MILK-NEWS

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Liebe Milchbäuerinnen und Milchbauern, liebe MitstreiterInnen,

No Farmers, No Food

Angst regiert heute die Welt. Die Tatsache, dass wir alle in Angst leben, ist unter anderem eine direkte Folge dessen, dass „wir“ vor einigen Jahrzehnten einen Kurs der Globalisierung beschlossen und unsere Wirtschaftsströme so weit wie möglich miteinander verflochten haben. Das würde uns allen zugutekommen. Dass die Globalisierung auch Risiken birgt, haben „wir“ der Einfachheit halber ausgeblendet.

Die Realität trifft uns jetzt hart. Im Moment stehen wir vor einer der tiefsten Wirtschaftskrisen aller Zeiten, denn die Globalisierung hat es ermöglicht, dass sich ein Virus rasch auf der ganzen Welt ausbreitet. In der Vergangenheit betrachteten die Regierungen ihre Nahrungsmittelversorgung als den wichtigsten Sektor. Diese Anschauung befindet sich offensichtlich nicht mehr in der DNA der heutigen europäischen Staats- und Regierungschefs: Sie unterstützen, wie bei all den anderen Krisen des letzten Jahrzehnts, welche vor allem geopolitischen Ursprungs waren, die verarbeitende Industrie. Das Einkommen der Landwirte wird wie immer ignoriert. Und das ist in der gegenwärtigen Realität eine sehr gefährliche politische Entscheidung. No Farmers, No Food.

In den Niederlanden stellen wir auch eine weitere Entwicklung fest. Nun, da sich die ersten Staubwolken um das Virus herum verzogen haben, tauchen wieder andere Elemente auf: Die Angst wird von den Gegnern der Viehzucht geschürt. Zuerst versuchte man, die Viehzucht mit dem Argument der Überdüngung ­– die durch die strengen Regeln Brüssels jedoch völlig eingeschränkt ist – auszuschalten. Dann wurden die Viehzüchter in der Klimadebatte kriminalisiert. Und nun, da auch das keine ausreichenden Ergebnisse gebracht hat, wird das Coronavirus beschlagnahmt. Das Virus würde in Regionen mit hoher Viehdichte härter zuschlagen und hätte beispielsweise nichts mit den Karnevalveranstaltungen in den betroffenen Regionen oder der industriebedingten Luftverschmutzung zu tun.

Dick Heederik, ein renommierter Professor an der Universität Utrecht, hat die Behauptung, dass ein Zusammenhang zwischen Feinstaub aus der Tierhaltung und der öffentlichen Gesundheit bestehe, sofort als Unsinn zurückgewiesen und diese scheinbar „wissenschaftlichen“ Quellen als unseriös kritisiert. Aber durch die Veröffentlichung in einer weit verbreiteten Zeitung wird die Berichterstattung lange nachwirken. Dies umso mehr, als unsere Landwirtschaftsministerin Carola Schouten das Nationale Institut für öffentliche Gesundheit und Umwelt um eine Untersuchung gebeten hat. Ein politischer Schnitzer, der die Viehzucht in der öffentlichen Meinung bereits verurteilt, noch bevor die Untersuchung überhaupt begonnen hat. Frühere Studien haben nie einen kausalen Zusammenhang zwischen Viehzucht und Lungenkrankheiten gezeigt. Für die Gegner der Viehzucht spielt das keine Rolle. Es gibt einfach zu viele Tiere, also muss die Tierhaltung herhalten.

Angst ist der schlechteste Berater. Zusätzlich zu inkompetenten, emotionalen Politikern und Entscheidungsträgern und voreingenommenen Medien. Was die Welt jetzt braucht, sind Nüchternheit und wissenschaftliche Expertise, keine Profilierung und Hexenjagd. Um sicherzustellen, dass die Folgen von COVID-19 die Welt nicht in eine noch tiefere Unordnung und Hungersnot stürzen, die wir mit kühlem Kopf verhindern können.

