MILK-NEWS

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Liebe Milchbäuerinnen und Milchbauern, liebe MitstreiterInnen,

zu Beginn dieses neuen Jahres wünsche ich Ihnen allen nur das Beste, vor allem eine robuste Gesundheit in der aktuellen Lage. Weiterhin wünsche ich uns eine nachhaltige und kostendeckende Zukunft auf den Betrieben. Mit der Pandemie hat das Jahr auch das Wesen des Menschen erschüttert.

Ich möchte allen EMB-Mitgliedern danken, die mich bei der letzten Mitgliederversammlung mit Ihrer Stimme unterstützt haben, damit ich Belgien im Vorstand vertreten kann. Ich werde mich nach Kräften bemühen, die Werte und Visionen unserer Organisation bestmöglich zu verteidigen, und beginne mit meinem ersten Leitartikel in diesem Newsletter.

Wir wissen alle, dass uns ab diesem Jahr 2021 viele Herausforderungen ins Haus stehen. Wir starten in dieses Jahrzehnt 2021-2030, das im Zeichen der Umsetzung des „Green Deal“ und seiner Vision steht. Konkret bedeuten die Pläne von Herrn Timmermans eine Senkung des Pestizideinsatzes um 50%, der Antibiotika um 50% und eine Steigerung der Fläche, die für den biologischen Anbau genutzt wird, auf 25%. Bei den Vorbereitungen für die neuen strategischen Pläne der GAP, bei denen die Milcherzeuger Interessengemeinschaft (MIG) das EMB in Wallonien vertritt, wird uns bewusst, dass diese Ökomaßnahmen, die den Landwirten ein angemessenes Einkommen garantieren sollen, schwer zu realisierende Absichtserklärungen sind. Die letzten Debatten im Europäischen Parlament und die künftigen Gespräche im Trilog zeigen es. De facto sind viele Europaabgeordnete Hüter eines Systems, das wenig Veränderungen möchte (Fortsetzung des Systems der Flächenprämien) und in dem 20% der Landwirte 80% der Prämien erhalten werden. Allzu oft wird behauptet, dass die Ernährungsfunktion bei der GAP oberste Priorität habe, um Versorgungssicherheit und Ernährungssouveränität zu erhalten. Anders gesagt, müssen mehr Menschen auf dieser Erde zu geringen Kosten ernährt werden.

Und dabei fordern wir Landwirtinnen und -wirte doch nur eines: Wir möchten unseren Beruf ausüben und davon leben können; wir möchten bei fernab jeder Spekulation ermittelten Produktionskosten ein Einkommen erzielen.

Wir müssen für 2021 zuversichtlich bleiben – auch wenn die Produktion für die Monate Oktober und November erneut um 4% gestiegen ist. Wenn wir davon ausgehen, dass das neue Jahr ebenfalls dieser Kurve folgt, muss das EMB die Umsetzung des Marktverantwortungsprogramms fordern – ein temporäres Rückfahren der Menge in Krisenzeiten – damit wir einen für uns kostendeckenden Preis erhalten. Es bleibt zu hoffen, dass die Wahrnehmung unserer Interessen einfacher wird, weil wir die Akteure vor Ort wieder persönlich treffen können.

Bewahren wir uns alle die Zuversicht und unsere Gesundheit, damit wir das ordentlich vorbereiten können, was nach COVID-19 kommt.

 

Guy Francq, Vorstandsmitglied des EMB und Vorsitzender der MIG Belgien

Kostendeckung ist das A & O für eine nachhaltige Landwirtschaft

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Wie sollen die Landschaften, in denen wir leben, wirtschaften und uns erholen, in Zukunft aussehen? Wie wollen wir als Gesellschaft mit unserer Umwelt umgehen?

Wir als EU-Bürger möchten gesunde Naturräume mit einer Vielfalt an Pflanzen- und Tierarten.

 

 

Hecken, Feldraine und Einzelbäume an und auf Feldern und Weiden bieten Nutz- und Wildtieren Rückzugsorte und Nahrung. Sie verbessern das (Mikro-)Klima und laden zur Erholung ein. Durch angemessene Düngung und Humusaufbau erhalten wir gesunde Böden, die fruchtbar und gleichzeitig widerstandsfähig gegen Extremwetter sind. Hochwertige Lebensmittel werden darauf schonend mit lokal verfügbaren Ressourcen im Rahmen einer machbaren Kreislaufwirtschaft erzeugt. Die anschließende Vermarktung erfolgt fair und regional.

