MILK-NEWS

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Liebe Milchbäuerinnen und Milchbauern, liebe MitstreiterInnen,

im Juli haben wir einen außergewöhnlichen und entscheidenden Moment für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) erlebt. Das Europäische Parlament, die Europäische Kommission und der Rat haben sich vor kurzem auf einen Kompromiss für die Gemeinsame Agrarpolitik verständigt. Dieser muss noch offiziell verabschiedet werden, bevor die Mitgliedstaaten ihre nationalen Umsetzungsmaßnahmen ausarbeiten müssen.

Natürlich löst dieser Kompromiss nicht alle Probleme im Milchsektor. Das Dossier der Gemeinsamen Marktorganisation (GMO) der GAP enthält jedoch einige gute Ergebnisse, die der unermüdlichen und engagierten Arbeit des EMB und seiner Mitglieder zu verdanken sind.

Zu diesen guten und wichtigen Instrumenten zählen die freiwillige Mengenreduzierung in Krisenzeiten und die Stärkung der Marktbeobachtungsstellen, die hoffnungsfroh stimmen. Das erstgenannte Instrument, das in Artikel 219 der GMO geregelt wird, ermöglicht es den ErzeugerInnen, in Krisenzeiten die Überproduktion zu reduzieren (die erstmals als solche im Text genannt wird), um den Preis wieder aus dem Keller zu holen. Die Teilnehmenden werden für die nichtgelieferte Menge entschädigt und können so die Entwicklung des Sektors selbst gemeinsam in die Hand nehmen. Es ist das einzige Instrument, das sich in den letzten Krisen als effektiv und wirksam erwiesen hat. Der zweite große Fortschritt ist die Stärkung der Beobachtungsstelle für den Milchmarkt und die Einrichtung neuer Beobachtungsstellen für andere Sektoren. Artikel 222 der GMO ermöglicht es, Krisen besser vorzugreifen. Darüber hinaus liefert er die Mittel, um den Agrarsektor insgesamt zu stabilisieren und transparenter zu machen.

Infolge des Klimawandels und des gestiegenden Drucks, der von zusätzlichen gesellschaftlichen Anforderungen ausgeht, versucht die Reform der GAP auch, Umweltaspekte stärker zu berücksichtigen. Bei allen positiven Entwicklungen in der GMO kann ich leider nicht das Gleiche von der wirtschaftlichen Nachhaltigkeit unserer Betriebe behaupten. Wir brauchen einen Milchpreis, der uns MilcherzeugerInnen Respekt zollt. Viele von uns sind am Ende, und die vor kurzem veröffentlichte Kostenstudie belegt diesen Gemütszustand mit klaren Zahlen. Die wirtschaftliche und soziale Wertschätzung der Bauern und Bäuerinnen und der Respekt der Natur und Umwelt sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Das eine Ziel kann ohne das andere nicht erreicht werden.

Dennoch sind die Vorstöße in der GMO wichtige Meilensteine, die noch vor wenigen Jahren unmöglich erschienen. Dass wir diese wichtigen Schritte erzielen konnten, ist dem Einsatz unserer Mitglieder, den Demonstrationen und Aktionen, den Gesprächen und Treffen mit den Ministern und den Europaabgeordneten zu verdanken. Ich möchte allen danken, die zu diesem Erfolg beigetragen haben. Grazie a tutte e tutti!

Natürlich bedeuten diese Kompromisse noch keine konkreten Ergebnisse für unsere Höfe. Im Moment ist es noch nur ein Papier. Wir dürfen daher nicht nachlassen! Bewahren wir uns unseren Optimismus und unsere Hoffnung, setzen wir unseren Kampf fort und üben wir Druck aus, um konkrete Ergebnisse und kostendeckende Preise zu erzielen!

Ich wünsche allen einen schönen und stressfreien Sommer und eine gute Ernte!

 

Roberto Cavaliere, EMB-Vorstandsmitglied und Vorsitzender der APL Italien

Marktindikatoren (Stand 15.07.)

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© EU Milk Market Observatory

Der Global Dairy Trade Index fiel am 6. Juli zum sechsten Mal in Folge und zwar mit -3,6% recht deutlich. Er liegt aber nach wie vor so hoch wie seit Frühjahr 2014 nicht mehr. Seit dem Höchststand Anfang März besteht jedoch eine fallende Tendenz.

