MILK-NEWS

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Liebe Milchbäuerinnen und Milchbauern, liebe Mitstreiter,

Den Milchtank zu öffnen und seine Milch in den Abfluss zu leeren erfordert Mut. Sehr viel Mut. Vor rund zehn Jahren haben Tausende Milcherzeuger diesen Kraftakt vollbringen müssen. Weil sie nicht mehr weiter wussten. Weil sie keine Zukunft für ihren Beruf und ihren Hof sahen. Und weil Milch ihren Wert hat. Genau deswegen haben wir unsere Milch nicht mehr abgeliefert, verschüttet und auf Felder versprüht.

Mitte September haben nun Milcherzeuger in Frankreich und Belgien mit eindrucksvollen Aktionen an die Milchstreiks der Jahre 2008 und 2009 erinnert. In der Normandie gedachten unsere französischen Kollegen dem Jahrestag des Milchstreiks mit einem Festival. Im belgischen Ciney, wo 2009 mehrere Millionen Liter Milch auf die Felder ausgebracht wurden, haben wir Milcherzeuger erneut unseren Zusammenhalt bekräftigt. Viele Kollegen sind mit ihren Traktoren aus den Nachbarländern angereist, aus Deutschland, Luxemburg, Frankreich und den Niederlanden. Unterstützung bekamen wir auch von Landwirten aus anderen Sektoren, die für eine faire Agrarpolitik einstehen. Auch viele Jungbauern waren anwesend und haben mit uns Flagge gezeigt.

Ich bin stolz auf meine Kollegen, ich bin stolz auf diese außergewöhnliche europäische Bewegung und ganz besonders stolz bin ich auf die Solidarität der Bauern und Bäuerinnen. Die Milchstreiks waren eine emotionale und finanzielle Gratwanderung für uns alle. Es war ein Kampf um gerechte Preise. Und es ging um unsere Höfe und Familien, um unsere Zukunft.

In dieser Ausgabe finden Sie eine Nachlese zu unseren Aktionen anlässlich der Milchstreiks vor zehn bzw. elf Jahren. Ich möchte Sie auch zur kommenden Faire Milch Konferenz im belgischen Libramont am 12. Oktober einladen, bei der europäische und afrikanische Projekte der fairen Milch vorgestellt werden. Auch dieses Jahr wird wieder die Goldene Faironika verliehen. Eine ganz besondere Kuh für besondere Verdienste zur nachhaltigen Milchproduktion.

Erfreuliche Nachrichten gibt es auch von unserer Fairen Milch Familie. Es gibt Nachwuchs! Unsere Schweizer Kollegen haben unter der Marke Faireswiss eine Vollmilch und fünf verschiedene Weichkäse auf den Markt gebracht. Eine Marke, die den Bäuerinnen und Bauern gehört und ihnen ein angemessenes Einkommen garantieren soll. Liebe Schweizer Kollegen, Willkommen in der Fairen Milch Familie des EMB und viel Erfolg!

Politisch gesehen haben wir die nächsten Wochen und Monate einiges vor. Mit einem neuen Agrarkommissar und vielen neuen Gesichtern im Europäischen Parlament wartet sehr viel Überzeugungsarbeit auf uns. Wir sind bereit!

Erwin Schöpges, Präsident des European Milk Board

Europäische Milchstreiks: Millionen Liter Milch & tausende Traktoren

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2008 und 2009 haben MilcherzeugerInnen mutig und schweren Herzens ihre Milchtanks geöffnet und die extreme Unterbezahlung bei der Milch für die Welt öffentlich gemacht.

Ciney, 16.09.2019 Das ganze Wochenende sowie am heutigen Montag wurde in Frankreich und Belgien mit zahlreichen Veranstaltungen an die großen europäischen Milchlieferstopps vor zehn bzw. elf Jahren erinnert.

 

Was auch als europäische Milchstreiks in die Geschichte eingegangen ist, hat in der Folge den MilcherzeugerInnen in der EU eine überaus wichtige politische Stimme gegeben. Eine Stimme, die nicht vereinzelt und dünn daherkam, sondern die gebündelt die essentiellen Anliegen sehr vieler europäischer Milchbäuerinnen und Milchbauern deutlich hörbar machte. Eine Stimme, die sicherlich noch nicht sofort alles Notwendige durchsetze, die aber konkrete Vorschläge für ihren Sektor unterbreiten konnte. Und die unter anderem mit dem Einsatz des freiwilligen Lieferverzichts 2016 auch wichtige politische Erfolge verbuchte. 

