MILK-NEWS

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Liebe Milchbäuerinnen und Milchbauern, liebe MitstreiterInnen,

die Arbeit in der Landwirtschaft ist nicht nur irgendeine Arbeit. Die Landwirtschaft wird nicht umsonst als Primärsektor bezeichnet, denn ohne sie hätten andere nachgelagerte Wirtschaftszweige gar keine Grundlage. Ohne Bäuerinnen und Bauern gibt es keine Höfe, ohne die Betriebe keine Nahrungsmittel. Die PolitikerInnen scheinen vergessen zu haben, woher ihr Essen kommt. Sie halten gut bestückte Supermarktregale und Einkaufswägen, die mit hochwertigen, aber erschwinglichen Nahrungsmitteln gefüllt sind, wohl für selbstverständlich. Wenn Landwirte und -wirtinnen aufgeben, weil sie ihren Lebensunterhalt mit ihrer Arbeit nicht mehr decken können, geht wertvolles Wissen verloren. Ist dieser Prozess einmal in Gang gesetzt, ist er kaum noch oder nicht mehr aufzuhalten oder gar umzukehren.

Schauen wir uns an, was wir in der Europäischen Union tun können, um das zu verändern:

Die Bäuerinnen und Bauern müssen politisch aktiv bleiben

Der gesamten Bevölkerung, aber insbesondere uns MilcherzeugerInnen, steht ein düsterer Herbst bevor. Unsere Lage wird dadurch verschärft, dass wir in den letzten Jahren infolge der wiederholten schweren Krisen bereits sehr viel Energie und finanzielle Rücklagen aufgebraucht haben. Neben der tagtäglichen Arbeit auf unseren Höfen haben wir uns politisch engagiert und dafür gekämpft, ein stabiles Marktumfeld zu schaffen. Es versteht sich von selbst, dass das politische Engagement äußerst wichtig ist und bleibt. Deshalb müssen wir Landwirtinnen und -wirte unsere starke politische Arbeit fortsetzen.

Dazu gehören Demonstrationen und Kampagnen. Ein wirksamer Weg für die Landwirtinnen und -wirte, für ihr Überleben zu kämpfen, besteht darin, sich zu organisieren, was man nicht oft genug betonen kann. Das ist natürlich leichter gesagt als getan, wenn man bedenkt, dass die Milchviehhaltung uns sehr beansprucht und kaum Zeit für andere Dinge lässt. Wir können uns aber nur Gehör verschaffen, wenn wir gemeinsam für einen Agrarsektor eintreten, der sozial, wirtschaftlich und ökologisch nachhaltig ist – auch für Erzeugerinnen.

Eine wesentliche politische Aufgabe des EMB besteht zum Beispiel darin, sicherzustellen, dass die Produktionskosten in voller Höhe an die Milchabnehmer weitergegeben werden. Das EMB setzt sich außerdem dafür ein, die Dimension der sozialen Nachhaltigkeit in der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU und im Green Deal zu verankern. Gleichzeitig fordern wir die Aufnahme des Marktverantwortungsprogramms in das Kriseninstrumentarium der EU. Im Juli dieses Jahres haben die in den beiden großen transnationalen Verbänden EMB und ECVC organisierten ErzeugerInnen einen gemeinsamen offenen Brief an die EU-Institutionen und nationalen Ministerien gerichtet, in dem wir ein stabiles Einkommen für die Bäuerinnen und Bauern fordern, das für die Nahrungsmittelsicherheit in der EU unerlässlich ist.

Mehr Bäuerinnen und Bauern sollten die Unterstützung von Erzeugerorganisationen bei ihren Verhandlungen nutzen

Die Erzeugerorganisationen haben sich kontinuierlich weiterentwickelt, und dennoch verhandeln die ErzeugerInnen immer noch nicht gleichberechtigt mit den Verarbeitern und Lebensmitteleinzelhändlern. Das wirft die Frage auf, was wir – ein(e) jede(r) von uns – tun können, um unsere Marktmacht zu stärken? Damit die ErzeugerInnen die Oberhand gewinnen können, müssen mehr von uns Erzeugerorganisationen beitreten, die die Bedingungen der Milchabnahme für viele Landwirtinnen und -wirte verhandeln. Diese Organisationen müssen molkereiübergreifend organisiert sein, d.h. sie müssen mit mehreren Verarbeitern verhandeln, statt alles auf eine Karte zu setzen.