No Farmers, No Food. Wichtiger denn je ist es für das EMB, die Europäische Kommission und die Interessenvertreter zu informieren und die politischen Entscheidungsträger rechtzeitig auf die Risiken ihrer Politik aufmerksam zu machen. Jetzt geht es darum, den Kurs zu ändern, damit wir nach dieser Krise genügend Landwirte haben, um unsere Bürger zu ernähren.

 

Sieta van Keimpema, stellvertretende Vorsitzende des EMB

Starke europäische Milchpulver-Aktionen mit Appell an EU-Kommission: „Lassen Sie uns gemeinsam ein Mengenreduktionsprogramm durchführen!“

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„Wir MilcherzeugerInnen sagen JA zu einer EU-weiten Milchreduktion und NEIN zur privaten Lagerhaltung von Butter, Milchpulver und Käse als Krisenmaßnahme.“

 

 

Während Milchbäuerinnen und Milchbauern aus ganz Europa sich mit dieser Botschaft an die Kommission und die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union wenden, zieht ein starker Nebel aus Magermilchpulver über die Felder in zahlreichen französischen Departements. In der deutschen Hauptstadt schraubt sich indessen ein hoher Milchpulverturm vor dem Bundeskanzleramt in den Himmel und auch in Italien, Dänemark, Litauen, Luxemburg und Belgien fordern MilcherzeugerInnen bei Milchpulver-Aktionen vehement einen effizienten Krisenkurs für den Milchsektor. 

Für Erwin Schöpges, belgischer Milchproduzent und Vorsitzender des European Milk Board (EMB), sind die zahlreichen Protestaktionen ein wichtiges Zeichen an die Politik: „Das Magermilchpulver heute ist EU-weit das Symbol für einen fehlgeleiteten Krisenkurs der Europäischen Union im Milchsektor. Dieser Kurs muss geändert werden, sodass er gegen die Krise wirklich greifen kann“, so Schöpges. 

Im Zuge der Coronakrise ist die Nachfrage nach Milchprodukten eingebrochen. Wie EMB-Vorstandsmitglied Roberto Cavaliere aus Italien erläutert, hat die Schließung von Schulen, Kindergärten und öffentlichen Einrichtungen sowie das fast komplette Herunterfahren des Gastronomiesektors die Abnahme von Milchprodukten stark verringert. „Die Milch, die produziert wird, ist aktuell also viel zu viel und müsste EU-weit reduziert werden. Wir MilcherzeugerInnen sind bereit, hier Verantwortung zu übernehmen und an einem von der EU-Kommission koordinierten Programm zur Mengenreduktion teilzunehmen“, so Cavaliere. Doch das hat die EU-Politik nicht in Aussicht gestellt. Sein Berufskollege Boris Gondouin, Milcherzeuger aus Frankreich und Vorstandsmitglied des EMB, ist daher wie so viele europäische MilcherzeugerInnen sehr verärgert, dass sich die EU-Kommission stattdessen für Beihilfen zur privaten Lagerhaltung entschieden hat. „Diese Beihilfen ändern absolut nichts an den Corona-Problemen der LandwirtInnen. Es sind ja insbesondere die Milchpreise bei den Produzenten, die fallen. Es gehen aber – wie vorläufig angekündigt – 30 Millionen Euro an Subventionen für verarbeitete Milchprodukte an die private Industrie. Das heißt, dass die aktuelle EU-Maßnahme für die verarbeitende Industrie getroffen wurde, nicht für die LandwirtInnen.“ Johannes Pfaller, Milcherzeuger aus Deutschland und EMB-Vorstandsmitglied, ergänzt: „Es ist doch eigentlich absolut abwegig, Ressourcen zu verschwenden, um Produkte zu erzeugen, für die es keine Nachfrage gibt. Nur, um diese Produkte dann mit Hilfe von Subventionen einzulagern.“

 

Um die Milchkrise einzudämmen:  