Den Anfang machten an diesem Wochenende in Frankreich Teilnehmer des Streiks von 2009 aus ganz Europa. In einem großangelegten Festival in der Normandie gedachten sie mit Stolz den starken Aktionen vor zehn Jahren. Vorstandsmitglied der französischen Milcherzeugerorganisation APLI und des European Milk Boards (EMB) Boris Gondouin dazu: "An diesem Wochenende sind wir hier in Frankreich, in der Normandie, zum zehnten Jahrestag des Milchstreiks. Das waren magische Momente. Aber es war auch sehr hart und ich wünsche das wirklich niemandem. Aber der Streik war absolut wichtig, und er hat allen – der Politik, den Verbrauchern, den anderen Landwirten – gezeigt, dass wir solidarisch sein können. Und dass, wenn wir mit dem Milchpreis nicht einverstanden sind, wir die Milchanlieferung irgendwann einstellen können, und dies auf europäischer Ebene."

Die europäischen Vertreter der Milcherzeuger reisten im Anschluss weiter zur heutigen großen Aktion 1000 Traktoren ins belgische Ciney. Wie vor 10 Jahren, als 3 Millionen Liter Milch auf die Felder ausgebracht wurden, haben sich auch heute aus ganz Europa die MilcherzeugerInnen mit Traktoren hier versammelt, um gegen die immer noch unfairen, nicht kostendeckenden Milchpreise zu demonstrieren. Hinzu kommen viele Landwirte aus anderen Agrarsektoren, die ebenfalls gegen die unfaire, nicht nachhaltige Agrarpolitik demonstrieren.

Für Erwin Schöpges, EMB-Vorsitzender und belgischer Milcherzeuger, sind die damaligen Streikereignisse ein sehr wichtiger historischer Moment für die MilcherzeugerInnen in Belgien und den anderen Ländern. „Eine einmalige Solidarität zwischen den Milchproduzenten und den Verbrauchern ist damals entstanden. Eine solche Aktion hatte es nie zuvor gegeben und darauf können wir stolz sein.“ Sieta van Keimpema, die EMB-Vizepräsidentin, richtet ergänzend das Wort an die heutige Milcherzeugergeneration: „Schau dir an, was in den letzten 10 bis 20 Jahren auf deinem Betrieb passiert ist. Schau dir dein Einkommen an, die Situation deiner Familie, die Stunden, die du arbeitest, und wie sozial dein Leben noch ist. Wenn du siehst, dass dein Leben nicht besser geworden ist, obwohl du so viel gearbeitet hast, dann schließ dich den Bauern an, die etwas ändern wollen. Und zwar in deinem Interesse, das auch dem Interesse vieler anderer internationaler Bauern entspricht. Miteinander kämpfen ist der einzige Weg zur Besserung und ein Weg gegen das Bauernsterben, das wir seit Jahren sehen. Steh auf, wenn du ein Bauer bist!“

In den vergangenen 11 Jahren sind im Milchsektor sicherlich Schritte getan worden. Aber man sieht auch, was passiert, wenn noch nicht ausreichend reagiert wird: Krasse Preiseinbrüche finden bei der Milch auch nach den Streiks weiter statt. Familienbetriebe verschwinden immer mehr, obwohl sowohl sozialpolitisch als auch klimatechnisch eindeutig klar ist, wie wichtig diese Familienstrukturen sind. Die europäische Milchpolitik braucht unbedingt ein Kriseninstrument wie das Marktverantwortungsprogramm. Ein Instrument, das diese Preiseinbrüche unterbindet, so dass Milchproduktion nicht weiter mit schmerzhaftem Verlustgeschäft gleichgesetzt werden muss. Damit die Landwirtschaft für ihre LandwirtInnen und insbesondere auch die Jugend wieder eine Perspektive bietet. Dafür haben die Milcherzeuger bereits 2008 und 2009 während der Milchstreiks gekämpft und dafür kämpfen sie auch heute entschlossener denn je weiter.

 

In vielen europäischen Ländern erinnern sich die TeilnehmerInnen der Milchstreiks an die damaligen Ereignisse und ihre Bedeutung für die aktuelle MilcherzeugerInnenbewegung in Europa

Frankreich: Sylvain Louis, Präsident der APLI

2009 ist den MilcherzeugerInnen bewusst geworden, dass ihre Produktion ihr Eigentum ist, dass sie ihre Milch versprühen konnten, um zum Ausdruck zu bringen, dass der Milchpreis unzureichend ist. Für sie entstanden neue Begriffe: Produktionskosten, kostendeckende Preise, angemessene Löhne, Mengenregulierung. Für die folgenden Jahre bedeutete dies, weiterzukämpfen, ohne sich des Sieges sicher zu sein – doch wer gar nicht erst nicht kämpft, hat bereits verloren.

