Liebe Bäuerinnen und Bauern, liebe Interessierte,

So mancher Preis sinkt derzeit wieder, und besonders im Supermarkt ist man zuweilen überrascht, wie zügig dies geschieht. Zum Beispiel Butter: 1,59 € für ein Päckchen – so lockt eine renommierte Supermarktkette mit ihren Super-Knallerpreisen. Die Wettbewerber folgen dem Trend: 1,49 € ab heute.

Die Einzelhandelsketten setzen bei ihrer Werbung dauerhaft auf Preissenkungen bei Milchprodukten. Noch Ende letzten Jahres musste man nahezu einen Euro mehr für die Butter bezahlen. Das alles passiert nicht zufällig. Alles in allem erfordert die Verfolgung und das Verständnis dieser Preisbewegungen sowohl eine sorgfältige Beobachtung des Markts als auch ein Verständnis der zugrundeliegenden Faktoren.

Schlagwörter wie Preisführer und Preis-Leistungs-Sieger lassen nichts Gutes erahnen. Wo es Gewinner gibt, gibt es in der Regel auch Verlierer, und das sind die ErzeugerInnen. Während sich viele KundInnen wohl über die Preisnachlässe freuen, bedeutet der Abwärtstrend für den Landwirt, dass er bei jedem Liter Milch, den seine Kühe gerade geben, draufzahlt. Ganz aktuell kalkuliert, liegen die Erzeugungskosten auf unserem Betrieb bei rund 0,45 bis 0,46 €. Und der Auszahlungspreis unserer Molkerei rückt jetzt gerade unter diesen Wert. Das heißt, dass ich am Ende des Monats überlegen muss, ob ich noch alle Rechnungen bezahlen kann.

Es ist wahr, Milch war zuletzt sehr teuer… für den Kunden. Käse kostete etwa 43% mehr als im Vorjahr. Für eine kurze Zeit haben Landwirte trotz hoher Futterpreise tatsächlich Geld verdient. Doch dann passierte wohl Folgendes: Weil es sich lohnte, produzierten einige Landwirte mehr. Gleichzeitig ging aber die Nachfrage wegen der hohen Preise zurück. Die Folge: ein Überangebot an Milch, die global exportiert und zum billigen Weltmarktpreis verkauft wird. Um die heimische Nachfrage wieder anzukurbeln, versuchten nun europäische Handelskonzerne, das Preisniveau zu drücken. Das bringt viele deutsche Höfe in die Verlustzone.

Obwohl die Energiekosten und die Vergütung für Landwirte bereits zurückgegangen sind, halten vor allem die verarbeitenden Betriebe, zum Beispiel Hersteller von Milchprodukten, ihre Preise auf hohem Niveau. Das bedeutet im Wesentlichen, dass die Hersteller von Milchprodukten Gewinne realisieren, nicht aber die Landwirte. Insbesondere internationale Akteure haben die letzten Monate genutzt, um im Schatten der allgemeinen Inflation finanziell zu profitieren. Großkonzerne wie Unilever oder Danone haben 2022 nach wie vor beachtliche Gewinne verzeichnet. Und auch im ersten Quartal 2023 melden sie erfreuliche Umsätze.

Der zugrundeliegende Mechanismus, der diese Situation ermöglicht, basiert darauf, dass Molkereien und Verarbeiter die Aufkaufpreise für Landwirte monatlich neu justieren. Sie selbst unterhalten jedoch mit dem Handel in der Regel langfristige Vereinbarungen. In den Vorjahren zeichneten sich hohe Energiekosten ab. Es wurden Absprachen getroffen, die daraufhin zu erhöhten Preisen führten – zu aufgeblähten Preisen für Trinkmilch, Joghurt, Rahm und dergleichen. Diese Verträge haben eine Laufzeit von beispielsweise einem halben Jahr. Wenn die Kosten in der Zwischenzeit fallen, ergibt sich ein gewisses Moment, bei dem man von einem Mitnahmeeffekt profitieren kann. Andererseits kann auch der Handel zeitweise von diesen Verträgen profitieren, alles ist ziemlich undurchschaubar.