  1. muss eine Krisenmaßnahme die Milchmenge direkt adressieren;
  2. sollte die EU mit ihren MilcherzeugerInnen gemeinsam Verantwortung übernehmen. Es müsste ein Programm gestartet werden, auf das in jedem EU-Land zugegriffen werden kann. MilcherzeugerInnen, die bereit sind, ihre Produktionsmenge zu reduzieren, bekommen über dieses EU-Programm eine Entschädigung je nicht produziertem Liter Milch*;
  3. dürfen in der EU keine Buttertürme und Milchpulverberge aufgebaut werden, indem man die Lagerung bereits verarbeiteter Produkte subventioniert. Eingelagerte Produkte sind immer noch Teil des existierenden Angebots und drücken die Milchpreise. Die angekündigten 30 Millionen Euro sollten daher besser in das Mengenreduktionsprogramm anstatt die private Lagerhaltung fließen;
  4. sollte es sich die EU gestatten, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen. Beihilfen zur privaten Lagerhaltung und die Erlaubnis u. a. an Erzeugerorganisationen und Branchenverbände, die Produktion regional (nicht EU-weit) zu planen, haben als Instrumente in der Krise 2015-2017 komplett versagt. Das EU-Mengenreduktionsprogramm jedoch hatte Erfolg (siehe Studie auf Englisch dazu hier).

 
* Details siehe auch Marktverantwortungsprogramm

 

Wie der dänische Milcherzeuger und EMB-Vorstandsvertreter Kjartan Poulsen betont, ist es nicht das erste Mal, dass sich die EU in der Kiste für Kriseninstrumente vergreift. „Bereits im Jahr 2017 hatten die MilcherzeugerInnen des EMB und anderer Verbände mit einer großen Milchpulver-Aktion in Brüssel auf die Problematik des Aufbaus zu hoher Lagerbestände in der Krise aufmerksam gemacht. Unser eindringlicher Appell an die EU lautet daher, nicht auf dieses Instrument der Lagerhaltung zu setzen, sondern mit den MilcherzeugerInnen zusammenzuarbeiten und gemeinsam ein Mengenreduktionsprogramm durchzuführen“, so Poulsen.

Die heutigen europäischen Aktionen werden nicht die letzten politischen Milchpulver-Veranstaltungen sein. Zahlreiche deutsche MilchproduzentInnen haben bereits angekündigt, weitere Aktionen in den kommenden Tagen zu fahren.


Fotos und Videos der europäischen Milchpulver-Aktionen

 

Pressemitteilung des European Milk Board vom 7. Mai 2020

Freiwilliger Lieferverzicht: Ja – Lagerhaltung: Nein

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„Die Entscheidung, der Milchkrise mit dem Instrument der privaten Lagerhaltung zu begegnen und keinen Lieferverzicht auf EU-Ebene zu koordinieren, ist falsch“, erteilt Erwin Schöpges, Vorsitzender des European Milk Board (EMB), den am 4. Mai veröffentlichten EU-Agrarmaßnahmen eine klare Absage.

 

Während die Milch den EU-Markt aktuell wieder überschwemmt und die Preise auf Talfahrt schickt, könne nur eine EU-weite Reduktion der produzierten Milchmenge Entspannung bringen. Das Einlagern bereits verarbeiteter Produkte wie Milchpulver, Butter und Käse würde den Preisdruck für die ErzeugerInnen nicht verringern, da diese Produkte weiter Bestandteil des zu hohen Angebots an Milcherzeugnissen sind.

„Der Enttäuschung über die aktuelle fehlerhafte Entscheidung werden wir jetzt am 7. Mai mit Milchaktionen in vielen europäischen Ländern starken Ausdruck verleihen“, so Schöpges. Verbunden werden diese Aktionen mit einem konstruktiven Appell an die EU-Kommission, JETZT ein EU-weites freiwilliges Mengenreduktionsprogramm zu aktivieren.

Wie die Vizevorsitzende des EMB, Sieta van Keimpema, erklärt, müsse solch eine Mengenreduktion aber von der EU koordiniert werden, damit sie flächendeckend wirken kann. „Eine ebenfalls aktuell von der EU erteilte temporäre Erlaubnis, dass u. a. Erzeugerorganisationen oder Branchenverbände Produktionskürzungen planen können (nach Artikel 222 der GMO-Verordnung), bringt in der aktuellen Krisensituation nichts“, so van Keimpema weiter.

