina unterstrichen die Notwendigkeit einer gemeinsamen europäischen Arbeit. Der Vorsitzende der deutschen Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (ABL) Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf  lobte die Kraft der Milcherzeuger, eine solche Aktion umzusetzen.

Die Brüsseler Aktion wurde von allen anwesenden Milcherzeugern aktiv gestaltet. Unter dem blauen Himmel der europäischen Hauptstadt war an diesen zwei Tagen sichtbar, wie engagiert die einzelnen Mitglieder der EMB-Organisationen sind. Ob die Gesänge der deutschen Bäuerinnen, in die alle dann einstimmten oder spontane Ansprachen mit einem Megaphone hoch oben auf den Traktoren, Auge in Auge mit den Polizeikräften. All das folgte keinem vorgefertigtem Programm. Die Milchbäuerinnen und Milchbauern waren hergekommen, um mit ihren Problemen ihre Regierungen zu adressieren. Und das taten sie. Jeder einzelne mit seinen Ideen und seiner Energie.

Die Antwort der  Staats- und Regierungschefs auf diese Protestdemonstration fiel recht dünn aus. Keine konkreten Maßnahmen wurden angekündigt. Es soll lediglich  in den nächsten zwei Monaten der Markt analysiert werden. Die Redner der Kundgebung forderten die EU-Kommission auf, wirksame Maßnahmen zur Krisenbewältigung umzusetzen. Immerhin haben die EU-Staatsköpfe die missliche Lage der Milchbauern anerkannt. Das ging auch nicht anders, wenn schon über tausend Traktoren sie mit der Nase direkt darauf stoßen.

Unterstützung und Verständnis erhielten die Milcherzeuger bei ihrer Treckertour nach Belgien besonders von der Bevölkerung in den einzelnen Ländern. Während der tagelangen Fahrt kam es zu Gesprächen mit Verbrauchern, die sich empört über die niedrigen Milcherzeugerpreise äußerten. Viele Menschen winkten den fahrenden Bauern vom Straßenrand aus aufmunternd zu, ungeachtet der Verkehrsturbulenzen, die auch in ihrer Region nicht ausblieben.  Und später dann in Brüssel lehnte sich ein Taxifahrer während des Staus in seinem Sitz zurück und brummelte: "Die werden echt nicht fair behandelt, die Milchbauern. Sauerei."
Silvia Däberitz, EMB

 

Luxemburg: Krise bewältigen und nicht verschleppen

Am 22.06., nur wenige Tage nach der großen Aktion in Brüssel, waren Milchbauern des European Milk Board (EMB) auch in Luxemburg vor Ort. Der Presse und den tagenden Agrarministern gegenüber bekräftigten sie ihre Forderung nach einer flexiblen Mengenregulierung und einer sofortigen Aussetzung von fünf Prozent der Milchquote.

Sieta van Keimpema, die Vizepräsidentin des EMB, fand auch an diesem Morgen klare Worte. Bei der Pressekonferenz des EMB in Luxemburg Stadt betonte sie die Notwendigkeit einer Richtungsänderung der EU-Politik. "Die Strategie der Liberalisierung gepaart mit solchen Maßnahmen wie den Exportsubventionen muss gestoppt werden. Es braucht eine flexible Mengenregulierung, damit der Preis die Kosten decken kann." Und auch Fredy de Martines vom luxemburgischen Verband Lëtzebuerger Mëllechbaueren (LDB) machte klar: "Wir fordern mit der flexiblen Mengenregulierung eine vernünftige Politik, die es den Bauern ermöglicht, zu überleben."