 

 

Der Durchschnittspreis für italienische Spotmilch geht im Juni den zweiten Monat in Folge deutlich nach oben, im Vergleich zum Vormonat um 9,72% auf 37,25 Cent pro kg (+19,66% gegenüber Juli 2020). Für den Juli zieht er deutlich um 7,73% auf 40,13 Cent pro kg (vorläufiger Wert) an, womit sich der starke Anstieg fortzusetzen scheint.

Der EU-27-Milchpreis steigt für Juni um 0,6% und wird mit 35,95 Cent pro kg angegeben und setzt damit seine leicht steigende Tendenz im Nachkommabereich seit Februar fort. Die EU-Butterpreise liegen bei 397 Euro pro 100 kg, was einen Rückgang um 0,7% im Vergleich zur Vorwoche und um 3,2% in den letzten vier Wochen bedeutet. Ende Mai und im Juni waren mit 410 Euro pro 100 kg und mehr erneut Höchstpreise erreicht worden.

Die Preise für EU-Magermilchpulver betragen aktuell 252 Euro pro 100 kg, womit sie im Vergleich zur Vorwoche um 1,2% und im Vierwochenvergleich um 2,7% fielen. Durch den fast kontinuierlichen Preisanstieg seit dem Jahreswechsel war Anfang Juni mit 260 Euro ein Höchstwert seit Ausbruch der Covid-19-Pandemie erreicht worden. Seither fällt der Preis leicht.

Die Kurse für Futures auf Milcherzeugnisse an der European Energy Exchange (EEX) deuten tendenziell abwärts. Die Kontrakte für Magermilchpulver für September 2021 gingen zum 15. Juli zum Beispiel um 3,6% zurück auf 2.578 Euro pro Tonne im Monatsvergleich. Für Butter fielen sie im selben Zeitraum sogar um 5,4% auf nunmehr 3.850 Euro pro Tonne. Bei beiden Produkten hatten die Kurse Anfang März ein deutliches Zwischenhoch erreicht.

 

European Milk Board, Juli 2021

Aktuelle Milchkostenstudie zeigt hohen Aufwand, jedoch nur geringes bis gar kein Einkommen für Landwirte in der ganzen EU

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© EMB

Es ist ein kompaktes und hoch informatives Werk, das seit heute den MilcherzeugerInnen in Europa zur Verfügung steht. Die aktuelle Studie "Was kostet die Erzeugung von Milch?" übersetzt die Situation der EU-Milchbetriebe in deutliche und belastbare Zahlen. Neben den Kosten der Milchproduktion in acht wichtigen Milcherzeugungsländern beinhaltet die aktuelle Ausgabe der Kostenberechnung erstmals auch einen EU-Durchschnitt.

 

Der Kostendurchschnitt liegt 2019 bei 45,35 ct/kg, während die EU-Preise mit nur 34,52 ct/kg für eine signifikante Unterdeckung sorgten. „Das zeigt klar, dass bei der Milch EU-weit eine problematische Schieflage vorliegt“, erklärt die niederländische Vorsitzende des European Milk Board (EMB), Sieta van Keimpema.

Eine weitere Neuerung: Mit Irland und Litauen enthält die Studie des Büros für Agrarsoziologie und Landwirtschaft (BAL) zwei neue Länder, die sich an entgegengesetzten Enden des Kostenspektrums befinden. Irland mit seinem besonderen Produktionssystem weist 2019 bei 34,21 ct/kg mit Abstand die geringsten Produktionskosten aus. Doch auch hier geht der Trend in Richtung Unterdeckung, da die Kosten im Untersuchungszeitraum relativ stark stiegen, der Preis aber nicht mit anzog. Somit konnten selbst im Milchgunstland in drei von fünf untersuchten Jahren die Kosten nicht gedeckt werden. Litauen mit seiner differenzierten Betriebsstruktur mit vielen kleinen Höfen kommt auf die weitaus höchsten Produktionskosten (58,63 ct/kg). In Kombination mit einem extrem tiefen Milchpreis von 28,79 ct/kg kämpfen die ErzeugerInnen des baltischen Lands gegen eine sehr große Unterdeckung von 51%.