 

Deutschland: Stefan Mann, BDM-Bundesvorsitzender

Unmöglich scheinendes wurde möglich: Wir erinnern uns alle gerne und mit Stolz an die nun 10 bzw. 11 Jahre zurückliegenden Aktionen von uns milchviehhaltenden Betrieben. Ende Mai 2008 hat unserer damaliger Vorsitzender Romuald Schaber in Freising vor 15.000 gespannt auf das Startsignal wartenden Bäuerinnen und Bauern erklärt, dass er ab sofort seine Milchanlieferung einstellt. Gefolgt sind neun mit beispiellosem Engagement, hohen Emotionen und zunehmender Ratlosigkeit auf Ebene der Molkereiwirtschaft gefüllte Tage. Wir alle sind über uns hinausgewachsen. Schlaf war Mangelware. Neben der Einstellung der Milchanlieferung waren auch die Unterbrechung der Milchströme aus anderen EU-Ländern sehr herausfordernde Aufgaben für die engagierten Kämpferinnen und Kämpfer in allen Landesteilen.

Ein Jahr später, im Herbst 2009, rollte die zweite heiße Phase der Proteste an, dieses Mal nicht von uns in Deutschland angetrieben, sondern von unseren Freunden aus unseren Nachbarländern. Die Bilder wurden noch wuchtiger, denken wir nur an die große Sprühaktion im belgischen Ciney.

Ohne diese heißen Phasen der Milchbauernproteste würde man heute nicht mehr über die Milchproblematik reden. Es gäbe kein Milchpaket, keine Diskussionen um die zukünftige Gestaltung des Milchmarktes, keine Sektoruntersuchung Milch eines Bundeskartellamts, keine wegweisenden Beschlüsse des Agrarausschusses des EU-Parlaments, es würde nicht über eine wirtschaftlich nachhaltige Milchviehhaltung und vieles mehr debattiert.

Was wir in den Jahren 2008/2009 mit Wucht ausgelöst haben, wollen wir weiterführen mit unseren nicht zu widerlegenden Argumenten und einer nicht für möglich gehaltenen Durchhaltekraft. Seien wir aber auch jederzeit bereit, die Wucht von Aktionen in der Öffentlichkeit wieder zu nutzen.

 

Italien: Roberto Cavaliere, EMB-Vorstandsmitglied und Vorsitzender des italienischen Verbands APL della Pianura Padana

Gemeinsam haben wir für einen fairen Preis gekämpft. Der Milchstreik damals war unsere Antwort auf eine verfehlte europäische Politik. So haben wir unsere Produktion eingestellt, um gerechtere Regeln für den Milchmarkt einzufordern.

 

Luxemburg: Milcherzeugerverband LDB

Sehr viele luxemburgische Bauern waren sehr motiviert und haben sich dem Streik angeschlossen. Viele haben auf ihren Höfen die Milch weggeschüttet und genau so viele waren mit dem Trecker unterwegs in die Stadt, Milch im Güllefass, und zum Staatsministerium zu Jean-Claude Juncker. Genauso beeindruckend wie die Solidarität unter den Milcherzeugern war die Solidarität der Bevölkerung mit den Milchbauern. Viele waren bereit, ihr Kaufverhalten zu überdenken und bewusster einzukaufen. Das hält in Luxemburg bis heute an: regional, saisonal ist gefragt. Alles in allem wurde vor 10 und 11 Jahren viel bewegt seitens der Milchbauern. Was mich wirklich beeindruckt hat, ist, dass so viele in ganz Europa an einem Strang gezogen haben.

 

Niederlande: Sieta van Keimpema, EMB-Vizevorsitzende und Vorsitzende des DDB

Der Widerstand der Genossenschaften gegen ihre eigenen Erzeuger war sehr enttäuschend. Doch die Solidarität zwischen den teilnehmenden Erzeugern war beeindruckend!

 

Österreich: Ernst Halbmayr, Projektleiter A faire Milch

Ich war mit dabei als im Juni 2008 tausende Milchbauern und -bäuerinnen auf einem Feld im deutschen Freising die Worte von Romuald Schaber gehört haben: „Ab morgen werde ich keine Milch mehr liefern“. Am Abend haben wir in Österreich dann eine Vorstandssitzung einberufen und beschlossen, mit sofortiger Wirkung mitzumachen. Für viele war es sicher die emotional aufwühlendste Zeit ihres Milcherzeugerdaseins. Wer selber nicht dabei war, kann sich eigentlich nicht vorstellen, welch spannende Zeit das war. Heute weiß jeder, wie er sich damals verhalten hat und jeder hat seine eigene Geschichte zu.