Das EMB war eine der zahlreichen Bauernorganisationen, deren Vertreter  an diesem Tag vor dem Tagungsort der EU-Agrarminister mit 1000 Traktoren und Spruchbändern gegen die aktuelle EU-Agrarpolitik demonstrierten. Ein wichtiger Unterschied zu vielen Bauernverbandsorganisationen ist allerdings die Dimension der politischen Veränderungen, die das EMB anstrebt. Während unter anderem der Deutsche Bauernverband pauschal einen Abbau der Bürokratie forderte, nach Überbrückungshilfen rief und die Idee der Gestaltung des Marktes mit der Forderung nach Absatzförderung nur leicht streifte, geht das Konzept des EMB weiter. Die Liberalisierung des Marktes soll  einer verantwortungsvollen Regulierung der Menge weichen, so dass faire Preise sowohl für die Konsumenten als auch die Milchbauern erreicht werden können.  Mit der Regulierung der Menge soll ein kostendeckender Preis also über den Markt gebildet, die Krise wirklich bewältigt und nicht weiter verschleppt werden. Subventionen oder das Vorziehen der EU-Betriebsprämie, wie Bauernverbandsorganisationen forderten, können die katastrophale Situation nicht lösen. Sie sind lediglich kurzfristiger Natur und reichen nicht einmal aus, das Höfesterben auch nur für eine kurze Zeit zu bremsen. Das Ausbluten der Milchbetriebe kann nur durch einen tief gehenden Wandel in der EU-Agrarpolitik gestoppt werden Dazu müssen die verantwortlichen Agrarminister und die  EU-Kommission umdenken.  
Silvia Däberitz, EMB


APLI -  französischer Verband  Association des Producteurs de lait indépendants stellt sich vor


Der Verband APLI wurde im Dezember 2008 im Südwesten Frankreichs geboren.
Aus einer Handvoll von Erzeugern, die sich der Unterjochung und den Manipulationen widersetzten, ist eine nationale Bewegung entstanden, die dank ihres rasanten Wachstums eine feste Größe auf dem französischen Milchmarkt geworden ist, an der niemand mehr vorbeikommt.

Das Interesse, das wir bei den höchsten Instanzen wecken, die immer zahlreicheren Medienberichte, die Befürchtungen, die unsere Entschlossenheit auslösen und vor allem das wachsende Bewusstsein für die Lage der Milcherzeuger, das wir auf lokaler Ebene geschaffen haben, tragen dazu bei, dass die APLI als Basisorganisation von Milcherzeugern nur noch wenige Nasenlängen davon entfernt ist, die Schlüssel des Systems zu übernehmen.

Diese Mobilisierung, die mit der Dringlichkeit der Situation zunimmt, ist nur dank der großen Zustimmung zu unserer Argumentation in den großen Milcherzeugergebieten unseres Lands gelungen.
Eine Internetseite (www.apli-nationale.org), die eine ständige wachsende Zahl von Besuchern verzeichnet, tagtäglich in ganz Frankreich stattfindende Sitzungen mit vollen Sälen und eine weit über die Gründer dieser Bewegung hinausreichende Mobilisierung verdeutlichen die Entschlossenheit der französischen Milchviehhalter.
Der Grund ist, dass unsere Argumentation einfach und logisch ist. Unsere Aktionen sind rechtens und erfolgen in Partnerschaft mit den Verbrauchern. APLI bündelt Mitglieder jedweder Verbands- und politischer Couleur und aus allen Regionen.

Wir sind für eine Rückkehr zu einer marktgerechten Mengensteuerung mit einem Milchpreis, der auf der Basis der Produktionskosten (derzeit 0,40€ / Liter) indexiert wird. Außerdem sind   wir gegen jedwede Form aufgezwungener Vertragsbindung durch die Molkereien, die sogenannte Kontraktualisierung.
Wir sind überzeugt, dass unsere Forderungen europäisch sein müssen. Aus diesem Grund hat sich APLI dem EMB angeschlossen. Die Regierungen haben ein politisches und administratives Europa geschaffen, um stärker zu sein. Industrie und Finanzwelt haben sich zusammengeschlossen, um das wirtschaftliche Europa nach ihrem Geschmack und ihren Interessen zu formen.
Nun ist es an uns Erzeugern an der Basis, im Einverständnis mit den Verbrauchern, das geeinte Europa der Menschen zu gestalten – ein gerechtes und wahres Europa, das den Menschen ein Gefühl der Sicherheit gibt und das einzig mögliche Europa ist.
Der Vorstand der APLI