Wir wissen, dass diese Nachhaltigkeitsvision vielerorts nicht exakt die aktuelle Lage beschreibt. Um eine realisierbare Nachhaltigkeit zu erreichen, sind Bemühungen und Investitionen in allen Wirtschaftssektoren notwendig. Auch in der Landwirtschaft verursachen diese ambitionierten Ziele Kosten. Kosten, die wir als Gesellschaft tragen müssen, um tatsächlich mehr Nachhaltigkeit schaffen zu können. Sind wir als Gesellschaft bereit, diese Kosten ehrlich zu beziffern und gemeinsam zu tragen?

Schon aktuell werden Produktionskosten von Lebensmitteln auf die LandwirtInnen abgewälzt. Die Lage auf den Höfen ist angespannt. „Aktuelle Studien zeigen, dass sowohl bei konventioneller als auch Biomilch über ein Viertel der Produktionskosten durch die Preise nicht gedeckt sind“, benennt Sieta van Keimpema, niederländische Vorsitzende des europäischen Milcherzeugerverbands European Milk Board (EMB), die zentrale Herausforderung. Klar in Zahlen ausgedrückt, bedeutete das für die konventionelle Milcherzeugung 2018 umgerechnet einen durchschnittlichen Stundenlohn von 4,02 € für den Betriebsleiter und seine mitarbeitenden Familienmitglieder. Im Jahr 2019 waren die Preise so niedrig, dass die Bauern gar kein Einkommen aus der Milcherzeugung erzielen konnten. Der EMB-Vorstandsvertreter und Milcherzeuger aus Nordrhein-Westfalen Elmar Hannen präzisiert: „Nicht nur niedrige Preise drücken unsere Einkommen, sondern auch davon galoppierende Kosten durch steigende Auflagen oder den Klimawandel selbst.“ Daraus ergibt sich für van Keimpema folgende Grundvoraussetzung: „Der erste Schritt zu mehr Nachhaltigkeit ist die umfassende Deckung der Produktionskosten der ErzeugerInnen“.

Wie kann Kostendeckung erreicht werden, um ambitionierte Ziele angehen zu können?

Um kostendeckende Erzeugerpreise zu ermöglichen, besteht derzeit die Möglichkeit, im Kontext der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) einen faireren Rahmen abzustecken. Das EU-Parlament hat hierzu bereits einen guten Vorstoß geleistet. Für die laufenden Trilogverhandlungen zwischen EU-Rat, -Kommission und -Parlament fordert Hannen daher als ersten Schritt, insbesondere vonseiten der Mitgliedsstaaten: „Schließen Sie sich der zukunftsweisenden Position des Europäischen Parlaments zur Gemeinsamen Marktorganisation an. Ermöglichen Sie die Aufnahme effektiver Kriseninstrumente wie des freiwilligen Lieferverzichts in die neue GAP." Das hier angedachte temporäre Rückfahren der Milchmenge in Krisenzeiten hilft, sehr schwere Krisen und schädliche Überproduktion zu vermeiden. Zuletzt wiesen z. B. auch TierschützerInnen darauf hin, dass zunächst bestehende grundsätzliche Mängel in Form von schlechten Preisen angegangen werden müssen, bevor LandwirtInnen weitere Nachhaltigkeitsschritte gehen können. Denn derzeit wird weder die Arbeit der ErzeugerInnen noch deren bereits geleisteter Einsatz für Umwelt, Tierwohl und Klima ausreichend finanziell abgeglichen.

Wie kann die Nachhaltigkeit des Green Deal gelingen?

Um sich der angestrebten Nachhaltigkeitsvision anzunähern, sind von allen Sektoren weitaus ambitioniertere Schritte als bisher notwendig. Leitlinien hierzu finden sich bereits in politischen Konzepten, die die Ambitionen höherstecken, wie beispielsweise der Europäische Green Deal und seine "Vom Hof auf den Tisch"-Strategie. Diese Konzepte müssen allerdings darlegen, wie die notwendigen Investitionen finanziert werden können und zudem zuvor genau analysieren, welche Effekte sie wirklich auf die EU und global haben werden. Zudem müssen bei der Erstellung von Nachhaltigkeitsstrategien diejenigen eingebunden werden, die letztlich die Arbeit machen. „Wenn die Kosten für zusätzliche Anforderungen gedeckt sind, sind wir natürlich bereit, noch mehr in puncto Nachhaltigkeit zu leisten. Dies ist uns bereits von Berufs wegen ein Anliegen“, so der stellvertretende EMB-Vorsitzende Kjartan Poulsen aus Dänemark. Dabei sei zu empfehlen, auf positive finanzielle Anreize zu setzen, um Nachhaltigkeit erfolgreich nach vorn bringen. Er führt weiter aus: „Wir Bäuerinnen und Bauern, die auf unseren Betrieben in der Mitte des Geschehens stehen, sehen tagtäglich, dass es für faire Preise auch einer tatsächlichen Stärkung der Marktposition der LandwirtInnen bedarf.“ Außerdem fordert Poulsen auf geostrategischer Ebene ein wirksames Bekenntnis zu regionaler und qualitativ hochwertiger Produktion ohne Einfallstore in Freihandelsabkommen. Dazu gehören auch Instrumente wie das Marktverantwortungsprogramm, das auf unvorhersehbare geostrategische Ereignisse effektiv reagieren und so Nachhaltigkeitsschäden vermeiden kann.