Bei Marktuntersuchungen stoßen Verbraucherschützer auf unerklärliche Preisgestaltungen. Eine Stelle für Markttransparenz könnte hier eine mögliche Lösung darstellen. Exzesse in der Preisentwicklung sollten genauer geprüft und ergründet werden, um zu klären, inwieweit sie gerechtfertigt sind. Denn die Kosten für Lebensmittel werden wahrscheinlich noch eine Weile auf hohem Niveau bleiben. Kurzfristige Preisschlachten, wie sie derzeit bei Milchprodukten stattfinden, ändern daran wenig.

Die Situation, die sich dadurch aktuell am Markt darstellt, macht es dringend erforderlich, dass man seitens der EU die Stufe des freiwilligen Lieferverzichts einleitet und gegen eine angemessene Entschädigung Produktionskapazität aus dem Markt nimmt, bis er wieder ins Gleichgewicht kommt. Das hatte 2016 sehr gut funktioniert, und so würde man viele Familienbetriebe vor der erneuten Unterdeckung bewahren und ihnen für die Zukunft eine Perspektive geben.

Um unabhängiger zu werden, bauen wir zwischenzeitlich unsere Direktvermarktung aus. Der Käse, den wir hier auf dem Betrieb mit unserer eigenen Milch selbst herstellen, wird zum gleichen Preis angeboten wie der französische Schnittkäse im Supermarkt. Für die VerbraucherInnen muss es also nicht zwingend teurer sein, wenn auf dem Weg zu uns nicht so viele mitverdienen.

 

Elmar Hannen, Vorstandsmitglied im EMB und im Bund Deutscher Milchviehhalter (BDM)

Marktindikatoren (Stand 30.05.2023)

© wrangler/Shutterstock.com

Der Global Dairy Trade Index fiel am 16. Mai leicht um 0,9%, nachdem er zu den beiden vorangegangenen Terminen um 2,5 bzw. 3,2% gestiegen war. Seit Ende 2022 haben allerdings die Rückgänge beim Index überwogen.

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War die Milchproduktion 2022 rentabel?

© EMB

Durch die Abschaffung der Milchquoten mit den anschließenden Preisschwankungen hat die Rentabilität der Milchproduktion in den letzten Jahren massiv gelitten. Dank stark gestiegener Milchpreise verbesserte sich die Lage 2022 vorübergehend, aber im Durchschnitt haben die Betriebe weiterhin kaum Luft, um Rücklagen zu bilden.

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Wenn der Handel meint, sich alles (raus)nehmen zu dürfen!

© Uniterre

Nachdem der Milchmarkt durch die Übernahme einiger Verarbeiter ohnehin angespannt war, meint der Handel, diesen jetzt noch zusätzlich durcheinanderwirbeln zu müssen.

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Kühe rülpsen Methan, Wiesen speichern Kohlenstoff: Und so schließt sich der Kreis

© LDM

In Dänemark wird derzeit eine hitzige politische Debatte darüber geführt, wie hoch künftig Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft besteuert werden sollen. Die Vorschläge reichen von 100 über 150 bis zu 200 Euro pro Tonne CO2-Äquivalent. Der dänische Milcherzeugerverband LDM argumentiert, dass die Verdauungsprozesse von Kühen nicht besteuert werden sollten, da sie Teil des natürlichen Kohlenstoffkreislaufs sind.

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Litauen steht am Scheideweg

© LPGA

Die Lage im litauischen Milchsektor erreicht kritische Ausmaße. Der Rohmilchpreis befindet sich seit neun Monaten im raschen Sinkflug. Gleichzeitig ist auch die Anzahl der Milchviehbetriebe sowie die Gesamtanzahl der Milchkühe zurückgegangen. Zwischen dem jeweils ersten Quartal 2022 und 2023 sank die Anzahl der Milchkühe um über 4.000, was einem Rückgang von 2% entspricht. Es ist nicht überraschend, dass die Milchproduktion im gleichen Zeitraum ebenfalls um 3,6% zurückging.

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Milchmarktgipfel in Bayern

© Lukas Barth-Tuttas

Im Rahmen des bayerischen Milchgipfels, zu dem die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Bayerischen Landtag die verschiedenen Akteure des Milchmarkts auf Erzeugerebene eingeladen hatte, wurden die aktuelle Marktsituation und der sich daraus ergebende Handlungsbedarf diskutiert.

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