Interessant ist, dass, auf alle Länder geblickt, die Produktionskosten mit rund 34 ct/kg bis 59 ct/kg eine große Spannweite aufweisen. Bei den Preisen hingegen fällt der Abstand mit knapp 29 ct/kg bis über 34 ct/kg deutlich geringer aus.
 
Kritische Einkommenssituation
 
Der Blick auf die zwei wichtigen Erzeugungsländer Niederlande und Dänemark zeigt, dass nach Abzug aller Kosten überhaupt kein Einkommen für die Betriebsleiter und mithelfenden Arbeitskräfte erwirtschaftet werden konnte. „Man muss bedenken, dass wir hier gerade auch bei den Niederlanden und Dänemark von Ländern sprechen, die hochmoderne Betriebe haben und sich technisch stetig weiterentwickeln. Und dennoch bleibt buchstäblich nichts als Einkommen für die Menschen, die die Milchproduktion betreiben“, verweist Sieta van Keimpema auf die belastende Situation. Und auch in den anderen Ländern ist das Einkommen auf einem sehr kritischen Niveau. Lediglich Irland erreicht annähernd das errechnete angemessene Einkommen. Studienautorin Dr. Karin Jürgens fasst zusammen: „Den Milchviehbetrieben fehlt nicht nur der Ertrag für eine stabile und zukunftsfeste Ausrichtung. Es reicht außerdem nicht einmal für ein angemessenes Einkommen bzw. einen angemessenen Lebensunterhalt.“ Möglicher Kritik, dass die Einkommen zu hoch ansetzen, entgegnet sie: „Der Einkommensansatz der Studie berücksichtigt Ausbildungs- und Qualifizierungsgrad und fußt objektiv auf geltenden landwirtschaftlichen Tarifen beziehungsweise dem doppelten Mindestlohn im jeweiligen Land.“ Der Vizevorsitzende des EMB und Biomilchbauer in Dänemark, Kjartan Poulsen, fügt hinzu: „Wie kann es akzeptabel sein, nichts oder fast nichts zu verdienen? Wir sind gut ausgebildete Fachkräfte mit umfassender Erfahrung, die hart und viel arbeiten. Das immer auch an Wochenenden und Feiertagen. Und insbesondere in der Pandemie haben die Landwirte sich stark dafür eingesetzt, dass die Lebensmittelversorgung immer gesichert war. Zudem tragen wir hohe Risiken und große Verantwortung für unsere Tiere, die Ernährung und die Umwelt.“

Für das selbstbewusste Erkämpfen und Hinarbeiten auf angemessene Preise bietet die Broschüre eine gute Grundlage, wie der französische Milcherzeuger und EMB-Vorstand Boris Gondouin ausführt: „Ich freue mich, mit der neuen Broschüre ein sehr übersichtlich aufgebautes und außerdem wissenschaftlich fundiertes Werkzeug in den Händen zu halten. So kenne ich als Milcherzeuger auch die Entwicklung der Kosten bestens. Und das nicht nur in meinem Land.“ Er empfiehlt allen MilcherzeugerInnen: „Bringt diesen Beleg über die Kosten zu jedem eurer Gespräche mit Molkereien, Handel und Politik mit und fordert damit faire Preise ein!“ Die EMB-Vorsitzende van Keimpema fügt hinzu: „Die nächste Generation, die Zukunft der Lebensmittelerzeugung, möchte gern Milch produzieren. Nutzen wir die Studie und machen wir es auch für sie wieder möglich!“

Für die Studienautorin Dr. Jürgens geben die Zahlen auch wichtige Einblicke für die erfolgreiche Umsetzung aktueller politischer Umweltstrategien, wie den Green Deal: „Nur wenn sich die wirtschaftliche Lage der Betriebe nachhaltig verbessert, können die Landwirte zur Umsetzung der mit höheren Kosten verbundenen Umwelt-, Klima- und Tierschutzziele beitragen“.