Zahlreiche Aktionen in Frankreich - ein Beispiel


SAINT-HILAIRE-DU-HARCOUET (Manche), 24. Juni 2009 (AFP) – Bei einer Versammlung in Saint-Hilaire-du-Harcouët stimmten am Dienstagabend nach Aussage des zweiten Bürgermeisters der Kommune knapp 1.500 Milcherzeuger für einen europäischen Milchstreik als letztes Mittel zur Erhöhung der Auszahlungspreise der Milchviehhalter.
Nachdem sie sich kurz vor Mitternacht bei einer Abstimmung per Handzeichen für einen Milchstreik ausgesprochen hatten, jedoch ohne ein Datum festzulegen, standen die Erzeuger auf und stimmten klatschend das Lied „Steh auf, wenn du ein Milchbauer bist“ an. Die Versammlung war vom nationalen Verband unabhängiger Milcherzeuger (APLI) einberufen worden.

Nach Aussage des zweiten Bürgermeisters der Gemeinde nahmen 1.500 Menschen an der Versammlung teil. Ein Milchstreik besteht darin, die gemolkene Milch wegzuschütten oder zu verschenken, um so Druck auf die Milchindustrie und Politik auszuüben, damit die Preise steigen. „Niemand kann eine Idee aufhalten, deren Zeit gekommen ist“, rief unter großem Applaus der deutsche Erzeuger Stefan Lehman, der zuvor anhand von Zahlen versucht hatte zu zeigen, dass angesichts des derzeitigen Kaufpreises ein Milchstreik nicht viel kosten würde. Der deutsche Erzeuger hatte sich 2008 an einem zehntägigen Milchstreik beteiligt, bei dem sechs europäische Länder, unter anderem Deutschland, nicht aber Frankreich, mitmachten, wie er von der Bühne erklärte. „Wir haben damals in zwei Monaten das Geld wieder reingeholt, das wir während des Streiks verloren haben“, erklärte das Mitglied des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter (BDM) vor der Sitzung gegenüber der AFP.

Pascal Massol, Vorsitzender des Verbands APLI, der seit der Gründung im Dezember 2008 bereits 600 Mitglieder gewonnen hat, forderte von den Milchbauern, auf ihren Feldern Schilder zu postieren mit der Aufschrift: „Hier wird bald gestreikt und Milch verschenkt!“
„Wenn Ihr Bauern hier im Westen, dem Schwergewicht der französischen Milchproduktion, los legt, dann zieht Frankreich nach, dann zieht Europa nach“, ergänzte der Milcherzeuger aus Aveyrons.
„Niemand möchte den Milchstreik, aber die Politik zwingt uns dazu“, ergänzte der belgische Milchbauer Erwin Schöpges, der wie alle anderen Redner auf der Bühne dem European Milk Board (EMB) angehört, das 40% der europäischen Milchproduktion bündelt. „Wir müssen uns zusammentun und aufhören, uns gegenseitig in den anderen Ländern die Schuld für die viel zu niedrigen Preise zuzuschieben. In Deutschland hat man uns gesagt: „Schaut nach Frankreich. Die Franzosen sind ruhig, sie sind mit dem Milchpreis zufrieden“, berichtete der deutsche Erzeuger Stefan Lehman.
„Dieses Jahr muss Frankreich starten, da Deutschland und Frankreich 50% der europäischen Produktion repräsentieren“, sagte vor der Sitzung André Lefranc, Koordinator der APLI im Departement Manche, gegenüber der AFP.
Presseagentur Agence France Presse (AFP)


Autobahnblockaden in Tschechien


Mit 2000 Fahrzeugen haben Milchbauern des Tschechischen Fleckviehverbandes am 29. Juni die Autobahnen in Tschechien blockiert. Nach Angaben der Organisation war der Verkehr unter anderem in der Nähe von Brünn (Autobahn Brünn - Prag) und in Südböhmen sowie an vier weiteren, strategisch wichtigen Punkten im Durchschnitt drei Stunden lang lahmgelegt. Die Forderungen des Tschechischen Fleckviehverbandes richteten sich an die nationale Politik und konzentrierten sich auf die folgenden drei Punkte:

1. Einführung eines Mindestpreises für Milch
2. Etablieren einer flexiblen Mengenregulierung
3. Keine Kürzung des nationalen Agrarbudgets 2010

Obwohl die Blockaden zu langen Staus geführt hatten, war die Haltung der Bevölkerung gegenüber den Forderungen der tschechischen Milchbauern überwiegend positiv. In den letzten Monaten hatten sich die Proteste der Milcherzeuger gemehrt. So waren beispielsweise bereits im April mehr als 5000 Milchbäuerinnen und Milchbauern im Rahmen des europaweiten Aktionstages des European Milk Board (EMB) in dem osteuropäischen Land auf die Straße gegangen.
Silvia Däberitz, EMB


Hintergrund deutscher Milchfonds


Interview mit Ulrich Jasper, Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (ABL)
"Eine reine Alibimaßnahme"

In einigen Ländern existiert eine Art Mythos vom deutschen Milchfonds. Können Sie sagen, was es damit auf sich hat?

Der Milchfonds verspricht viel mehr als er halten kann. Er ist so schwach auf der Brust, dass er der katastrophalen Situation auf dem Milchmarkt kaum etwas entgegensetzen kann. Entstanden ist er im Zuge der Debatte zum Health Check 2008. Der Deutsche Bauernverband und das Bundesministerium hatten die Abschaffung der Milchquote im Jahr 2015 gefordert, stellten sich aber zumindest öffentlich gegen den Vorschlag der EU-Kommission, eine Erhöhung der Quoten in den Jahren bis 2015 zu beschließen. Wie in einem schlechten Deal, forderten sie für ihre Zustimmung zur Quotenerhöhung Geld, um die negativen Auswirkungen der Mengenausdehnung auf den Milchpreis abfedern zu können. Es sollte frisches Geld von der EU sein, so die Forderungen. Herausgekommen ist kein eigenständiger Milchfonds und schon gar kein frisches Geld aus Brüssel. Die EU-Kommission ermöglichte lediglich, dass die Gelder aus der zusätzlichen Modulation auch für die Milch eingesetzt werden können. Die Modulation gibt es bisher nur in den alten EU-Ländern. Sie bewirkt, dass die Direktzahlungen an die Betriebe um einen bestimmten Satz gekürzt werden, um mit dem Geld Förderprogramme der Ländlichen Entwicklung (Zweite Säule) zu finanzieren. Dieser Modulationssatz steigt bis 2013 von heute 5 Prozent auf dann 10 Prozent an. Reserviert waren die Gelder eigentlich für die Förderung neuer Herausforderungen wie Klimaschutz, erneuerbare Energien und Artenvielfalt. Die EU hat die Milch einfach auch zur „Neuen Herausforderung“ erklärt.  Aber es wäre ein Irrglaube zu meinen, dass der Milchfonds den Milcherzeugern ausreichend neue Mittel zur Verfügung stellen könnte, um die Preisschwierigkeiten bewältigen zu können. Dazu ist der Fonds nicht geeignet. Außerdem fließt das erste Geld überhaupt erst im Jahr 2011 auf die Betriebe.


Es gibt mit dem Milchfonds also kein Extra-Geld für die Landwirtschaft allgemein, aber fließen nicht den Milchbauern dadurch dennoch vermehrt Mittel zu?
Sicher, aber diese Mittel sind nur ein ganz kleiner Tropfen auf den heißen Stein. Die Einkommensverluste der Milcherzeuger werden damit in keinem Fall aufgewogen. Eine einfache Rechnung: geht man von 15 Cent Preisverlust pro Liter Milch im Jahresmittel aus, dann sind das bei 28 Millionen Tonnen Jahresproduktion in Deutschland 4,2 Milliarden Euro Gesamtverlust für die Betriebe pro Jahr. An Modulationsmitteln kommen im ersten Jahr in Deutschland aber nur rund 125 Millionen Euro zusammen, das sind weniger als ein halber Cent je Liter Milch, diese Summe steigt bis 2013 auf rund 280 Millionen Euro, was dann auch nur einen Cent je Liter bedeutet. Dabei ist dieser Betrag nicht allein für die Milch bestimmt, sondern auch für Klimaschutz, Artenvielfalt etc. Der Milchfonds löst also die Probleme der Milchviehhalter nicht. Faire Preise können nur über den Markt mittels einer flexiblen Mengenregulierung erreicht werden.