Planung der Erzeugung durch u. a. Erzeugerorganisationen oder Branchenverbände nicht wirksam! – Warum muss der freiwillige Lieferverzicht auf EU-Ebene von der Kommission koordiniert werden?

  • Nur mit freiwilligem von der EU koordiniertem Lieferverzicht ist flächendeckende Reduktion möglich

Es existiert EU-weit keine starke Struktur von Erzeugerorganisationen bzw. Branchenverbänden, die solch einen Lieferverzicht durchführen können. Dadurch kann es, wenn überhaupt, nur vereinzelt zu Reduktionen über diese Organisationen kommen. Der relevante EU-Milchmarkt wird davon kaum beeinflusst werden. Daher muss die EU-Kommission die Koordinierung der Reduktion in die Hand nehmen, damit flächendeckend positive Wirkungen erzielt werden können.

  • Krisengeschüttelte ErzeugerInnen können Mittel für Reduktion nicht allein aufbringen

Bestehende Erzeugerorganisationen werden finanziell von den ErzeugerInnen selbst getragen. Um eine freiwillige Reduktion mit Entschädigung je nicht produziertem Liter durchführen zu können, müssen finanzielle Mittel aufgebracht werden. Über diese verfügen die ErzeugerInnen einfach nicht, insbesondere jetzt in der Krise. Die Gelder von der Kommission, die nun in die private Lagerhaltung fließen, sollten daher für einen von der EU koordinierten Lieferverzicht verwendet werden.

  • Planung der Erzeugung durch u.a. Erzeugerorganisationen bzw. Branchen-verbände ≠ EU-koordinierter Lieferverzicht

Die mögliche Produktionsplanung durch u. a. Erzeugerorganisationen oder Branchen-verbände ist nicht gleichzusetzen mit einem von der EU koordinierten Reduktionsprogramm. Beide Maßnahmen wurden 2016 bereits eingesetzt. Mit dem großen Unterschied, dass die mögliche Planung der Erzeugung keinerlei Einfluss auf die Milchpreise in der EU hatte, die EU-koordinierte Mengenreduktion die Preise jedoch wieder aus dem Krisentief holen konnte.

„Wir haben die EU-Kommission, das Parlament und nationale MinisterInnen über die aktuell sehr schwierige Lage für die ErzeugerInnen informiert und sie gewarnt, dass der Milchmarkt abstürzen wird, wenn keine wirksamen Maßnahmen geschaltet werden. Nun aber werden durch die aktuelle Entscheidung wieder Milchpulverberge und Buttertürme in den Lagern aufgebaut und die ErzeugerInnen einmal mehr in eine starke Krise gerissen“, so Schöpges. „Warum wird aus den Fehlern der Vergangenheit einfach nicht gelernt?“ Diese Frage vieler Milchbäuerinnen und -bauern wird auch am 7. Mai bei den kommenden europäischen Milchaktionen eine große Rolle spielen.

 

Details zu Milchaktionen am 7. Mai 2020 in verschiedenen europäischen Ländern

Belgien: Milch-Aktionen in Flandern und in der Wallonie
 
Deutschland: Aufbau einer großen Milchpulverpyramide in Berlin
 
Frankreich: Pulver-Feld-Aktionen in diversen französischen Regionen (Hauts-de-France, Grand Est, Normandie, Pays de la Loire und Sud-Ouest)
 
Italien: Milchpulveraktion in Cremona und auf dem Paulihof in Südtirol
 
Dänemark: Milchpulver-Sprühaktion in Outrup
 
Litauen: Milchpulveraktion in der Nähe von Kaunas
 
Luxemburg: Milchpulveraktion

 

EU-Beihilfen zur privaten Lagerhaltung sind keine angemessene Antwort auf die Krise!

 

Pressemitteilung des European Milk Board vom 4. Mai 2020

Milchkrise durch Corona?