Unter diesen Voraussetzungen wird es LandwirtInnen möglich sein, dazu beizutragen, eine erstrebenswerte machbare Nachhaltigkeitsvision zu erreichen. Außerdem ermöglicht dies auch die gesicherte Hofübernahme durch Folgegenerationen – eine Voraussetzung dafür, dass diese Nachhaltigkeit für Umwelt und Klima langfristig existieren kann.

Engagierte LandwirtInnen und KonsumentInnen setzen sich bereits heute gemeinsam und aus eigener Kraft für eine nachhaltigere Milchproduktion ein, wie das Projekt Die faire Milch zeigt. Sie wird von den MilcherzeugerInnen in mehreren europäischen Ländern selbst auf den Markt gebracht und belegt, dass kostendeckende Preise auch bei höheren Standards möglich sind. Damit sie aber nicht nur in einer Nische existieren, sondern auch auf dem allgemeinen Milchmarkt Fuß fassen können, bedarf es – wie oben beschrieben – des richtigen gesamtgesellschaftlichen und politischen Rahmens.

Pressedossier hier herunterladen

 

Pressemitteilung des European Milk Board zur IGW vom 20. Januar 2021

Marktindikatoren (Stand 25.01.2021)

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Nach einem kurzen Einbruch von 2,0% Anfang November steigt der Global Dairy Trade Index seit 17. November 2020, zuletzt am 19. Januar um deutliche 4,8% (davor +3,9%). Der Durchschnittspreis für italienische Spotmilch fällt im Januar vorläufig erneut, im Vergleich zum Vormonat um 2,33% auf 34,31 Cent pro kg (-13,69% im Vergleich zu Januar 2020). 

 

Der EU-27-Milchpreis fällt für Dezember knapp um 0,17% und wird mit 35,34 Cent pro kg angegeben, nachdem er im November bereits um 1,03% gefallen war. Die EU-Butterpreise liegen bei 342 Euro pro 100 kg, was einen Anstieg um 1,8% im Vergleich zur Vorwoche und eine Zunahme um 1,2% in den letzten vier Wochen bedeutet. Auf die letzten drei Monate geblickt, folgte auf die Preisstabilität im Herbst bei knapp 350 Euro pro 100 kg ab Anfang Dezember bis Anfang Januar ein Rückgang um 3,5%. Die Preise für EU-Magermilchpulver betragen aktuell 226 Euro pro 100 kg, womit sie im Vergleich zur Vorwoche 1,3% und im Vier-Wochen-Vergleich um 1,8% stiegen. Das letzte Vierteljahr war geprägt von relativ stabilen Herbstpreisen um 214-217 Euro pro 100 kg. Seit Anfang Dezember steigen die Preise tendenziell.

Die Kurse für Futures auf Milcherzeugnisse an der European Energy Exchange (EEX) bewegen sich aufwärts. Die Kontrakte für Magermilchpulver für April 2021 stiegen zum 22. Januar zum Beispiel um 6,0% auf 2.380 Euro pro Tonne im monatlichen Vergleich. Für Butter stiegen sie im selben Zeitraum um 1,8% und stehen nun bei 3.500 Euro pro Tonne.

 

European Milk Board, Januar 2021

Aktuelle Kosten der deutschen Milcherzeugung: 46,69 ct/kg für Oktober 2020

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© EMB

Laut der vierteljährlich aktualisierten Kostenstudie des Büros für Agrarsoziologie und Landwirtschaft (BAL) betragen die Produktionskosten – mit aktuellem Stand Oktober 2020 – 46,69 Cent pro kg, während der durchschnittliche Auszahlungspreis in der gleichen Zeit bei nur 32,64 Cent pro kg lag. Somit fehlten den ErzeugerInnen in Deutschland insgesamt 14,05 Cent pro kg zur Kostendeckung.

 

Entwicklung der Milcherzeugungskosten in Deutschland

Hier finden Sie die Entwicklung der Kostensituation in der Milchproduktion in Deutschland von 2014 bis Oktober 2020.