 

Schweiz: Werner Locher, Sekretär von BIG-M

Der Milchstreik in Europa war ein großartiger Beweis bäuerlicher Solidarität. Mit den verschiedenen Aktionen ist es uns gelungen, die breite Öffentlichkeit für die Missstände im Milchmarkt zu sensibilisieren. Leider haben sich die Rahmenbedingungen seither nicht wesentlich geändert. Es braucht das EMB auch weiterhin! Wir Schweizer sind stolz, dass wir Teil dieser großartigen europäischen Bewegung EMB sind.

 

Eine Stimme, die sicher in den Augen vieler MilcherzeugerInnen auch sehr gern noch erfolgreicher hätte sein können.

EMB-Pressemitteilung vom 16. September 2019

Fotos der Aktion in Ciney

Was tut sich in der EU-Kommission und im Europäischen Parlament?

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Ursula von der Leyen, die künftige Präsidentin der Europäischen Kommission, will die Befugnisse wichtiger Positionen innerhalb der Kommission neuausrichten. Sie hat außerdem eine vollständige Liste ihrer designierten Kommissare vorgelegt.

 

Aktuell finden im Europaparlament Anhörungen mit allen designierten Kommissaren statt. Die Abgeordneten entscheiden, ob sie ihre Ernennung billigen oder die Kommissionspräsidentin auffordern werden, andere Namen vorzuschlagen. In der Zwischenzeit hat das Europäische Parlament bereits beschlossen, die Überarbeitung der Gemeinsamen Agrarpolitik fortzusetzen und dabei auf der Arbeit der vorherigen Legislaturperiode aufzubauen.

 

Die neue Europäische Kommission

Ursula von der Leyen wurde vom Europäischen Parlament als Nachfolgerin von Jean-Claude Juncker als Präsidentin der Europäischen Kommission für fünf Jahre ab November 2019 bestätigt. Am 9. September veröffentlichte sie ihre Wahl der 26 Kommissare und Vizepräsidenten, die die verschiedenen Dienststellen dieser wichtigen europäischen Institution leiten sollen. Bisher scheint es, dass die neue Kommission politisch vielfältiger sein wird als Junckers Teams. Es sind weniger Christdemokraten und dafür mehr Sozialdemokraten, Liberale und Grüne dabei (siehe Vergleich hier).

 

Die Generaldirektion Landwirtschaft und ländliche Entwicklung wurde Janusz Wojciechowski aus Polen zugeteilt. Er war vorher Europaabgeordneter und Mitglied des Agrarausschusses und gehört der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer an. Derzeit arbeitet er für den Europäischen Rechnungshof. In ihrem Mandatsschreiben an Wojciechowski bittet die neue Kommissionspräsidentin ihn, sich auf den Abschluss der Verhandlungen über eine neue Gemeinsame Agrarpolitik zu konzentrieren, die Nachhaltigkeit der Landwirtschaft zu fördern und die geografischen Angaben zu stärken.

 

Phil Hogan, dem noch amtierenden Agrarkommissar aus Irland, wurde die Zuständigkeit für die Generaldirektion Handel übertragen. Als Teil seines Mandats soll er die Reform der Welthandelsorganisation leiten, eine „ausgewogene und für beide Seiten förderliche Handelsbeziehung mit den USA aufbauen, ein Investitionsabkommen mit China abschließen und auf eine Freihandelszone zwischen dem afrikanischen und dem europäischen Kontinent hinarbeiten“.

 

Die neue Präsidentin hat außerdem große Veränderungen an der Struktur und der Funktionsweise der Europäischen Kommission vorgenommen (siehe Link). Frans Timmermans wurde die einflussreiche neue Position des Ersten Vizepräsidenten mit Zuständigkeit für den europäischen Klimaschutz („Green Deal“) angeboten. Der niederländische Sozialdemokrat soll die thematisch relevanten Dienststellen der Kommission steuern, wobei die Hauptaufgabe darin bestehen wird, das „Ziel der Klimaneutralität bis 2050 gesetzlich umzusetzen“. Er wurde außerdem beauftragt, die Arbeit der Kommission zum Schutz der Artenvielfalt zu koordinieren, eine Strategie vom „Erzeuger zum Verbraucher“ für nachhaltige Nahrungsmittel zu erarbeiten und die Umweltverschmutzung in der EU zu mindern. Der Agrarkommissar wird dem Ersten Vizepräsidenten direkt unterstehen.