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© Astrid Sauvage, EMB

Noch zu Jahresbeginn herrschte in der Milchbranche verhaltener Optimismus. Experten und Beobachter gingen von stabilen bis leicht positiven Markttendenzen aus. Das wäre auch für die gebeutelten MilcherzeugerInnen bitter nötig gewesen.

 

Die letzte Milchkrise vor vier Jahren und zwei schwierige Dürrejahre in weiten Teilen Deutschlands und Europas haben auf vielen Höfen zu einer sehr angespannten wirtschaftlichen Situation geführt. Nach wie vor sind die Erzeugungskosten der allermeisten Betriebe nicht gedeckt. Und jetzt sorgt auch noch die Corona-Pandemie wie auf allen global vernetzten Märkten auf dem Milchmarkt für Turbulenzen. Zwar sind die Auszahlungspreise aktuell noch stabil, das dürfte jedoch die Ruhe vor dem Sturm sein. Die Analysten der niederländischen Rabobank zum Beispiel gehen von einer Krise aus, die bis weit ins nächste Jahr anhalten wird. Und laut dem europäischen Milchindustrieverband EDA „hat die Corona-Krise das Potenzial, die größte Krise seit Jahrzehnten zu werden.“ Auch viele Molkereien haben bereits Preisrücknahmen angemeldet, so aktuell die Molkerei Ammerland, die für das nächste halbe Jahr Milchpreise von 28 bis 30 Cent ankündigt.

Allerdings ist diesmal, anders als bei vorherigen Krisen, die Betroffenheit der Molkereien sehr unterschiedlich. Unternehmen, die vorwiegend den Einzelhandel beliefern, können teilweise kaum mit der Produktion und Lieferung nachkommen. Das gilt erfreulicherweise auch für kleinere, regionale Molkereien und den Biosektor und erst recht für viele Direktvermarkter und Hofkäsereien. Schlimm steht es um Unternehmen, die vorwiegend Großabnehmer oder die Gastronomie als Kunden haben oder stark auf den Export orientiert sind. Entsprechend unterschiedlich sind auch die Signale der Molkereien an ihre Lieferanten. Unter dem Strich ist aber von einem länger anhaltenden, starken Überangebot an Milch auszugehen.

Bitter rächt sich jetzt das Fehlen eines Krisenkonzepts. Die Politik hat weder auf europäischer noch auf deutscher Ebene seit der letzten Krise ihre Hausaufgaben gemacht. Es zeigt sich, dass die überwältigende Mehrheit der MilcherzeugerInnen das Krisenmanagement vom letzten Mal noch in schlechter Erinnerung hat. Vor allem besteht Einigkeit in der Ablehnung einer ausufernden privaten Lagerhaltung und Intervention, weil die überschüssigen Pulvermengen beim letzten Mal noch jahrelang eine Markterholung verhindert haben.

Die Wirksamkeit des Reduzierungsprogramms dagegen ist den meisten deutlich geworden. Bei allen Unterschieden in den Konzepten – freiwillige oder verpflichtende Reduzierung, mit oder ohne Entschädigung, gegenüber welchem Bezugszeitraum, mit welchen Prozentzahlen – herrscht doch Einigkeit darüber, diesmal nicht Molkereien, sondern Bauernhöfe zu retten. Deshalb müssen die Maßnahmen VOR der Erzeugung der Milch, bei den Bäuerinnen und Bauern ansetzen. Nicht benötigte Milch, die nicht zu guten Preisen abgesetzt werden kann, sollte gar nicht erst gemolken werden. 

Die guten Konzepte, ausgearbeitet von bewährten Interessenvertretungen wie BDM, MEG Milch Board und AbL, liegen lange auf den Tisch. Und „Land schafft Verbindung“ als neue, große und aktive Organisation kann sehr hilfreich sein, um die Isolation des Bauernverbands in der Milchfrage deutlich zu machen. Auch die europäische Vernetzung über das European Milk Board ist wertvoll, zumal in anderen Ländern wie in Frankreich sogar in der Branche schon erste Reduzierungsprogramme umgesetzt werden und auch Molkereien, beispielsweise in Österreich, ihren Mitgliedern bereits Reduzierungsanreize bieten.

