MILK-NEWS

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Liebe Milchbäuerinnen und Milchbauern, liebe Interessierte,

Der Verband der Milcherzeuger in der Poebene (APL- Associazione Produttori Latte della Pianura Padana) wird zusammen mit Copagri bei der EXPO in Mailand mit Milchprodukten, Wurstwaren und mehr aus eigener Produktion vertreten sein. Sechs Monate lang  - von Mai bis Oktober 2015 - werden Abnehmer aus der ganzen Welt Gelegenheit haben, Erzeugnisse „Made in Italy“ zu verkosten, die die Früchte der Arbeit unserer Betriebe sind. Show-Cooking mit bekannten Köchen wird das Programm auflockern. Im Pavillon der APL kann man hausgemachtes Eis probieren, aber auch die Pizza von Giorgio Sabbatini, dem renommierten Weltmeister der Pizzabäcker von 2012. Außerdem wird die „Faire Milch“ bei dieser EXPO eine wichtige Rolle spielen, die auch in einem Kleinformat von 200 ml als frischer und leichter Snack für unterwegs angeboten wird. Das Projekt „Buono e Onesto” (wie die Faire Milch in Italien heißt) eröffnet neue Horizonte und wir treten damit an wichtige Bevölkerungsgruppen wie die Schulen heran, wo ein Projekt zur Aufklärung und Information über eine gute, gesunde und naturbelassene Ernährung durchgeführt wird.

Unter den Veranstaltungen im Rahmen der EXPO sei auch der 23. Juni erwähnt, an dem eine Konferenz zum Thema „Faire Milch“ stattfindet, an der Vertreter des European Milk Board, Erzeuger aus dem In- und Ausland, wichtige Persönlichkeiten des Milch- und Molkereisektors sowie des Handels und Vertreter der Faire Milch Länder teilnehmen. Sie werden ihre Erzeugnisse unter der Marke „Faire Milch“ vorstellen und Gelegenheit haben, den Markt für diese Produkte im eigenen Land zu erläutern. Während der Veranstaltung wird auch die „Goldene Faironika“ verliehen, eine prestigeträchtige Auszeichnung für Personen, die sich in besonderem Maße um eine nachhaltige Nahrungsmittelproduktion verdient gemacht haben.

Vom 24. bis 28. Juni widmet die APL in Zusammenarbeit mit dem EMB eine Woche der „Fairen Milch“. Die am Projekt beteiligten Länder können ihre Produkte während der Öffnungszeiten der Pavillons aus- und vorstellen.

Die große Abschlussveranstaltung ist der Weltmilchgipfel, der für Donnerstag, 15. Oktober 2015 im Rahmen der EXPO Mailand vorgesehen ist. Die internationalen Vertreter diskutieren hier die verschiedenen Wirtschaftsideologien, die vielfältigen Milch- und Molkereisysteme und die Spekulation im Nahrungsmittelsektor. Die Entwicklungsländer werden auch vertreten sein und das Beispiel ihrer eigenen Märkte zur Diskussion beitragen. Das Thema der Debatte lautet: „Wie sollte die Politik für den Milch- und Molkereisektor aussehen?“

Dass die Politik etwas tun muss, zeigt der Milchmarkt sehr deutlich. In Italien hält die Krise des Milch- und Molkereisektors ununterbrochen an. Der Durchschnittspreis für Rohmilch liegt weiterhin unter 36 Cent pro Liter und ist seit Jahresbeginn und im Verhältnis zum Vorjahr gesunken. Die Durchschnittspreise für Käse sind seit Jahresbeginn 2015 unverändert, liegen jedoch unter dem Niveau der Vorjahre.

Zuletzt möchte ich die Gelegenheit nutzen, um die beiden neuen Mitglieder des European Milk Board zu begrüßen – die Verbände aus Litauen und Lettland. Die baltischen Länder haben das Russlandembargo hautnah zu spüren bekommen und sind von der Krise am stärksten betroffen. Die Milchpreise sind hier auf einem Tiefstand.

Gemeinsam sind wir stärker und gemeinsam werden wir weiterhin für unsere Ziele kämpfen!