Zusammenfassung wichtiger Zahlen

Die Kosten zur Milchproduktion inklusive angemessener Entlohnung liegen 2019 in allen acht Ländern sowie im EU-Schnitt über den erhaltenen Milchpreisen – und das bereits ohne Berücksichtigung der durchschnittlichen Nettoinvestitionen. Die Kosten liegen zwischen 34,21 ct/kg in Irland und 58,63 ct/kg in Litauen sowie bei 45,35 ct/kg im EU-Schnitt. Dies bedeutet eine Unterdeckung zwischen 9% (Irland) bis zu 51% (Litauen) sowie 24% EU-weit.

Erzeugungskosten, Milchpreise und Kostenunterdeckung 2019 (in ct/kg)

Vergleich tatsächliches Einkommen mit erforderlichem angemessenem Einkommen 2015-2019

 

Sehen Sie hier unsere Kostenstudie.

Sehen Sie hier ein Video für die Presse zur Kostenvorstellung der aktuellen Zahlen mit Kommentaren aus den untersuchten Ländern.

 

Pressemitteilung des EMB vom 5. Juli 2021

„Die Bedeutung der Landwirte für die Gesellschaft ist unermesslich“

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„And the winner is…?“ Gespannt warteten die ZuschauerInnen auch in diesem Jahr auf die Verleihung der Goldenen Faironika bei der Internationalen Faire-Milch-Konferenz (FMK) des European Milk Board (EMB) und der Faire-Milch-Länder.

 

Doch schon lange bevor die Preisträger im diesjährigen Austragungsort Ettelbrück in Luxemburg bekanntgegeben wurden, hatten bereits der Milchsektor und seine LandwirtInnen gewonnen. Denn der Einsatz der Menschen, die mit der Goldenen Faironika geehrt werden, hat die Milchbäuerinnen und -bauern schon in den vergangenen Jahren ein gutes Stück weiter in ihrer Arbeit für faire Bedingungen im Milchsektor gebracht.

  • So hat das starke und unermüdliche Engagement des Preisträgers Guy Francq, Mitbegründer des belgischen Faire-Milch-Projekts, die positive Entwicklung von Fairebel maßgeblich ermöglicht.

  • Die Preisträgerin Dr. Karin Jürgens hat mit den Kalkulationen zu den Milchproduktionskosten in Dänemark, Frankreich, Litauen, Deutschland, Irland und weiteren Ländern die Höhe fairer Preise genau beziffern können. Klare Zahlen, die seit vielen Jahren eindeutige Forderungen der LandwirtInnen ermöglichen. Dank der Studien von Dr. Jürgens wissen auch Politik und VerbraucherInnen, was die Milch kosten müsste, um den Aufwand, der für ihre Produktion aufgebracht wird, decken zu können.  

  • Als diesjähriger Ausrichter der Faire-Milch-Konferenz feiert die luxemburgische Fairkoperativ das zehnjährige Bestehen ihrer Marke D’fair Mëllech, die beispielhaften fairen Erfolge sowie wichtige Unterstützer: So geht die Goldene Faironika hier an den Milcherzeuger André Laugs. Er setzt sich in der Coronakrise für diejenigen ein, die ein noch schlechteres Einkommen als die Landwirte haben. Die Präsidentin der Fairkoperativ, Danielle Warmerdam-Frantz, schätzt ihn als einen besonderen Mitstreiter, da „seine Energie und sein Engagement nicht zu bremsen sind und er unermüdlich weiterkämpft, um die Idee der Fairen Milch weiter zu verbreiten.“

  • Weitere Preisträgerin ist die Molkerei Luxlait, die vor  zehn Jahren den Weitblick bewies, mit den Bäuerinnen und Bauern zusammen eine besondere Initiative umzusetzen, und die kein Risiko gescheut hat, sich als starke Partnerin an die Seite der LandwirtInnen zu stellen. Auch der Zucht- und Beratungsorganisation Convis, die sich in Luxemburg für alle Landwirte einsetzt und sie zu Futterration, digitaler Erfassung, CO2-Bilanzen bis hin zu innovativen Produktionsmethoden im Sinne des Umweltschutzes berät, wurde als goldenes Dankeschön die Faironika der MilcherzeugerInnen überreicht.