Nicht zuletzt hat die Pandemie gezeigt, wie in vielen Bereichen erstaunlich schnell Maßnahmen umgesetzt werden konnten, die man vorher nicht für vorstellbar gehalten hat – das sollte im Milchsektor ebenfalls möglich sein!

 

Auszug aus einem Artikel von Ottmar Ilchmann, Landesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) Niedersachsen-Bremen

Deutschland: Diskussion zur Mengenreduktion - Verbände der Molkereiwirtschaft und Bauernverband gegen Mengenreduktion

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Bei einer von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner anberaumten Telefonkonferenz bewerteten der Bauernverband und die Verbände der Molkereiindustrie die Öffnung der privaten Lagerhaltung als ausreichendes Kriseninstrument. Der BDM und die Vertreter der neuen Bewegung „Land schafft Verbindung“ warben hingegen für eine krisenbedingte Mengeneinschränkung.

 

Ministerin Klöckner kritisierte die Verbände der Molkereiwirtschaft, dass sie die in ihrer Sektorstrategie festgehaltenen Maßnahmen zur Mengenplanung nicht umsetzen würden, und forderte sie erneut zur schnellen Umsetzung einzelbetrieblich individueller Marktanpassungen auf Molkereiebene auf. Der BDM machte klar, dass mit einzelbetrieblichen Ansätzen, die zudem noch auf freiwilliger Basis angelegt sind, keine schnelle Marktwirkung zu erzielen ist. Weiter haben wir auf einen immer wieder von Politik, Bauernverband und Molkereiindustrie verbreiteten Widerspruch hingewiesen: Gegen die BDM-Forderung nach Rückführung der Milchanlieferung in Krisenphasen spreche, dass sich die EU-Nachbarländer, aber auch Drittländer, die Hände reiben und sofort mit ihren Milchlieferungen nach Deutschland eine Marktwirkung verhindern würden. Selbst aber fordern sie sogar Lösungen auf Ebene der einzelnen Molkereien. Da müsste dann nicht mal das Nachbarland einspringen, sondern es könnte sogar die Nachbarmolkerei tun. Widersprüchlicher geht es nicht mehr, zeigt aber, dass man Bäuerinnen und Bauern immer noch für dumm hält.

 

BDM fordert sofortige verbindliche Rücknahme der EU-Milchanlieferung

Mit Schreiben an und in Gesprächen mit der Bundeskanzlerin, mit sämtlichen Agrarministerinnen und Ministern von Bund und Ländern sowie EU-Agrarkommissar Wojciechowski hat der BDM schon am 18. März auf die außergewöhnlichen Entwicklungen auf den Agrarmärkten hingewiesen und entsprechende Maßnahmen vorgeschlagen bzw. eingefordert. Aufgrund der sehr zugespitzten Marktlage sieht der BDM die Notwendigkeit einer verbindlich für alle MilchviehhalterInnen vorgegebenen, zeitlich befristeten Begrenzung bzw. Kürzung der Milchanlieferung. Denkbar wäre eine Beschränkung dieser Maßnahme auf EU-Mitgliedsländer, deren Milchanlieferung über dem jeweiligen Selbstversorgungsgrad liegt.

Für die Fokussierung der BDM-Forderung auf verbindliche Maßnahmen gibt es mehrere Gründe, hier drei davon:

  1. Die Marktentwicklung erfordert Instrumente, die eine sehr schnelle Rücknahme der Milchanlieferung gewährleisten würden.
  2. Die Mehrheit, vor allem auch die milchstarken deutschen Bundesländer, haben sich bei einer Agrarministerkonferenz für eine zeitlich befristete, verbindlich für alle vorgegebene und entschädigungslose Kürzung der Milchanlieferung ausgesprochen.
  3. Zur Finanzierung notwendiger Ausgleichsleistungen müssten im EU-Haushalt Umschichtungen in den EU-Krisenfonds vorgenommen werden. Das würde eine Kürzung der Direktzahlungen bedeuten, und endlose Debatten würden folgen.