Preis-Kosten-Ratio (Unterdeckung)
Die Preis-Kosten-Ratio verdeutlicht, inwieweit das Milchgeld die Produktionskosten deckt. Im Oktober 2020 erwirtschafteten die ErzeugerInnen nur 70% ihrer Produktionskosten über den Milchpreis; die Unterdeckung betrug somit 30%.
Sehen Sie hier die Kostenunterdeckung seit 2014:

 

 

Milch-Marker-Index (MMI)
Der Milch-Marker-Index (MMI) zeigt die Entwicklung der Kosten der Milchproduktion auf. Der MMI hatte im Oktober 2020 einen Wert von 113, d. h. dass die Produktionskosten für deutsche MilcherzeugerInnen im Vergleich zum Basisjahr 2015 (2015 = 100) um 13 Prozent gestiegen sind.
Hier sehen Sie den Milch-Marker-Index im zeitlichen Verlauf:

 

Neu: Biokostenstudie
Für Deutschland gibt es seit November 2019 nun auch Informationen zu den Milcherzeugungskosten im Biobereich.
Hier finden Sie die Studie "Was kostet die Erzeugung von Biomilch?" (Zeitraum: Wirtschaftsjahre 2011/12 – 2018/19) sowie die Aktualisierung für das Wirtschaftsjahr 2019/20.

Studie zu den Produktionskosten sechs wichtiger Milcherzeugungsländer
Nicht nur in Deutschland, sondern auch in fünf weiteren Ländern werden regelmäßig Kostenberechnungen durchgeführt. Auch dort wird deutlich, dass MilcherzeugerInnen keine kostendeckenden Milchpreise erhalten.
Hier finden Sie die Berechnungen der Milchproduktionskosten in Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Luxemburg und den Niederlanden für das Jahr 2017 sowie in diesem Video eine Übersicht der Zahlen.

Kosten der Milchproduktion chronisch unterdeckt – was schafft Abhilfe?
Das European Milk Board schlägt die gesetzliche Verankerung eines Kriseninstruments vor, um der chronischen Unterdeckung entgegenzuwirken. Das Marktverantwortungsprogramm (MVP) beobachtet und reagiert auf Marktsignale durch eine Anpassung der Produktion.
Sehen Sie hier eine kurze Beschreibung des Marktverantwortungsprogramms des EMB.

 

Hintergrund:
Für die Studie „Was kostet die Erzeugung von Milch?“ hat das Büro für Agrarsoziologie und Landwirtschaft (BAL) 2012 im Auftrag des European Milk Boards und der MEG Milch Board erstmals die Milcherzeugungskosten in Deutschland flächendeckend berechnet. Die Kalkulation basiert auf Daten des Informationsnetzes landwirtschaftlicher Buchführungen der EU (INLB) sowie des Statistischen Bundesamtes (Destatis) und wird seit 2014 vierteljährlich aktualisiert.

Datenblatt herunterladen

 

Pressemitteilung des European Milk Board vom 15. Januar 2021

ErzeugerInnen zählen auf Mitgliedsstaaten und EU-Kommission, dass sie im Trilog den wichtigen Kriseninstrumenten zustimmen

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© Europäisches Parlament

Auf EU-Ebene verhandeln derzeit Parlament, Rat und Kommission in einem Trilog über die Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Das Europäische Parlament hatte dafür am 23. Oktober 2020 seine Position zur Reform der Gemeinsamen Marktorganisation innerhalb der GAP beschlossen. Darin enthalten sind gute Vorschläge, die es erlauben, die Landwirtschaft im Allgemeinen und den Milchsektor im Besonderen krisenfester zu machen.

 

Position des EU-Parlaments

Eingang in diese Position fand unter anderem der freiwillige Lieferverzicht (als Artikel 219a*) für Zeiten schwerer Marktkrisen. Vorgesehen wäre damit, dass bei einem sich anbahnenden, starken Preisverfall auf EU-Ebene den Erzeugern angeboten wird, für einen bestimmten Zeitraum ihre Produktion um wenige Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum zu senken. ErzeugerInnen, die dieses Angebot annehmen, erhalten eine Kompensation für jeden nicht produzierten Liter Milch.

Die Tatsache, dass uns MilcherzeugerInnen im letzten Jahrzehnt drei schwere Krisen trafen – die Krisen in den Jahren 2009, 2012 sowie 2015-17 – unterstreicht die Notwendigkeit solcher Instrumente. Lediglich in der dritten Krise, als im Juni 2016 im EU-Schnitt nur noch 25,7 ct/kg bezahlt wurden, ermöglichte die EU nach langem Zögern einen freiwilligen Lieferverzicht. Sobald dieser aktiv war, begannen die Preise sich rasch zu erholen. Innerhalb weniger Monate kletterten sie von weit unter 30 auf 33,4 ct/kg (Januar 2017).