  • Ein weiterer wichtiger Partner, der mit der Goldenen Faironika geehrt wurde, war das Maison Relais de la Commune de Sanem. Als eine der ersten Gemeinden hat das luxemburgische Sassenheim die Notwendigkeit fairer Preise für die ErzeugerInnen erkannt und seine Schulen mit finanziellen Mitteln so ausgestattet, dass die Verantwortlichen der Maison Relais zusammen mit ihrem Koch faire und lokale Milchprodukte einkaufen können.

  • Ein großer Gewinn für ganz Europa war und ist die harte Arbeit aller LandwirtInnen, die sie für Nahrungsmittelsicherheit der Menschen tagein und tagaus leisten. Ohne diesen starken Einsatz wäre es insbesondere auch im letzten Jahr, in all den Monaten der Pandemie, für unsere Gesellschaft unmöglich gewesen, so zuverlässig und sicher mit Lebensmitteln versorgt zu werden. Dafür möchte das EMB allen LandwirtInnen Europas die Goldene Faironika widmen. Ihre Bedeutung für unsere Gesellschaft ist unermesslich.

Ein besonderer Gruß der europäischen Faire-Milch-LandwirtInnen ging während der Konferenz an ihre afrikanischen KollegInnen. Diese haben mit Projekten wie Fairefaso in Burkina Faso und Fairemali in Mali auch auf dem Nachbarkontinent einen wichtigen Faire-Milch-Grundstein für die afrikanischen ErzeugerInnen gelegt.

Für Sieta van Keimpema, die Vorsitzende des EMB, ist die Internationale Faire-Milch-Konferenz ein ganz besonderes Ereignis: „Hinter den Faire-Milch-Projekten in Afrika und Europa steht ein unglaubliches Engagement von ganz wichtigen Menschen. Sie erbringen jeden Tag den Beweis, dass ein fairer Preis für ErzeugerInnen tatsächlich möglich ist. Dieses Engagement und diesen Erfolg feiert die Faire-Milch-Konferenz. Und sie erinnert diejenigen aus Politik und Milchwirtschaft, die die skandalösen Milchpreise mit ihren politischen und wirtschaftlichen Strategien weiter unterstützen, an ihre Verantwortung für ein Ende der Ausbeutung der LandwirtInnen weltweit.“ 

Fotos der Faire-Milch-Konferenz

 

Pressemitteilung des EMB vom 2. Juli 2021

EMB zum GAP-Deal: Kriseninstrumente fast top, fehlende Preisfairness Flop

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© Julien Tromeur, Pixabay

Der Deal zur GAP-Reform, der am 28. Juni vom EU-AgrarministerInnenrat akzeptiert wurde, erlaubt mit seinem Kriseninstrumentarium für diverse Agrarbereiche einerseits einen wichtigen Schritt in Richtung mehr Stabilität im Agrarsektor. Andererseits schafft er es jedoch nicht, dafür zu sorgen, dass Kosten für eine nachhaltigere Produktion und die Preise dafür miteinander im Einklang stehen.

 


Positive Ansätze im Deal zur GAP-Reform

Mit der Festschreibung in der Gemeinsamen Marktorganisation des Kriseninstruments des freiwilligen Lieferverzichts (Art. 219) sowie den Marktbeobachtungsstellen und ihren Aufgaben (u. a. Bereistellung von Informationen zu Marktstörungen, Produktion, Vorräten, Preisen und, sofern möglich, Margen) für verschiedene Agrarsektoren (Art. 222) ist eine Grundlage geschaffen, Krisen schneller zu erkennen und – so denn zum gegebenen Zeitpunkt die richtigen Entscheidungen tatsächlich getroffen werden – auf sie mit dem genannten Reduktionsprogramm zu reagieren. Diese Möglichkeit, so Übermengen und damit Preisabstürze einzudämmen, ist positiv. Die Instrumente müssen im Krisenfall aber auch effektiv und ohne Verzögerung genutzt werden! Hier ist dann die Europäische Kommission gefragt! Allerdings fehlt noch ein Krisenmechanismus, der automatisch die richtigen Instrumente schaltet. Auch eine Deckelung für überproduzierende ErzeugerInnen während des freiwilligen Lieferverzichts hat keinen Eingang in die Reform gefunden. Ein weiterer positiver Punkt ist die Anhebung der Bündelungsgrenze für MilcherzeugerInnen auf 4%, die somit zusammen Verhandlungen für ein Volumen von bis zu 4% der EU-Milchmenge führen (lassen können). Mit Blick auf die Verarbeiter reicht dies aber noch nicht aus. Denn aktuell gibt es bereits Unternehmen, die eine weitaus höhere Marktkonzentration aufweisen, so dass für ErzeugerInnen kein Verhandeln auf Augenhöhe möglich ist.