 

Roberto Cavaliere, EMB Vorstandsmitglied und Vorsitzender der APL Italien

Neue Mitgliedsverbände aus Lettland und Litauen

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© EMB

Bei der Mitgliederversammlung am 1. April wurden zwei Milcherzeugerverbände aus Lettland bzw. Litauen vom European Milk Board einstimmig aufgenommen. Wir freuen uns sehr, den litauischen Milcherzeugerverband LPGA sowie die lettische Organisation LOSP als neue Mitglieder begrüßen zu dürfen.

Mit diesen beiden baltischen Verbänden gewinnt das EMB an Größe und Gewicht und wird zukünftig auch die Aspekte der Milchproduktion in Osteuropa stärker abdecken.

Wir freuen uns auf eine gute Zusammenarbeit mit den neuen Kollegen!

 

Hintergrundinfos zur Situation in den Ländern

Interview mit Jonas Vilionis, Vorsitzender des litauischen Milcherzeugerverbands LPGA, zur aktuellen Situation in Litauen (11/2014)

Interview mit Dace Pastare, Mitglied im lettischen Milcherzeugerverband LOSP (11/2014)

Regina Reiterer, EMB

Stellungnahme des AdR greift Marktverantwortungsprogramm des EMB auf

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Aktuelle EMB Pressemitteilung vom 22.04.

Zwei Wochen nach Auslaufen der Quotenregelung für Europas Milcherzeuger läutet der Ausschuss der Regionen (AdR) die Alarmglocken. In der am 16. April angenommenen Stellungnahme zum Milchmarkt warnen die Mitglieder des EU-Gremiums vor einer problematischen Zukunft des EU-Milchsektors. Außerdem sehen die Vertreter in dem vom European Milk Board (EMB) entwickelten Marktverantwortungsprogramm ein flexibles und kostengünstiges Konzept gegen Marktstörungen.

In ihrer Stellungnahme, die sich mit der EU-Milchpolitik kritisch auseinandersetzt, haben die Mitglieder des AdR konkrete aktuelle Entwicklungen genau im Blick. So warnen sie, die EU verfüge gegenwärtig „nicht über wirksame Instrumente“ um Schwankungen der Milcherzeugerpreise einzudämmen oder bei einem Milchpreisverfall Schutz zu gewährleisten. 

Romuald Schaber, Vorsitzender des European Milk Board, begrüßte den Initiativbericht: „Die Rückendeckung des Ausschusses der Regionen ist ein wichtiges Signal für uns. Bereits für dieses Jahr droht den Milchbauern in der EU ein Preissturz, der das Überleben vieler Milchbauern bedroht. Es kann nicht angehen, dass die EU-Kommission bis 2018 die Hände in den Schoß legt und dem Absterben der Milcherzeugung untätig zusieht. Mit der Rückendeckung des AdR werden wir weiter Druck für die Einrichtung des von uns entwickelten Marktverantwortungsprogramms machen.“ 

Die Brüsseler Vertreter der Regionen sehen in dem vom EMB vorgelegten Marktverantwortungsprogramm ein „flexibles, konkretes und kostengünstiges“ Instrument, das nun von den zuständigen Institutionen auf Umsetzbarkeit überprüft werden solle. Das Programm soll in Krisenzeiten den Milchmarkt stabilisieren. Bereits 2013 hatte das EU-Parlament einen Unterstützungsmechanismus für Milcherzeuger gefordert, die im Krisenfall ihre Produktion freiwillig drosseln. Der Ausschuss der Regionen rückt die im Zug der GAP-Reform von den Agrarministern abgelehnte Forderung nun erneut ins Blickfeld. 

Koppelung des EU-Milchpreises an Weltmarktniveau wird stark kritisiert

Als inakzeptabel sieht der AdR die starke Koppelung des EU-Milcherzeugerpreises an den Weltmarktpreis. Die EU solle sich, laut Stellungnahme, Modelle zum Vorbild nehmen, bei denen die Preisindexierung an den tatsächlichen Produktionskosten und nicht am Weltmarktpreis orientiert ist. Das Beispiel Kanada zeige, dass man so „einen deutlich stabileren und höheren Milchpreis als in Europa“ garantieren kann.