Auf den Milchsektor bezogen, ist festzustellen: Der freiwillige Lieferverzicht funktioniert! Schon relativ kleine Reduktionen können einen wichtigen, positiven Effekt auf den Preis haben, wie sich auch 2016/17 noch einmal gezeigt hat. Sollte es sich um eine sehr schwere Krise handeln, bei der ein alleiniger freiwilliger Lieferverzicht nicht ausreicht, empfiehlt das Europäische Parlament, das Instrument noch effektiver zu machen: Für einen kurzen Zeitraum sollte dann der einzelne Erzeuger seine Produktion nicht steigern dürfen, damit die Reduktionen der EU-KollegInnen ihre volle Wirkung entfalten können (Artikel 219b*).

Notwendigkeit, dass EU-Rat und Kommission den Lieferverzicht noch bestätigen

Wir begrüßen es sehr, dass die EU-Abgeordneten die vergangenen Krisensituationen analysiert und für unseren Sektor wichtige Schlüsse gezogen haben. Damit verfügt schon ein wichtiger Akteur der aktuellen Trilogverhandlungen über eine zukunftsweisende Position. Allerdings haben weder der Rat noch die Kommission der EU dieses Instrument in ihren bisherigen Positionen vorgesehen. Es ist nun essentiell, dass sowohl die zögernden Mitgliedsstaaten als auch die EU-Kommission die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit des Instruments erkennen und in den laufenden Trilogverhandlungen der Festschreibung des Instruments in der Gemeinsamen Marktorganisation den Weg frei machen.

Eine gesetzliche Verankerung des Instruments ist insofern nötig, als dass vergangene Krisen zeigen, dass ohne diese gesetzliche Implementierung die große Gefahr besteht, dass das Instrument nicht (siehe erste und zweite Krise) oder erst zu spät (siehe dritte Krise) genutzt wird.

Damit es zeitnah eingesetzt wird, ist es allerdings noch wichtig, klar zu definieren, wann der Einsatz geschaltet werden soll. Sehr positiv ist, dass das Europäische Parlament in seinen Vorschlägen auch einen sogenannten Frühwarnmechanismus vorsieht. Dieser müsste allerdings noch verbessert werden, indem eine angemessene Krisendefinition eingefügt und mit der Schaltung des freiwilligen Lieferverzichts verbunden wird, um hier einen tatsächlich wirkungsvollen Schaltmechanismus zu erhalten.

Die Wirksamkeit des Instruments ist nicht zu bestreiten. Denn 2016/17, als der freiwillige Lieferverzicht ausgeschrieben wurde, konnten interessierte EU-LandwirtInnen gegen eine Entschädigung für ihre nicht produzierte Milch tatsächlich mit ihren KollegInnen koordiniert dafür sorgen, dass man gemeinsam zügig aus der Krise kommt. Über 48.000 ErzeugerInnen – mehr als erwartet – übernahmen hier kollektiv Verantwortung für den Milchsektor, so dass die Funktionsfähigkeit des Markts stabilisiert werden konnte.

Warum funktioniert das Instrument für schwerwiegende Krisen?

Das Instrument bietet den Vorteil, dass Milchüberschüsse gar nicht erst produziert und beispielsweise zu billigem Milchpulver verarbeitet werden.

  • Aufgetürmtes Pulver übt einen sehr starken Druck auf die Preise aus. Dieser Druck existiert auch weiter, wenn das Pulver in die Intervention genommen wird. Von hier aus verhindert es weiterhin, dass sich Preise erholen können.

  • Neben diesem negativen Druck auf die Preise verschwendet Überproduktion zudem wertvolle Ressourcen und bedroht beim Export billiger Überschussprodukte die Existenzgrundlage der KollegInnen des Milchsektors im globalen Süden.

Wir können in Krisenzeiten all dem komplett aus dem Weg gehen, wenn ein freiwilliger Lieferverzicht EU-weit geschaltet wird. Denn damit wird direkt auf Ebene der Rohmilchproduktion angesetzt, also auf der Ebene, auf der die eigentliche Überschussproduktion stattfindet. Das Instrument unterbricht und beendet die problematische Überschusskette direkt zu Beginn und bringt den tatsächlich von der Krise Betroffenen die notwendige Erleichterung. Denn wir ErzeugerInnen sind es, die hohe Verluste machen, nicht die VerarbeiterInnen!

Daher plädieren wir dafür, dass dieses Kriseninstrument Eingang in die finale Gemeinsame Marktorganisation findet. Wir rufen neben der EU-Kommission und dem Rat auch weitere Bauernorganisationen dazu auf, sich für dieses Instrument für ihre ErzeugerInnen einzusetzen und von Ausflüchten oder einem Arbeiten gegen den freiwilligen Lieferverzicht abzusehen.