Fehlende Ansätze im Deal zur GAP-Reform

Schon aktuell werden die Kosten im Milchsektor nicht gedeckt.* Preise und Beihilfen reichen dafür nicht aus. Stärkere Auflagen zur Nachhaltigkeit bringen stärkere Kosten mit sich. Und auch diese zusätzliche Belastung wird mit den Rohmilchpreisen und den grünen Beihilfen nicht gedeckt werden können. Das ist keine gute Nachricht, weder für erfahrene ErzeugerInnen noch für Jungbauern. Denn auch wenn diese über ein verpflichtendes Minimum an Direktzahlungen von 3% stärker gefördert werden können – solange der Preis über den Markt nicht die Kosten der nachhaltigeren Produktion decken kann, sind sie weiter die Verlierer im Agrarsektor.

Das European Milk Board dankt allen, die dafür gesorgt haben, dass der Deal zum einen wichtige Krisenelemente enthält. Hier ist insbesondere auch die Arbeit des EU-Parlaments sowie die vieler europäischer Milcherzeugerorganisationen zu würdigen. Für eine tatsächlich nachhaltige Politik müssen jedoch auch Akteure wie die EU-Kommission und einige EU-Mitgliedsstaaten die Notwendigkeit fairer Preise und eines stabilen Sektors anerkennen und sich für ihr Erreichen einsetzen.
 
* Dazu wurde am 5. Juli eine Studie mit aktuellen Kostenzahlen veröffentlicht. Sie finden die komplette Studie hier.

 

Pressemitteilung des EMB vom 30. Juni 2021

Zu welchem Preis würde die Milch verkauft, wenn ihr Preis der Teuerungsrate der Briefmarke gefolgt wäre?

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© Coordination Rurale

Anfang 2021 wurde der Preis einer Briefmarke (Eilbrief) für Privatpersonen in Frankreich erneut erhöht und liegt nun bei 1,28 Euro: Die Teuerungsrate gegenüber 2020 beträgt mehr als 10%. Im Jahr der Umstellung vom französischen Franc auf den Euro 2001 kostete sie 0,46 Euro, d.h. ihr Preis ist in 20 Jahren um 204% gestiegen. Zum Vergleich: Die Preise, die für unsere Agrarerzeugnisse gezahlt werden, erlauben es nicht, alle Produktionskosten zu decken und die Landwirte würdig zu entlohnen.

 

Welchen Preis würden die Landwirte heute erzielen, würde man die Preisentwicklung der Briefmarke seit Einführung des Euro 2001 auf die Preise der verschiedenen landwirtschaftlichen Erzeugnisse übertragen?

Der Milchpreis läge bei 939,40 € pro 1.000 Liter…

Der Basismilchpreis lag 2001 auf dem französischen Festland im Schnitt bei 309 € pro 1.000 Liter (Quelle: INSEE). Bei Anwendung der Teuerungsrate von 204%, die die Portopreise verzeichnet haben, betrüge der Basismilchpreis 939,40 € pro 1.000 Liter! Es ist klar, dass die Erzeuger nichts Vergleichbares für ihre Produktion erwarten, sondern schlicht einen Preis, der es ihnen ermöglicht, ihre Kosten zu decken und ein würdiges Einkommen zu erwirtschaften. Für die Coordination Rurale liegt dieser Preis bei 450 € pro 1.000 Liter (Anm. d. Red.: Zwischenzeitlich ist dieser auf 489,80 €/1.000 l gestiegen). Leider zeigen die jüngsten Zahlen von FranceAgrimer, dass der mittlere Basismilchpreis 2020 nur bei etwa 347,50 € pro 1.000 Liter lag. Dieser Beitrag reicht nicht aus, um die Produktionskosten zu decken, die über fünf Jahre auf durchschnittlich 422 € pro 1.000 Liter geschätzt werden – ein Indikator, der von der Branchenorganisation nach der öffentlichen Konsultation zum Agrarsektor (Generalstände – EGA) bestätigt wurde.