Die Stellungnahme zeigt im Zusammenhang mit dem “Milchpaket” weitere Schwachstellen der EU-Milchpolitik auf. So sei dessen Wirksamkeit u.a. stark eingeschränkt, da sich die Genossenschaften, die in Europa über 60 Prozent der Milch vermarkten, „aus der vertraglichen Bindung und der Produktionskontrolle ausgeklinkt“ haben. 

Bei der neu eingerichteten Europäischen Beobachtungsstelle für den Milchmarkt sieht der AdR großen Verbesserungsspielraum. Er drängt darauf, jene „zu einem wirklichen Instrument zur Steuerung und nicht nur zur rückblickenden Beobachtung” weiter zu entwickeln. Der AdR-Bericht kritisiert des Weiteren die verstärkte Ausrichtung der europäischen Milchpolitik auf den Export in Entwicklungsländer. Insbesondere die Entwicklung der Milchviehhaltung und kleinerer Molkereien in Westafrika würden dadurch nach dem Wegfall von Schutzzöllen untergraben. 

Das EMB sieht die EU-Kommission in der Verantwortung, eine angemessene Antwort auf die Mahnungen vom Ausschuss der Regionen zu finden.

Eine Detail-Analyse der AdR-Stellungnahme, die auf die wichtigsten Punkte Bezug nehmen wird, versenden wir in naher Zukunft.

Hanna Penzer, EMB

 

Stellungnahme des AdR

Milchkrise in der Schweiz - jetzt wird die Politik aktiv!

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Eine immer noch nicht kontrollierbare Milchmenge sowie das Nichtfunktionieren des A-, B- und C- Milchpreissystems sind nach wie vor die Hauptprobleme im Schweizer Milchmarkt. Seit nun der Franken gegenüber dem Euro praktisch paritätisch ist, stürzen die Milcherzeugerpreise ins Bodenlose. Sie sind heute großflächig auf dem Niveau wie vor 60 Jahren! Für tausende Milchwirtschaftsbetriebe ist das Ende der Milchproduktion absehbar.

Nun wird diese katastrophale Situation endlich auch in der Politik wahrgenommen. Sie wurde vergangene Woche in der Wirtschaftskommission des Nationalrates (WAK-N) diskutiert. Diese Kommission will es jetzt genau wissen und verlangt vom Bundesrat einen Bericht über die Situation und die Herausforderungen auf dem Schweizer Milchmarkt.

In diesem Bericht sind insbesondere:

  • die wirtschaftliche Situation und die Perspektiven der Schweizer Milchwirtschaft inkl. einem Quervergleich bezüglich Arbeitsverdienst zu anderen Produktionsrichtungen der Land- und Ernährungswirtschaft darzustellen;
  • die Umsetzung und die Wirkung der von der Branche beschlossenen und vom Bundesrat allgemeinverbindlich erklärten Instrumente zur Marktstabilisierung zu beurteilen;
  • die möglichen Auswirkungen des Quotenausstieges in der EU auf den Schweizer Milchmarkt einzuschätzen, insbesondere in Bezug auf Niveau und Volatilität des Milchpreises;
  • die in den letzten Jahren erfolgten Marktöffnungsschritte im Milchbereich vor dem Hintergrund der Frankenstärke inkl. Quervergleich zu anderen Produktionsrichtungen der Land- und Ernährungswirtschaft zu beurteilen und darzulegen, wie sich die marktrelevanten Rahmenbedingungen seit der Marktöffnung verändert haben;
  • die Wirkung der milchmarktrelevanten finanziellen Maßnahmen des Bundes, insb. des „Schoggi-Gesetzes“1 auf die Produzenten und die Verarbeiter darzustellen und zu quantifizieren;
  • das größte Kosteneinsparungspotenzial bei der Milchproduktion und die entsprechenden Maßnahmen dafür aufzuzeigen;
  • Maßnahmen zu prüfen, welche die Kosten der Milchproduktion, die hohen Landkosten und die im europäischen Vergleich sehr hohen Investitionskosten senken können;
  • die Strategien darzulegen, welche vergleichbare Länder oder Regionen innerhalb der EU anwenden um Produktion und Wertschöpfung zu fördern (zu berücksichtigen sind insbesondere Österreich, Bayern, Baden-Württemberg und die Lombardei);
  • die Auswirkungen darzulegen, wenn die Produktion durch Umlagerung von Direktzahlungen verstärkt auf rindergemäße / graslandbasierte Fütterung, gute Gesundheit und höhere Lebensdauer ausgerichtet würde;
  • Öffnungsvarianten für den Milchmarkt darzulegen, z.B. schrittweise Öffnung innerhalb von 8 bis 12 Jahren, Zollunion, Öffnung weiterer Linien etc.;