 

Sieta van Keimpema, EMB-Vorsitzende aus den Niederlanden

Kjartan Poulsen, EMB-Vizevorsitzender aus Dänemark

Elmar Hannen, EMB-Vorstandsmitglied aus Deutschland

Boris Gondouin, EMB-Vorstandsmitglied aus Frankreich

Roberto Cavaliere, EMB-Vorstandsmitglied aus Italien

Guy Francq, EMB-Vorstandsmitglied aus Belgien

 

* Position des EU-Parlaments: P9_TA(2020)0289 „Gemeinsame Agrarpolitik: Änderung der GMO-Verordnung und weiterer Verordnungen“

 

Pressemitteilung des European Milk Board vom 14. Dezember 2020

„Unsere Auffassung, auch innerhalb der EVP, ist (...), dass der europäische Agrarsektor echte Kriseninstrumente braucht.“

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© Àlvaro Amaro

Álvaro Amaro gehört der Fraktion der Europäischen Volkspartei im Europäischen Parlament an. Der 67-jährige Portugiese sitzt dort seit Juli 2019 im Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung. Wir haben den ehemaligen Staatssekretär im Agrarministerium und Abgeordneten des portugiesischen Parlaments nach seiner Meinung zum Agrarsektor gefragt.


Welche Erwartungen hegen Sie für den portugiesischen Ratsvorsitz, vor allem im Hinblick auf die Zukunft der europäischen Landwirtschaft?

Der portugiesische Ratsvorsitz hat sehr hohe Erwartungen an den Abschluss der GAP-Reform, aber auch an die Umsetzung des Green Deal. Eine der portugiesischen Prioritäten ist ja gerade, die Abhängigkeit der EU von Drittstaaten bei kritischen Gütern und Technologien durch Investitionen in Innovationen zu verringern und die Versorgungssicherheit bei Nahrungsmitteln zu verbessern. So wie die Dinge derzeit stehen, denke ich nicht, dass dieses Ziel mit den Absichten der Strategien „Vom Hof auf den Tisch („Farm to Fork“) und zum Erhalt der Artenvielfalt vereinbar ist. Ministerin Maria do Céu Antunes steht hier vor einer großen Herausforderung.

Ich denke, dass ein Großteil der Fertigstellung der künftigen GAP während des portugiesischen Ratsvorsitzes stattfinden wird. Es wäre tatsächlich ideal, wenn der Prozess vor dem Sommer abgeschlossen würde. Ich hoffe sehr, dass die portugiesische Regierung ernsthaft in dieses Ziel investieren wird, nicht zuletzt aufgrund der weitreichenden Bedeutung.

Wie sehen Sie die Position des Parlaments zur Gemeinsamen Marktorganisation? Was halten Sie von den vorgeschlagenen Kriseninstrumenten?

Der Standpunkt des Parlaments wurde viel kritisiert. Unsere Auffassung, auch innerhalb der EVP, ist jedoch, dass der europäische Agrarsektor echte Kriseninstrumente braucht. Mit der heutigen Situation ist niemandem gedient. Die Anwendung dieses Instruments löst das Problem nicht, sondern hebt es vielmehr auf die nationale Ebene mit Auswirkungen vom Sektor bis zum Weltmarkt. Es gab leider Krisen und dennoch kam das Tool noch nicht zum Einsatz...

Ich würde sagen, dass das Problem nicht darin liegt, dass diese Notwendigkeit nicht erkannt wird. Sondern es mangelt vielmehr am Geld: Geld, das die Mitgliedstaaten bedauerlicherweise nicht bereit sind, zum Nutzen und für die Zukunft der europäischen Landwirtschaft einzusetzen.

Einerseits formulieren die EU-Kommission und die Gesellschaft ehrgeizige Nachhaltigkeitsziele, die die Kosten für die Landwirte vermutlich erhöhen. Andererseits möchten die meisten Landwirte gern nachhaltig produzieren, aber derzeit erhalten viele von ihnen einen Preis, der ihre Produktionskosten nicht in voller Höhe deckt. Wie kann der Europäische Green Deal für die Landwirtschaft funktionieren?

Das ist die Gretchenfrage! Die Kommission argumentiert, dass der Green Deal zu höherer Wertschöpfung bei Agrarerzeugnissen führen wird. Das bezweifle ich, oder zumindest nicht im erwarteten Umfang. Was den Konsum betrifft, achten die Menschen vorrangig auf den Preis, obwohl die Bedeutung dieses Faktors in den letzten Jahren abgenommen hat. Darüber hinaus schließt der gerechte Wert, den man für viele dieser Erzeugnisse zahlen müsste, Millionen von Verbraucher*innen mit geringem Einkommen vom Markt aus. Wir werden dann die europäische Erzeugung durch Produktion in Drittstaaten ersetzen. Aber zu welchen sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Kosten?