Die BDM-Positionierung bedeutet nicht, dass ein freiwilliger Lieferverzicht gegen Entschädigung kategorisch ablehnt wird.

 

Johannes Fritz, Bundesverband Deutscher Milchviehhalter e.V. (BDM)

Zusammen müssen wir hier und jetzt die Ernährungssouveränität sichern!

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Am internationalen Tag des bäuerlichen Widerstands am 17. April 2020 richten die Bäuerinnen und Bauern einen Appell an den Bundesrat mit Zuständigkeit für die Landwirtschaftspolitik: "Genug ist genug!“. Die Ankündigungen von Bundesrat Parmelin vom 1. April 2020, bestimmte Importe zur Bewältigung der aktuellen Krise des COVID-19 zu erleichtern – insbesondere Buttereinfuhren –, sind nicht akzeptabel.

 

Während LandwirtInnen und VerarbeiterInnen jahrzehntelang auf dem Altar des kurzfristigen Wachstums und der Tertiärisierung der Wirtschaft geopfert wurden, begünstigt der Staat, wenn das System „die Grippe bekommt“, immer noch den globalisierten Markt und die industriellen Akteure der Agrar- und Nahrungsmittelindustrie. Die COVID-19-Epidemie hat die Verwundbarkeit des Ernährungssystems aufgezeigt, das seit mehreren Jahrzehnten von der kapitalistischen Marktlogik geleitet wird. Die Misserfolge dieses Modells sind offensichtlicher denn je und gefährden die lebenswichtigen Grundlagen der Gesellschaft. Es ist Zeit für einen Paradigmenwechsel.

 

Offener Brief an den Bundesrat

In unserem offenen Brief an den Bundesrat vom 14. April haben wir unsere Forderungen für den Milchsektor formuliert.

Innert drei Jahrzehnten zwang ein zu tiefer Milchpreis mehr als die Hälfte der Milchbauern dieses Landes in die Knie. Schlechte Mengensteuerung und die Einführung eines undurchsichtigen Segmentierungssystems haben das nötige Chaos geschaffen, um den Zusammenhalt der Landwirte zu schwächen und sie den Großverteilern schutzlos auszuliefern. Heute ziehen Milchkäufer aus diesem System ihren Nutzen. Durch allerlei List und Tücke wurde der kostbare Rohstoff Milch auf einen unverschämten Spottpreis gedrückt. Die Förderung von Überproduktion, ständig ändernde Segmentierung, keinerlei Preisstabilität und das gesetzeswidrige Zurückbehalten der Verkäsungszulage führten dazu – welch eine Überraschung –, dass viele Produzenten es satt hatten und aufgaben. Die Folge: Der Rohstoff Milch wird jetzt knapp und Butter muss importiert werden.

 

  • Wir fordern eine sofortige Anhebung des Milchpreises, einen Export-Stopp von Weichkäse zu Niedrigpreisen und die Verarbeitung eines Teils der Käsereimilch zu Butter. Dabei muss der Milchpreis aus silagefreier Fütterung beibehalten werden, um dem Rückgang des Käseverkaufs entgegenzuwirken

 

Es obliegt dem Bundesrat und dem Parlament, aus der aktuellen Krise zu lernen und die Ernährungssouveränität endlich umzusetzen, indem ein Rahmen geschaffen wird, der einheimische Produktion, kurze Kreisläufe, bäuerliche Landwirtschaft und lokales Handwerk wertschätzt. Die Nahrungsmittelproduktion sollte nicht länger als eine Ware betrachtet werden, die vermarktet werden soll, sondern als die Lebensgrundlage eines Landes, die es ermöglicht, in Zeiten schwerer Krisen und darüber hinaus zu überleben. Die Ernährungssouveränität macht diesen radikalen Wandel möglich.

 

Berthe Darras, Uniterre

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