Nachdem die offiziellen Milchverbände bis heute keine zündenden Ideen vorgebracht haben, wie dem Desaster begegnet werden soll, hoffen nun die Milcherzeuger, dass die Politik aus diesem Bericht endlich die richtigen Schlussfolgerungen zieht.

Werner Locher, Sekretär BIG-M

 

1 Das sogenannte "Schoggigesetz" regelt Ausgleichsbeiträge für landwirtschaftliche Grundstoffe, die in verarbeiteter Form exportiert werden (Schokolade, Kekse usw.) Z.B. wird Schweizer Milchpulver für Schokolade auf Weltmarktniveau hinunterverbilligt. Diese Gelder stammen einerseits vom Bund, andererseits werden sie durch Zwangsabgaben bei den Milchbauern eingetrieben.

TTIP: Knickt die Politik vor den Konzernen ein?

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© European Union, 2015

Die Wirtschaftsverbände der deutschen Konzerne haben den deutschen Wirtschaftsminister Gabriel aufgefordert, das von den USA und der EU geheim verhandelte Freihandelsabkommen auch mit der umstrittenen Investitionsschutzklausel zu akzeptieren. Immer wenn etwas geheim verhandelt wird, ist es faul.

Es verhandelt auf europäischer Ebene nur das Brüsseler Politbüro, während auf amerikanischer Seite neben Regierungs- und Bankenvertretern auch Konzernvertreter und Anwaltspraxen mitreden dürfen. Kein Wunder, dass Wirtschaft, Wissenschaft und Bevölkerung in Europa im TTIP-Abkommen ein Komplott der multinationalen Konzerne zur Überwindung nationaler demokratischer Wettbewerbsstandards sehen. Mit dem TTIP-Freihandelsabkommen sollen alle Zölle abgebaut werden sowie unterschiedliche Standards und Schutzverbote. Jeder US-Konzern soll damit in allen EU-Ländern alle Rechte haben, die er auch im Heimatland hat. Damit sollen vor allem die in Europa hohen Schutzstandards in den Bereichen Ernährung, Landwirtschaft, Medizin, Gesundheit, Forschung, Produktzulassung, Umwelt- und Naturschutz, Arbeit, Soziales und Kulturförderung wirkungslos werden. Denn amerikanische Regierungspolitik dient ausschließlich den Interessen ihrer amerikanischen Konzerne.


Dass die deutschen Konzerne ebenfalls das TTIP wollen, hängt einerseits damit zusammen, dass sie damit Exporterleichterungen haben, andererseits ist die Mehrheit der deutschen Konzerne ohnehin in der Hand internationaler Fonds, sie haben also mehr internationale als nationale Interessen.
Niemand hat bei den Geheimverhandlungen um das TTIP bisher auf den Mittelstand Rücksicht genommen, niemand auf Gewerkschaften, niemand auf Umweltschützer, niemand auf Kulturvertreter oder auf Forscher oder die Landwirtschaft. Sie sind bisher von den Verhandlungen ausgeschlossen geblieben, mit gutem Grund:

  • Wo immer amerikanische Standards Umweltzerstörung wie z. B. das Ölfracking, Großflächenabholzung, Säureeinleitung in Flüsse o. ä. erlauben, könnten sie dies für ihre Produktion künftig auch in Europa verlangen, müssten ihnen insofern «gleiche Wettbewerbschancen» eingeräumt werden.
  • 90% aller Deutschen wollen keine Chemie in ihrer Nahrung. In den USA muss der Verbraucher nachweisen, dass er dadurch Schaden hat. In Europa war dies bisher umgekehrt, würde also durch TTIP auch die Beweislage auf den Verbrauchter umgekehrt.
  • Die US-Biotech-Giganten Monsanto und Syngenta haben in Nord- und Südamerika Saatgutmonopole errichtet. Das TTIP würde die deutschen Bauern rücksichtslos an die US-Saatgut- und Gentechnikmonopole ausliefern.
  • Die europäische Landwirtschaft ist klein- und mittelbetrieblich strukturiert. Landwirtschaftspolitik ist deshalb nicht nur in Europa Schutz der Landwirtschaft, sondern auch der Umwelt. Mit TTIP würden jedoch die internationalen Agrarkonzerne Europa mit Niedrigpreisen überrollen. Als 1870 schon einmal auf Druck der Großindustrie auch Agrarfreihandel eingeführt wurde, hatte dies in 10 Jahren zum Untergang von mehr als 100?000 Landwirtschaftsbetrieben aller Größen geführt. Dies würde jetzt mit TTIP wieder passieren.

Die größte Unverschämtheit der US-Verhandler ist aber, dass sie mit der Schiedsgerichtsklausel die europäische Justiz ausschalten wollen. Klagen gegen Monopolmaßnahmen der US-Konzerne wären dann in Europa in der ordentlichen Gerichtsbarkeit nicht mehr möglich. Und für Klagen der transatlantischen Konzerne gegen neue staatliche Gesetze wie etwa neue Umweltstandards oder öffentliche Fördermaßnahmen wäre ebenfalls nicht mehr die deutsche Gerichtsbarkeit zuständig, sondern private Geheimgerichte (ICSID), ohne zweite Instanz. Diese Schiedsgerichte würden von amerikanischen Anwaltsfirmen (mit Konzernbindung) in den USA durchgeführt. Bisher wurden über 70% solcher Streitfälle zugunsten der US-Konzerne entschieden. Rechtsmittel dagegen gibt es nicht mehr. Dies würde die traditionelle europäische Rechtskultur auf den Kopf stellen.

Minister Gabriel sollte prüfen, ob er als Konzernminister alles, was Generationen an Kultur, Gesundheitsstandards, genfreier landwirtschaftlicher Vielfalt, Chemiefreiheit, Umweltstandards geschaffen haben in Geheimverhandlungen an die US-Monopolisten verkaufen lassen will. Das TTIP ist nämlich nicht – wie behauptet – mehr Freiheit im Markt, sondern Machtergreifung der US-Monopole in Europa!

 

Prof. Dr. Eberhard Hamer, Mittelstandsinstitut Niedersachen e.V.

(Auszug aus einem Artikel erschienen in Zeit-Fragen, 12/2014)

Interview mit Sagari Ramdas - Food Sovereignity Alliance in Indien

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© Misereor

Welche Rolle spielt die Milcherzeugung in Indien?

Die Milcherzeugung ist ein wichtiges Mittel zur Deckung des Lebensunterhalts und Nahrungsquelle für Millionen von Bauern und Familien der umherziehenden Viehhirten in ganz Indien. Dies gilt besonders für die Frauen, die die Säule der Milcherzeugung sind. Die Milcherzeugung durch Aufzucht einiger Kühe oder Büffel deckt den Eigenbedarf (ein wichtiger Bestandteil der Nahrungsmittelsicherheit der Familie und Gemeinschaften) und liefert Milch für den Verkauf auf lokalen Märkten (Einkommen).

 

 

Europa hat die Milchquote im März 2015 abgeschafft – die Folge wird eine Steigerung der Milcherzeugung in Europa sein. Die europäische Milchindustrie sucht nach neuen Märkten. Indien gehört zu den Zielländern. Welche Befürchtungen haben Sie für die Milcherzeuger?