Der Weg ist die Ökologie, aber Land- und Forstwirt*innen müssen für ihre Schlüsselrolle besser entlohnt werden.

Herr Amaro, vielen Dank für das Gespräch.

 

Simon Bauer, European Milk Board

Gemeinsam sind wir stark!

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Wer hätte das gedacht! Nach einem Jahr großer Bauernproteste für und gegen Düngeverordnung, Bauern-Bashing, Insektenschutz, aber auch Agrarwende oder GAP-Reform sind wir schließlich beim Schlüsselthema für den Fortbestand der bäuerlichen Landwirtschaft und die Existenzsicherung möglichst vieler Betriebe angekommen: bei den Erzeugerpreisen für Lebensmittel.

 

Es begann Anfang November mit Aktionen frustrierter und wegen erneuter Rabattschlachten erboster Bäuerinnen und Bauern bei einigen Zentrallagern der großen Lebensmittelhändler im Nordwesten. Dann folgten die koordinierten Aktionen der im Milchdialog zusammengeschlossenen Verbände bei Verarbeitern wie Molkereien und Schlachtkonzernen. Schon hier ging die Beteiligung weit über das sonst übliche Maß teilweise hinaus. Und schließlich wendete sich der Protest wieder gegen die LEH-Zentrallager, diesmal aber mit vielen hundert Teilnehmern, teilweise mit schwerem Gerät und langanhaltenden Blockaden über Tage und Nächte. Die meist jungen Demonstrierenden trotzten Kälte, schlechtem Wetter, Druck seitens der Polizei und Mäßigungsaufrufen von Verbandsfunktionären. Regale und Truhen von Geschäften im Nordwesten blieben leer und die Protestaktionen erfassten auch andere Regionen.

Die starke Beteiligung und die Entschlossenheit der Teilnehmenden machen deutlich, wie verzweifelt die Lage auf vielen Höfen mittlerweile ist. Hier ist es das Verdienst des Milchdialogs, mit ganz klaren Preisforderungen wie 15 Cent mehr pro Liter Milch oder 50 Cent mehr für ein Kilo Schweinefleisch das Ausmaß der Kostenunterdeckung deutlich gemacht zu haben. Das hat den Nerv der Bäuerinnen und Bauern getroffen!

Der um sein Weihnachtsgeschäft besorgte Lebensmitteleinzelhandel lenkt ein, überbietet sich mit teils auch werbewirksamen Hilfsangeboten für die Tierhalter, und es finden eine Vielzahl von Gesprächen und Verhandlungsrunden in unterschiedlichster Zusammensetzung statt. Der Bauernverband ist dabei merkwürdig still und das sollte auch so bleiben, hat er doch schon vor vielen Jahren jeglichen Einsatz für faire Erzeugerpreise aufgegeben. Andere machen jetzt seinen Job und auch den Job, den eigentlich die Verarbeiter machen sollten. Diese sind in der Pflicht, die Zugeständnisse, die die Bauern erkämpfen, durchzusetzen und Mehrerlöse eins zu eins an ihre Zulieferer weiterzuleiten. Und neben schnellen sofortigen Preiserhöhungen braucht es natürlich längerfristig eine deutliche, dauerhafte Verbesserung der Marktposition von Bäuerinnen und Bauern, damit sie in Verhandlungen auf Augenhöhe ihre Produktionskosten und die Entlohnung ihrer Arbeit bei den Abnehmern geltend machen können. Dabei ist wieder die Politik gefordert, die sich nicht aufs Moderieren von Gesprächsrunden beschränken darf, sondern Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft gestalten muss.

Unser Vorteil ist der neue Schulterschluss von alten Hasen mit ihrer Erfahrung und ihren guten Lösungskonzepten und von jungen Wilden mit ihrer Kreativität und ihrem Kampfesmut. Wenn es uns gelingt, die Einigkeit unter den Bäuerinnen und Bauern und den Verbänden, denen wirklich am Erhalt bäuerlicher Existenzen gelegen ist, aufrechtzuerhalten, dann können wir eine klare Botschaft senden: Wir lassen uns von unseren „Partnern“ in der Wertschöpfungskette, von alten Interessenvertretungen und der Politik nicht länger im Kreis schicken und an der Nase herumführen! Wer sich jetzt weigert, seinen Beitrag zur schnellen und grundlegenden Verbesserung der Situation auf den Höfen zu leisten, muss damit rechnen, bei der nächsten Aktion in den Fokus zu geraten. Gemeinsam sind wir stark!