Gleichzeitig sind die Verbraucherpreise stärker gestiegen als die Erzeugerpreise. Dem Bericht der Preis- und Margenbildungsstelle im Parlament (OFPM) zufolge ist der Preis für haltbare Halbfettmilch im Einzelhandel zwischen 2001 und 2018 um 35,6% gestiegen, während die Erzeugerpreise ihrerseits um 12% fielen!

Der Erzeugerpreis für Rindfleisch läge bei 9,12 Euro pro kg

Für Kuhfleisch der Kategorie R III wurde 2001 im Schnitt 3,00 € pro kg bezahlt (Quelle: Beobachtungsstelle für den Fleischmarkt - Meat Market Observatory). 2019 lag der Preis bei etwa 3,91 € pro kg, müsste aber bei 9,12 € pro kg sein, hätte das Fleisch der gleichen Inflation unterlegen wie die Briefmarken.

Ein weniger gewagter Vergleich

Die französische Post argumentiert, dass das Volumen der Briefsendungen deutlich sinkt (2018 effektiver Rückgang um 7,3%), um ihre jährlichen Porto-Erhöhungen zu rechtfertigen. Aber die Erzeugerpreise sollten zumindest der gleichen Teuerungsrate folgen wie ihre Produktionskosten! Der Index des Einkaufspreises landwirtschaftlicher Produktionsmittel (Ipampa, von Idele aktualisiert) zeigt die Kostenentwicklungen in den verschiedenen landwirtschaftlichen Produktionszweigen. Der Produktionsmittel-Preisindex für Kuhmilch lag im Januar 2005 bei 76,8 gegenüber 105,6 im November 2020 (Basisindex 100 – 2015), d.h. eine Teuerung der Produktionskosten um 37,5%. Veranschlagt man diese Inflationsrate, hätte der Milchpreis 2020 bei mindestens 477,81 € pro 1.000 Liter liegen müssen.

 

Aktualisierte Fassung eines Artikels der Coordination Rurale, der am 01.02.2021 auf der Webseite der CR zuerst erschien

Deutschland: Nach Fleisch jetzt Milch – die Haltungsform erreicht die Molkereiprodukte

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© EMB, Vanessa Langer

Aldi’s „Tierwohlversprechen“ mischt nicht nur den Fleischmarkt auf, sondern gilt auch für Molkereiprodukte. In der Milchindustrie wird dieses Vorgehen genau beobachtet. Denn ab 2022 können Milchprodukte genau wie Frischfleisch entsprechend einer vierstufigen Haltungsformen-Hierarchie gekennzeichnet werden. Die Kennzeichnung soll zum Standard werden.

 

Laut Lebensmittelzeitung (LZ) erwarten Molkereien und Milcherzeuger, dass der Lebensmittelhandel sich schnell von der Haltungsform (Hf) 1 verabschieden will. Die Ankündigungen von Aldi und Rewe, ab 2030 bei Frischfleisch nur noch die Hf 3 und 4 zu listen, hat deshalb unmittelbare Auswirkungen auf die Milchbranche. Weil Rindfleisch zu ca. 40% von Kühen stammt, müssen auch die Milchbauern ihre Betriebe anpassen. Entsprechende Kriterien sollen nun auch für Milchprodukte gelten.

Das Haltungsformsystem des Handels ist inzwischen zur Standardorientierung beim Tierwohl geworden. „Das ist auch für die Kennzeichnung von Milch und Milchprodukten das erklärte Ziel. Bereits jetzt sind im Haltungsformsystem Kriterien für die Haltung von Milchvieh definiert, wenn es darum geht das Fleisch dieser Tiere für den Endverbraucher zu kennzeichnen," erklärt Robert Römer, Geschäftsführer der Initiative Tierwohl (ITW).