 

Das Europäische Parlament nimmt seine Arbeit auf

Das Europäische Parlament wird in den ersten beiden Oktoberwochen Anhörungen mit allen designierten Kommissaren und Vizepräsidenten abhalten und anschließend über ihre Ernennung abstimmen. Mehrere designierte Kommissare laufen Gefahr, vom Parlament nicht bestätigt zu werden, vor allem der designierte Agrarkommissar Wojciechowski. Der Grund ist eine gegen ihnen laufende Ermittlung von OLAF (der EU-Antibetrugsbehörde) wegen des Vorwurfs der Zweckentfremdung von Mitteln.

Im September beschloss der Agrarausschuss des Europäischen Parlaments, auf der Arbeit der vorherigen Legislaturperiode zur Überarbeitung der Gemeinsamen Agrarpolitik aufzubauen. Es wird erwartet, dass die Fraktionen in den nächsten Monaten an Kompromissen arbeiten werden, die vor Ende des Jahres im Plenum zur Abstimmung kommen. Das EMB trifft sich seit einigen Wochen bereits mit neuen Europaabgeordneten und weist darauf hin, wie wichtig die Unterstützung für ein Kriseninstrument ist, das die frühe Erkennung und Vermeidung künftiger Krisen im Milchmarkt ermöglicht.

Nicolas de la Vega, EMB

Schweiz: Demonstration für einen fairen und transparenten Milchmarkt

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Der Verband Uniterre demonstrierte am 17. September für eine faire Milchpolitik vor der Emmi, dem größten Schweizer Milchverarbeiter. Die Schweizer Kollegen zeigten sich mit ihrer Aktion auch solidarisch mit den europäischen Kollegen anlässlich der Milchstreiks vor zehn und elf Jahren.

Der in diesem Jahr eingeführte sogenannte "grüne Teppich" soll einen Milchpreisanstieg von 3 Rappen pro Liter Milch garantieren. Der Richtpreis wurde auf 71 Rappen angehoben. Wie ist die Situation? Wir fordern, dass dieser Preis ab sofort franko Stall für das Segment A gilt! Keine Milchpreissenkungen bei Emmi !

 

  • Weiters fordern wir, dass die Lieferungen in den Segmenten B und C freiwillig sind und keinen Einfluss auf das Volumen von Segment A haben!
  • Milchkaufverträge sollen klare Mengenangaben in Kilogramm für einen Mindestzeitraum von 3 Monaten beinhalten!
  • Die Verarbeitungsindustrie soll sich gemeinsam mit den Produzenten für klare Marktregeln und den Produktionsstandort Schweiz einsetzen!
  • Wir fordern den Bund auf dafür zu sorgen, dass die Verarbeitungsprämien, wie gesetzlich vorgeschrieben, an die Produzenten gezahlt werden!
  • In Zeiten des Kampfes gegen den Klimawandel, in denen alle gerne über nachhaltige Entwicklung sprechen, bekräftigen wir die Tatsache, dass es keinen "grünen Teppich", keine nachhaltige Produktion ohne eine Vergütung geben wird, die die Arbeit der Bauern fair bezahlt!

 

Emmi hat in den letzten fünf Jahren einen Gewinn von 700 Millionen Schweizer Franken erzielt, und der Leiter von Emmi kassierte im Jahr 2017 1.421.000 Franken. Coop und Migros ihrerseits erzielten im Jahr 2018 einen Gewinn von 473 Millionen bzw. 475 Millionen Franken. Diese Zahlen zeigen, dass die Rede für einige Menschen nicht von einem grünen, sondern von einem roten Teppich ist. Dies zu einem Zeitpunkt, zu dem die Produzenten, die an Emmi liefern, um die 50 Rappen/Liter erhalten. Es ist an der Zeit, eine faire Verteilung der Mehrwertschöpfung zu fordern. Die Nahrungsmittelproduktion ist keine verlustbringende Tätigkeit, ist sie unerlässlich und erzeugt Reichtum! Das einzige Problem ist, dass dieser Reichtum die Bauern nicht erreicht.

In Belgien haben, zehn Jahre nach dem Milchstreik und dem Bauernaufstand, Tausende von Bauern für die Zukunft der Milchwirtschaft und die Agrarwende demonstriert. Wir demonstrieren vor der Emmi solidarisch mit unseren Kollegen und fordern die Politik auf, endlich im öffentlichen Interesse die Machtverhältnisse auf dem Milch- und Nahrungsmittelmarkt zugunsten von BäuerInnen und KonsumentInnen zu verbessern! Eine lebendige, bäuerliche, nachhaltige, lokale Landwirtschaft, Transparenz auf den Märkten und kurze Kreisläufe, entsprechen den heutigen Herausforderungen und dem öffentlichen Interesse. Es ist Zeit zu handeln!