 

Auszug aus dem Artikel von Ottmar Ilchmann, Milchbauer und Landesvorsitzender AbL Niedersaschsen, erschienen in der Januarausgabe der Unabhängigen Bauernstimme

Bestimmung der Zellzahlen: Neuer Standard infolge bisheriger Überschätzung

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Weltweit gibt es 22 unterschiedliche Messstandards für die Bestimmung des somatischen Zellgehalts von Rohmilch. Angesichts dieser Tatsache hat die International Dairy Federation (IDF) sich für die Entwicklung eines zertifizierten Referenzmaterials (CRM) eingesetzt. Auch in Frankreich soll dieser internationale Standard nun zur Anwendung kommen.

 

Neben dem Einsatz der besten verfügbaren Messtechnik geht es darum, Unterschiede bei den Ergebnissen zur Milchqualität auf internationaler Ebene zu vermeiden. Das zertifizierte Referenzmaterial ist seit dem 20. Februar 2020 verfügbar und tritt in Frankreich am 1. April 2021 für alle Milcharten (Kuh-, Ziegen- und Schafsmilch) in Kraft.

Nach ersten Informationen des Branchenverbands der französischen Milchwirtschaft (CNIEL) würden die Ergebnisse durch die Anwendung des neuen Maßstabs im Vergleich zu bisherigen Zellzahlmessungen um bis zu 20% vermindert. Dieser deutliche Rückgang würde es zahlreichen Milcherzeugern ermöglichen, Abschläge im Zusammenhang mit ihrer Milchqualität zu vermeiden und somit bessere Milchpreise zu erzielen. Nichtsdestotrotz offenbart diese Anpassung die Tatsache, dass die französischen ErzeugerInnen bei der Bestimmung der Milchqualität bisher zu strengen Vorschriften unterlagen, welche sich seit vielen Jahren zu ihren Ungunsten ausgewirkt haben.

Mehrere veterinärmedizinische Studien bestätigen Überschätzung

Bereits 2009 hatte die Société Nationale des Groupements Techniques Vétérinaires (SNGTV) Unterschiede zwischen dem offiziellen in den Laboren verwendeten Verfahren und privaten (z. B. in bestimmten Milchrobotern genutzten) Methoden festgestellt.

Zur Bestätigung dieser Informationen wurden 2017 Proben standardisierter Milch in verschiedene europäische Länder (Deutschland, Belgien, Spanien, Italien und das Vereinigte Königreich) versandt, um die von den französischen Laboren verwendete Methode mit der ihrer europäischen Pendants zu vergleichen. Das Ergebnis zeigte erneut eine deutliche Überschätzung von etwa 25%. Die Ähnlichkeit der in den anderen europäischen Ländern erzielten Ergebnisse deutet jedoch auf die Verwendung vergleichbarer oder sogar identischer Messstandards für die Bestimmung des somatischen Zellgehalts hin.

Weitreichende Konsequenzen für Landwirte

Gemäß Verordnung (EG) Nr. 853/2004 darf der Gehalt an somatischen Zellen in angelieferter roher Kuhmilch bei höchstens 400.000 Zellen pro Milliliter liegen. Die in der Branche üblichen Hygienekriterien sehen anhand von Milchvergütungsrastern verschiedene Grenzwerte für somatische Zellzahlen vor, über die je nach Region und Molkerei verschiedene Zu- und Abschläge zur Anwendung kommen.

Die von Tierärzten veröffentlichten Ergebnisse zeigen, dass französische Milcherzeuger aufgrund der wahrscheinlichen Überschätzung der Zellzahlen im Vergleich zu ihren europäischen Berufskollegen benachteiligt sind. So mussten zahlreiche Milcherzeuger aufgrund von über dem gesetzlichen Grenzwert liegenden Zellzahlen Abschläge hinnehmen, was in einem Nachbarland nicht unbedingt der Fall gewesen wäre.

Nach den Ergebnissen des Branchenverbands der Milcherzeugungsregion Grand Ouest (CILOUEST) im Westen Frankreichs lagen im Jahr 2019 ca. 10 % der Rohmilchmessungen über der vorgeschriebenen somatischen Zellzahl von 400.000 Zellen/ml. Dies hatte aufgrund der daraus resultierenden Qualitätsabschläge, der Aussetzung der Milchabholung, der vorzeitigen Schlachtung von Milchkühen sowie anderer Maßnahmen für die Milchviehbetriebe erhebliche finanzielle Einbußen zur Folge, auch wenn diese schwer zu schätzen bleiben.

 

Sophie Lenaerts, Verantwortliche der Abteilung Milch der Coordination Rurale

Impressum

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