Haltungsformkennzeichnung

Stufe 1 entspricht dem gesetzlichen Standard. Hierunter fallen alle QS-zertifizierten  (Anm. d. Red.: verbändegetragenes Qualitätsprüfsystem) Rinder bzw. Milchvieh aus dem QM-System (Anm. d. Red.: wirtschaftsgetragenes Qualitätssystem). Stufe 2 umfasst Haltungen, die über dem gesetzlichen Standard liegen. Hier ist z. B. die Scheuerbürste für Milchvieh Voraussetzung. In Stufe 3 sollen Tiere Zugang zu einem Außenbereich haben. Für Rinder reicht ein Offenfrontstall aus. In Stufe 4 ist Weidegang in der Vegetationsperiode Pflicht. Hierunter fallen auch alle Biosiegel. Die Auditierung und Kontrolle der jeweiligen Haltungsform liegt weiterhin bei den bereits bestehenden Siegelgebern, wie beispielsweise QM-Milch.

Nicht übersehen darf man aber, dass die Borchert-Kommission zurzeit einen erheblich differenzierteren Kriterienkatalog ausarbeitet, der über die Handelsanforderungen hinausgeht. Das betrifft vor allem die Anbindehaltung, aber auch Platzvorgaben im Stall und andere Aspekte.

Molkereien in Habacht-Stellung

Natürlich stellt sich für die Landwirte sofort die Frage, wer die Auflagen bezahlt und wieviel davon tatsächlich beim Milcherzeuger ankommt. Und dafür reichen Beträge von ein bis zwei Cent, wie bisher für Auslauf oder Weidehaltung oft angeboten werden, bei weitem nicht aus. Notwendig seien eher 6 bis 8 Cent pro kg, wenn man den heutigen (schlechten) Milchpreis zugrunde legt.

Matthias Bug, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Molkerei Hochwald, hält einen Preisaufschlag für mehr Tierwohl von sogar 10 Cent pro kg Milch für realistisch. Damit könnten die Kosten gedeckt werden und es würde den Erzeugern ein Anreiz geboten, überhaupt weiterzumachen. Am liebsten hätte Bug das Geld vom Markt: „Das ist der sicherste Weg.“ Landwirte äußern dazu sofort ihre Vorbehalte. Zuviel Geld ginge auf dem Weg vom Handel über die Molkerei bis zum Erzeuger verloren.

Hochwald-Chef Detlef Latka sieht die Frage der Finanzierung ebenfalls noch nicht geklärt. Das geschlossene System, vom Landwirt über die Molkereien bis zum Einzelhandel, biete aber die Chance, verlorenes Verbrauchervertrauen zurückgewinnen, meint Latka.

Schwarzwaldmilch stellt sich laut LZ ebenfalls auf höhere Tierwohlanforderungen ein. Der Aufschlag für Weidemilch wurde gerade ab Juli von 1,5 auf 2 Cent pro kg erhöht. Zugleich wurde das Aus für die ganzjährige Anbindehaltung beschlossen – jedoch erst für Ende 2029. Noch etwas mehr als 100 von 966 Milcherzeugern sind bei Schwarzwaldmilch davon betroffen. Sie lieferten aber nur 5 bis 6% der Menge, berichtet Geschäftsführer Markus Schneider, denn meist handele es sich um ältere Nebenerwerbslandwirte mit nur fünf bis höchstens 20 Kühen. Eine Umstellung der Haltungsform sei deshalb häufig betriebswirtschaftlich völlig unwirtschaftlich.

Einen Abschlag beim Milchgeld, wie ihn etwa Berchtesgadener Land oder Hochland unter Hinweis auf die Kosten der getrennten Erfassung vornehmen, soll es bei Schwarzwaldmilch nicht geben. Denn Mitgliedern, die ihre Kühe noch so hielten, sei nichts vorzuwerfen, betont Schneider. Im Gegenteil, die Pflege ihrer wenigen Tiere sei oft vorbildlich. Trotzdem erscheine ihm zweifelhaft, ob der Anbindehaltung noch neun Jahre Zeit bleibe. Zu groß seien die Vorbehalte in Gesellschaft, Politik, Verbänden und im Handel

 

Hugo Gödde, zuerst erschienen am 12. Juli im Newsletter der Unabhängigen Bauernstimme der AbL

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