Uniterre Pressemitteilung vom 17. September 2019

Die Faire Milch in der Schweiz : Verkaufsstart der Faireswiss-Produkte

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Die Genossenschaft "Die Faire Milch" hat unter dem Namen Faireswiss eine faire Milch eingeführt, die den Erzeugerinnen und Erzeugern eine gerechte Entlohnung von einem Schweizer Franken pro Liter zusichert. Eine haltbare Vollmilch und fünf Weichkäsesorten sind in allen 31 Läden von Manor Food in der Schweiz erhältlich.

 

Der Milchpreis sorgt seit Jahren für Diskussionen. Er liegt de facto deutlich unter den Produktionskosten, die auf einen Franken pro Liter Milch geschätzt werden. Mit Faireswiss werden nun in der Schweiz Milcherzeugnisse im Detailhandel angeboten, die die Produzentinnen und Produzenten fair entlohnen. Ein Meilenstein, der es den Konsumentinnen und Konsumenten ermöglicht, sich für eine faire Milch in der Schweiz einzusetzen.

Das Produktsortiment der fairen Milch Faireswiss ist seit dem 23. September in den 31 Manor-Geschäften in der Schweiz erhältlich. Es besteht aus einer UHT-Vollmilch im Tetra Pak Edge (3,5% Fett), die vom Milchverarbeiter Cremo abgefüllt wird. Außerdem werden fünf Weichkäsesorten von der Käserei Grand Pré in Moudon angeboten: Brie de Moudon, Bourg-Mignon, Cœur de Moudon, St-Etienne und Reblochon.

Die offizielle Produkteinführung fand in den Räumlichkeiten von Cremo in Mont-sur-Lausanne in Anwesenheit von Faireswiss-Genossenschaftsmitgliedern sowie Erwin Schöpges, dem Vorsitzenden des European Milk Board (EMB), statt. Schöpges präsentierte die europäische Familie der fairen Milchprodukte, die unter der Führung des EMB angeboten werden.

 

Das Projekt Faireswiss

Die Marke Faireswiss gehört den Bäuerinnen und Bauern und ermöglicht es ihnen, ein angemessenes Einkommen zu erzielen. Das heißt ein Franken pro Liter Milch. Dieser Preis deckt die Produktionskosten und entspricht einem Aufschlag von 30 Prozent gegenüber dem aktuellen Preis. Jedem Genossenschaftsmitglied werden zusätzlich 35 Rappen pro Liter Milch, die an die Molkerei geliefert werden, entschädigt.

Bisher haben sich 14 Produzentinnen und Produzenten durch den Erwerb von Anteilsscheinen an der Genossenschaft beteiligt, deren Höhe sich anhand ihrer eingespeisten Milchmenge berechnet. Dieses Projekt richtet sich an alle Schweizer Milchproduzentinnen und Milchproduzenten.

Die Milcherzeuger von Faireswiss erfüllen mindestens zwei von drei Bundesprogrammen für die Nachhaltigkeit und erbringen den ökologischen Leistungsnachweis.

Weitere Informationen finden Sie auf www.die-faire-milch.ch und www.europeanmilkboard.org

 

Auszug aus der Pressemitteilung der Genossenschaft Die Faire Milch vom 23. September 2019

„Der Warenhandel mag Wohlstand erzeugen, aber Solidarität erzeugt er nicht“

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Interview mit dem Wirtschaftswissenschaftler Frédéric Farah über Freihandelsabkommen

Frédéric Farah ist Professor für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften und als Wissenschaftler dem Laboratoire PHARE der Universität Sorbonne angegliedert. Er arbeitet zudem als Dozent an der Paris Sorbonne Nouvelle. Zusammen mit Thomas Porcher hat er die Bücher „TAFTA: l'accord du plus fort“ (TTIP: das Abkommen des Stärksten) und „Introduction inquiète à la Macron-économie“ (Eine besorgte Einführung in die Macron-Ökonomie) veröffentlicht. Wir hatten Gelegenheit, ihm einige Fragen zu stellen.

 

Herr Farah, welche Entwicklungen sehen Sie bei den Freihandelsabkommen der letzten Jahre?