Wenn die deutschen Milchbauern nicht wirkungsvoll unterstützt werden können, welchen Interessen dient der Milchfonds dann?


Er war als eine reine Alibimaßnahme gedacht und mehr ist er auch nicht. Wenn die Milchviehhalter in der Öffentlichkeit ihre existenzbedrohende Lage durch die mit der Quotenerhöhung zusammenhängenden Milchpreise darstellen, dann verweist die Politik darauf, dass doch Geld gegeben werde.  Die Öffentlichkeit denkt dann, es werde doch etwas für die Milchbauern getan. In erster Linie ist es also ein Ablenkungsmanöver.
Ein kleiner Teil der Milcherzeuger wird auch von dem Geld in kleinem Maße profitieren können. Ein Großteil der Gelder geht in die Investitionsförderung. Daran werden aber innerhalb der vier Jahre, in denen die Gelder fließen, höchstens 10 Prozent der deutschen Milchhöfe teilnehmen können – dann ist das Geld weg. Am Markt hat aber auch das wieder negative Folgen für das Milchpreisniveau. Denn die  Investitionsförderung ist ein Anreiz zur Ausdehnung der Menge. Der Preisdruck auf dem Markt wird dadurch fortgesetzt.


Zwar reicht das Fondsgeld nicht aus, den Milchsektor zu stabilisieren, dem ursprünglichen Bestimmungsort - der ländlichen Entwicklung - gehen dennoch wichtige Finanzen verloren. Welche Rolle spielt das für die sogenannten neuen Herausforderungen, also zum Beispiel für Klimaschutz, erneuerbare Energien und Artenvielfalt?


Diese Themen werden als ungelöste Herausforderungen weiterhin bestehen bleiben, wenn nicht genügend Geld in sie investiert wird.


Wie sehen Sie die Zukunft der Agrarwirtschaft in der EU?


Innerhalb der EU entwickeln und verändern sich die Prioritäten. Staaten wie Großbritannien, Schweden, Dänemark und die Niederlande drängen darauf, den Anteil der Finanzen für die Agrarwirtschaft erheblich zu reduzieren und dafür vermehrt in andere Sektoren wie Bildung, Wissenschaft und Industrie zu investieren. Der Kampf um den EU-Haushalt für die Jahre nach 2013 hat bereits begonnen. Es wird eine Angleichung der Agrargelder zwischen den alten und neuen Mitgliedstaaten der EU geben, das zeichnet sich ab. Aber ich warne auch die osteuropäischen Kollegen davor zu hoffen, dass das eine Angleichung auf dem heutigen Niveau der alten Mitgliedstaaten sein wird. Es wird schon schwer genug werden, den Gesamthaushalt zu halten, ausgeweitet werden wird er mit absoluter Sicherheit nicht. Es ist daher ratsam, nicht allein auf EU-Gelder zu setzen, sondern wenigstens ebenso stark daran zu arbeiten, mit Hilfe des Marktes ein gerechtes Einkommen zu erreichen. Das wird nicht gehen, wenn der Markt weiter nach den Interessen der Export-Industrie geregelt wird. Sondern die Milchviehhalter brauchen vielmehr die Möglichkeit einer flexible Mengenregulierung. Damit kann man für ein wertvolles Produkt wie die Milch auch wieder angemessene und faire Preise erhalten.

Herr Jasper, wir danken für das Gespräch.

Silvia Däberitz, EMB


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