Wir sind über die Entwicklung in Europa sehr besorgt, da sie zu einer massiven Produktion führen wird, und Europa wird versuchen, sie auf den Märkten der südlichen Hemisphäre abzusetzen – z. B. in Indien. Europa versucht bereits, unter dem Banner des Freihandelsabkommens seine hochsubventionierte Milch nach Indien zu exportieren und verhandelt hart, um Indien zu zwingen, alle Einfuhrzölle auf Milch und Molkereiprodukte auf „0” zu senken. Derzeit betragen die Einfuhrzölle auf Milch und Milchprodukte zwischen 30 und 60%. Der verbilligte Absatz dieser subventionierten Milch – entweder in Form von Milchpulver oder Butterfett, die wieder in Flüssigmilch umgewandelt und verkauft werden – drückt die Erzeugerpreise in Indien und wird mehrere Tausend Milchbauern zur Aufgabe zwingen. Es gab bereits 1999 und 2009 solche Fälle, als die indische Regierung alle mengenmäßigen Beschränkungen für Milchpulver aufhob und die Einfuhrzölle auf „0 senkte, was zu einem sofortigen Anstieg der Einfuhren aus der EU von 600 Tonnen auf 25.000 Tonnen (1999) bzw. von 10.000 auf 30.000 Tonnen (2009) führte. Infolgedessen brachen die Milchpreise ein, was es für die Erzeuger unmöglich machte, ihre Produktionskosten zu decken. Viele Erzeuger wurden ihrer Lebensgrundlage beraubt.

Angesichts der Möglichkeit, dass subventionierte Milch aus der EU in Indien abgesetzt wird, werden die Privatmolkereien in Indien vermutlich entweder die Gesamtmenge der Milch verringern, die sie von den Primärerzeugern (den Bauern) abnehmen, oder sie werden die Auszahlungspreise für die Bauern senken. Am 10. Januar 2015 gab der Vorsitzende des National Dairy Development Board of India durch die Zeitung bekannt, dass „private Molkereien weniger Milch denn je abnehmen, aufgrund der Preise, die sich weltweit im freien Fall befinden.“ Er sagte, dass „Genossenschaften größere Milchbestände angesammelt haben und die Preise für den Moment stabil halten.“ Zu den Milchpreisen erklärte er, dass „weltweit Überschüsse bestehen. Die Genossenschaften kaufen mehr als früher, obwohl die privaten Molkereien ihre Abnahme reduziert haben."

Es ist Irrsinn, dass in einer Situation „weltweiter Milchüberschüsse“ die EU die Milchquoten abschafft, was zu mehr Produktion führt. Es ist offensichtlich, dass die EU den Bauern und Viehhirten, die die Basis der Milcherzeugung in Indien bilden, die Lebensgrundlage entziehen möchte. Ihr Recht auf Nahrung ist ernsthaft bedroht.

Indien und Europa werden ein Freihandelsabkommen aushandeln. Welche Bedenken haben Sie?

Unsere gesamte Nahrungsmittelsouveränität steht auf dem Spiel. Neben der direkten Auswirkung auf die Milch gibt es auch mehrere kleine Betriebe, die Käse herstellen. Wenn die EU ihren Käse in Indien absetzt und den Schutz ihrer geografischen Angaben verlangt, sind diese unabhängigen Hersteller und ihre Lebensgrundlage bedroht. Überschwemmen die subventionierten Produkte erst einmal unseren Markt, werden unsere Bauern nicht mehr in der Lage sein, zu niedrigeren Preisen zu produzieren und trotzdem ihre Produktionskosten decken. Das nenne ich „Handelsgenozid“.

Bei dem Freihandelsabkommen zwischen der EU und Indien geht es auch um den Zugang der EU zu Land, besondere Schutzbestimmungen und Immunität. Außerdem sollen die EU-Staaten Zugang zu unserem öffentlichen Auftragswesen erhalten. Das bedeutet eine weitere Bedrohung für unsere lokalen Systeme der Nahrungsmittelerzeugung, Beschaffung und Verteilung. Anstelle der Beschaffung diverser Nahrungsmittel, die von den lokalen Bauern, Viehhirten und der indigenen Bevölkerung (Adivasi) hergestellt werden, und deren Vertrieb über unser öffentliches Verteilungssystem, könnte es nun sein, dass billige EU-Erzeugnisse über unser öffentliches Verteilungssystem vertrieben werden.