Seit der Roadmap der Europäischen Kommission von 2006 fördert die Europäische Union eine ganze Reihe sogenannter Freihandelsabkommen der zweiten Generation, die ich ziemlich besorgniserregend finde. Im Gegensatz zur ersten Generation der Freihandelsabkommen, bei denen es sich um Staatsverträge handelte, die Zollschranken aufgehoben haben, sind die der zweiten Generation Staatsverträge „hinter der Grenze“. Das bedeutet, dass sie Einfluss auf die Gesundheits-, Pflanzenschutz- und technischen Normen haben. Dies geht mit dem Bemühen einher, die Normen nach dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung anzugleichen. Das berührt auch den Zugang zu öffentlichen Diensten, den Europa zu schützen vorgibt. Aber die Europäische Union kann sich nicht einmal darauf verständigen, was ein öffentlicher Dienst überhaupt ist. Da stellt sich die Frage, was man schützt, wenn man es nicht schafft, das Konzept zu definieren, das geschützt werden soll.

Darüber hinaus ist es sehr schwierig, die Anwendung der Abkommen nachzuvollziehen. Das macht mir Angst. Man unterzeichnet sie, kann sie aber nicht überwachen. Daher werfen diese Abkommen zahlreiche Fragen auf.

 

Wer ist für diese Abkommen?

Für diese Abkommen sind diejenigen, die daraus Gewinn ziehen. Die Riesen der Nahrungsmittelindustrie können gewinnen. Aber danach muss man sich fragen, welches Agrarmodell man möchte. Möchte man, um das französische Beispiel zu zitieren, Milchviehbetriebe mit 1.000 Kühen oder etwas anderes?

Allgemein werden die Zugewinne sehr klein sein, selbst in wirtschaftlicher Hinsicht. Sie werden sich erst im Laufe der Zeit einstellen und letztlich geringfügig sein. Hinzu kommt, dass bei den Normen die Wirtschaftswissenschaftler beispielsweise außerstande sind zu sagen, wie viele Arbeitsplätze zusätzlich entstehen werden, wenn künftig die gleiche Norm für ein bestimmtes Produkt, sagen wir mal, zwischen Europa und den USA festgelegt wird.

 

Was ist Ihrer Meinung nach das Kernproblem dieser Abkommen?

Durch diese Abkommen setzt man den Rindfleisch- und Milchsektor und die Landwirtschaft allgemein ziemlich verheerenden Wettbewerbserschütterungen aus. In Europa verfolgen wir eine zunehmend vom Wettbewerb geprägte, marktgetriebene Logik, die immer unsolidarischer ist. Tatsächlich wird diese Art von Staatsverträgen – und deshalb bin ich besorgt – die Konkurrenz zwischen den Ländern verschärfen, d.h. wir verharren in einer Denkweise des „rette sich, wer kann“, wenn Sie so wollen. De facto geht es dabei immer nur um die Wirtschaft. Auch wenn ich Wirtschaftswissenschaftler bin, weiß ich eine Sache: Der Warenhandel mag Wohlstand erzeugen, aber Solidarität erzeugt er nicht.

Wenn man eine umweltverträglichere, extensivere Erzeugung möchte, die stärker auf die weltweiten natürlichen Ungleichgewichte achtet, wird das durch diese weitreichenden Staatsverträgen vereitelt. Das ist beunruhigend. Wir erzeugen also Wirtschaftsmodelle, die auf Produktivismus in der Landwirtschaft, die Desorganisation der landwirtschaftlichen Sektoren und das Verschwinden bäuerlicher Betriebe setzen, um sich einem zunehmend unlauteren Wettbewerb zu stellen. Durch die Förderung des Freihandels über die von mir als Konkurrenzismus bezeichnete Ideologie ist die Europäische Union kein Bollwerk in der Globalisierung, sondern deren schlimmster Multiplikator. Das ist das Problem.

 

Herr Farah, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Astrid Sauvage und Silvia Däberitz, European Milk Board (EMB)

EMB-Milchpreisvergleich: Wenig Bewegung bei den Milchpreisen trotz sinkender Milchanlieferung

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Obwohl die Milchanlieferung in vielen der EU-28 Länder in den letzten Monaten gesunken ist, spiegelt sich das mit Ausnahme Frankreichs nicht so stark in den Erlösen der Milcherzeuger wider. Der EMB-Milchpreisvergleich zeigt, dass sich die Milchpreise in den vergangenen Monaten kaum bewegt haben.

 

 

Im August hielten sich die verfügbaren deutschen Preise nur noch zwischen 30,87 und 30,02 Cent und die niederländischen zwischen 30,04 und 30,70 Cent pro Kilogramm. In Deutschland lag die Milchanlieferungsmenge im ersten Halbjahr 2019 0,7 % und in den Niederlanden sogar um 1,5 % unter der Vorjahresmenge.

Demgegenüber lagen die Erzeugerpreise in Frankreich im August sehr weit auseinander. Sie bewegten sich zwischen 34,26 und 40,63 Cent.

Irische Milcherzeuger erhielten im Mai 2019 gerade noch 30,14 Cent und im August dann nur noch 28,95 Cent pro Kilogramm. Laut EU Meldung lag die Milchanlieferung in Irland rund 10 % bzw. 34 000 Tonnen über der Vorjahresmenge.

Die Preise des EMB-Milchpreisvergleichs waren im August zwischen 28,80 Cent in Österreich und 40,63 Cent in Frankreich angesiedelt.

EMB-Milchpreisvergleich bis August 2019

 

Hintergrund: Der EMB Milchpreisvergleich soll eine bessere Vergleichbarkeit der Auszahlungspreise innerhalb Europas garantieren. Das aktualisierte Berechnungsschema zeigt nun den Auszahlungspreis sowohl mit als auch ohne molkereispezifische Zu- und Abschläge. Der Standardwert wurde dabei auf 4,0% Fett und 3,4% Eiweiß festgelegt. Die Monatszahlen werden laufend auch um die Nachzahlungen korrigiert. Mittlerweile beteiligen sich 22 Betriebe aus acht Ländern am EMB-Milchpreisvergleich.

Karin Jürgens, Büro für Agrarsoziologie und Landwirtschaft (BAL)

Einladung zur 6. Internationalen Faire Milch Konferenz

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Das European Milk Board veranstaltet gemeinsam mit der belgischen Genossenschaft Faircoop die 6. Internationale Faire Milch Konferenz. Wir laden Sie ein, am Samstag, den 12. Oktober 2019 im belgischen Libramont mit dabei zu sein, wenn sich Erzeuger aus Europa und Afrika treffen, um die fairen Projekte beider Kontinente gemeinsam zu feiern.

Im Jahr 2006 fiel der Startschuss für eine europäische Milchmarke, die von Milcherzeugerinnen und Milcherzeugern selbst etabliert wurde. Mittlerweile gibt es „die faire Milch“ in Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg, Österreich und der Schweiz zu kaufen und zu genießen. Doch die Initiative reicht auch über den europäischen Kontinent hinaus und wurde erfolgreich in Burkina Faso eingeführt.

Vor genau 10 Jahren haben Milcherzeuger in Belgien ihre eigene Marke „Fairebel – die faire Milch“ auf den Markt gebracht. Diese Marke sichert den Bauern einen kostendeckenden Preis, aber steht zudem auch für so vieles mehr: Für Nachhaltigkeit zum Beispiel. Denn ein fairer Milchpreis ermöglicht eine nachhaltige Milchproduktion und Landbewirtschaftung, aber auch den Erhalt von Familienbetrieben. Für Solidarität und gemeinsames Handeln. Denn Milcherzeuger haben gemeinsam ihre Zukunft in die Hand genommen und arbeiten konstruktiv, um die Bedingungen im Sektor zu verändern. Die Verbraucher zeigen sich ebenfalls solidarisch, indem sie Faire Milch Produkte kaufen und somit die Landwirte unterstützen.

Milcherzeuger aus Europa und Afrika freuen sich, Ihnen am 12. Oktober ihre Projekte vorzustellen und sich mit Ihnen auszutauschen. Die Preisverleihung der „Goldenen Faironika“ bildet den Höhepunkt der Konferenz. So werden Politiker, Landwirte und Akteure der Zivilgesellschaft, die sich in besonderem Maße für eine Verbesserung der Bedingungen im Milchsektor und eine nachhaltige Milchproduktion eingesetzt haben, mit diesem Preis geehrt.

Wenn Sie dabei sein möchten, bitten wir Sie, uns Ihre Teilnahme per E-Mail an oder per Telefon unter +32 2 808 1935 zu bestätigen.
Die Konferenzsprachen sind Deutsch, Französisch und Niederländisch.

 

Guter Geschmack zum Nachkochen

Bei der Fairen Milch Konferenz wird auch das Buch „Kochen wie früher – international“ zum ersten Mal vorgestellt. Leckere Rezepte rund um die faire Milch aus 7 europäischen Ländern wurden von Berthe Elsen-Melkert 3 Jahre lang gesammelt und nachgekocht. Freuen Sie sich auf Gerichte wie die belgische Zwiebeltorte mit Weichkäse, Zürcher Geschnetzeltes mit Rösti oder auch österreichischen Kaiserschmarrn. Wer schon jetzt neugierig geworden ist, kann sich bei Fredy de Martines von der luxemburgischen Fairkoperativ unter martinef@pt.lu oder +352 691 998 831 melden und das Kochbuch auf Deutsch oder Französisch bestellen. (Preis: 30€ für Luxemburg bzw. 31€ für Bestellungen aus dem Ausland, Versandkosten jeweils inbegriffen).

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