Auszug aus dem Interview von Kerstin Lanje, Misereor

 

Food Sovereignty Alliance (Englisch)

Misereor Projekt: Hunger bekämpfen

Kurznachrichten aus Brüssel

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Erfolg für EMB: Ausschuss der Regionen stellt sich hinter Milchbauern

Der Ausschuss der Regionen (AdR) unterstützt mit seiner Stellungnahme das vom EMB entwickelte Marktverantwortungsprogramm. Der Ausschuss bezeichnet es als „flexiblen und kostengünstigen“ Vorschlag, der von den zuständigen Institutionen auf Umsetzbarkeit überprüft werden solle. In seiner Stellungnahme zum Milchmarkt warnt der AdR vor einer problematischen Zukunft des EU-Milchsektors. Mit der Rückendeckung des AdR werden wir weiterhin Druck machen, um unser Marktverantwortungsprogramm politisch umzusetzen.

Stellungnahme des AdR auf Deutsch oder weiteren Sprachen:

FR DE EN IT NL DA EL ES PT FI SV CS ET HU LV LT MT PL SK SL BG RO HR

 

TV-Reportage über die AdR Stellungnahme und das EMB Marktverantwortungsprogramm (Französisch)

 

Freihandelsabkommen TTIP

Im Europäischen Parlament laufen die Beratungen zum sogenannten Lange-Bericht, der die Position des Parlaments zu TTIP wiedergeben soll. Der Ausschuss für Internationalen Handel (INTA) des Europaparlaments hat knapp 900 Änderungsanträge eingereicht. Der Bericht soll Ende Mai im federführenden Ausschuss abgestimmt werden. Im Juni folgt die Abstimmung im Plenum des Europaparlaments. Ohne die Zustimmung des EU-Parlaments kann das TTIP-Abkommen nicht verabschiedet werden.

Im EU-Parlament wächst die Abneigung gegen die umstrittenen Investor-Staat-Klagen (ISDS). Sechs von 14 Ausschüssen im EU-Parlament haben Mitte April gegen ISDS im geplanten Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA gestimmt. Bei ISDS handelt sich um ein Instrument, das ausländischen Investoren ermöglicht, bei Streitfragen - z. B. Gesundheits-, Umwelt-, und Sozialstandards, die als geschäftsschädigend betrachtet werden - vor internationalen Schiedsgerichten zu klagen und Schadenersatzansprüche einzufordern.

 

Globaler Aktionstag gegen Freihandelsabkommen

Am 18. April fand ein weltweiter Aktionstag zu den geplanten Freihandelsabkommen (TTIP, CETA und TISA) statt. In ganz Europa gingen Bürger auf die Straße, um mit Demonstrationen, Manifestationen und verschiedenen Veranstaltungen gegen Freihandelsabkommen zu protestieren. Ziel der Proteste war es, auf die Gefahren der internationalen Abkommen hinzuweisen und der zunehmenden Konzernherrschaft der globalen Wirtschaft ein demokratisches Gegengewicht zu bilden. In New York fand vom 20.-24. April die mittlerweile 9. TTIP-Verhandlungsrunde statt. Themen waren u.a. die Absenkung von Zöllen sowie Schutz für geografische Kennzeichnungen.

Regina Reiterer, EMB

EMB Agenda

Die wichtigsten Termine des EMB-Vorstands im Mai 2015:

  • 05.05.:        Treffen mit Polnischem Agrarminister + Milcherzeugerverband
  • 05.05.:        Zivildialoggruppe „Internationale Aspekte der Landwirtschaft“
  • 06.05.:        Treffen mit Tschechischem Agrarminister + nationalen Verbänden
  • 06.05.:        Treffen Zivildialoggruppe "Ländliche Entwicklung"
  • 12.05.:        Treffen Zivildialoggruppe "Milch"
  • 13.05.:        EMB Vorstandssitzung

Impressum

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