Auch die Politik kann dazu beitragen, die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Erzeugerorganisationen zu verbessern, indem sie es ihnen erlaubt, Verträge für die Milch aufzusetzen und zu verhandeln, die an Genossenschaften geliefert wird.

Unterstützung für die Faire Milch

Die ‚Faire Milch‘-Initiative entlohnt die ErzeugerInnen mit gerechten Preisen und dient so als Vorbild für den gesamten Milchmarkt. Dieses positive Projekt setzt bereits in Frankreich, Belgien, Deutschland, Luxemburg, der Schweiz und auf dem afrikanischen Kontinent starke Zeichen. Das Projekt, das realistischen Anlass zur Hoffnung gibt, wird bereits von vielen VerbraucherInnen und ErzeugerInnen unterstützt. Die Landwirtinnen und -wirte können die positive Wirkung dieser wichtigen Initiative durch ihre Unterstützung weiter verstärken.

Die Politik sollte die Rahmenbedingungen schaffen, damit Agrarerzeugnisse nicht unter ihrem Einstandspreis verkauft werden dürfen

Damit Milchmärkte stabil sein können, müssen sie fair sein. Anders gesagt, müssen die ErzeugerInnen für ihre Produktion einen Preis erzielen, der nicht nur ihre laufenden Kosten deckt, sondern auch ein ausreichendes Einkommen für sie abwirft. Konkret bedeutet das, dass der Verkauf unter Einstandspreis gesetzlich verboten werden sollte, wenn wir eine gesunde Beziehung zwischen den MilcherzeugerInnen und Verarbeitern haben und erhalten möchten. Es versteht sich von selbst, dass dies gleichermaßen für Milch gelten muss, die an Genossenschafts- und an Privatmolkereien geliefert wird.

In den Beiträgen unserer Mitglieder zu dieser Ausgabe unseres Newsletters können Sie lesen, dass die aktuellen Erzeugerpreise deutlich unter den Produktionskosten liegen – und die Schere klafft jeden Tag weiter auseinander. Im Artikel von APROLEP erfahren wir zum Beispiel, dass die Kosten unserer portugiesischen KollegInnen seit Anfang 2022 um 51% gestiegen sind, aber die Verarbeiter die Auszahlungspreise im gleichen Zeitraum nur um 35% erhöht haben. Die Diskrepanz zwischen Kosten und Erzeugerpreisen wird größer statt kleiner. Die französischen KollegInnen berichten in ihrem Artikel, dass die Situation in Frankreich mit geschätzten Preisen von 445,50 Euro pro Tonne, die die Produktionskosten bei weitem nicht decken, ganz ähnlich ist.

Die Politik sollte die Landwirtschaft von Freihandelsabkommen ausnehmen und Spiegelklauseln aufnehmen

Im Rahmen ihrer Handelspolitik ist die EU weiterhin darauf erpicht, Freihandelsabkommen abzuschließen, wie zuletzt mit Neuseeland. Im Ergebnis wird Neuseeland mehr Butter, Milchpulver, Käse und Rindfleisch in die EU exportieren. Das EMB vertritt die Position, dass die Landwirtschaft aus solchen Freihandelsabkommen ausgenommen werden sollte, weil die strategische Bedeutung des Sektors einfach zu groß ist.

Generell sollten Agrarerzeugnisse, die in die EU eingeführt werden, den gleichen Bedingungen und Auflagen unterliegen wie EU-Erzeugnisse (sogenannte Spiegelklauseln). Das bedeutet, dass importierte Agrarerzeugnisse die gleiche Qualität haben und nach den selben sozialen und ökologischen Standards produziert werden sollten, die für die europäischen ErzeugerInnen gelten.

Vor diesem Hintergrund sollten wir die PolitikerInnen gemeinsam daran erinnern, wer ihr Essen auf den Tisch bringt, und klarstellen, dass sie es nicht für gegeben erachten können, dass wir angesichts der aktuellen Rahmenbedingungen weiter ihre Nahrungsmittel produzieren werden. Wir müssen sie weiter mit der Nase darauf stoßen, dass die EU von dem derzeit eingeschlagenen, problematischen Kurs ablassen muss. Deshalb ist es wichtig, dass wir Landwirtinnen und -wirte uns weiter aktiv auf allen Ebenen einbringen. Es steht nicht nur das Überleben jedes Betriebs und der einzelnen ErzeugerInnen auf dem Spiel, sondern es geht um die Nahrungsmittelproduktion und -sicherheit an sich.

 

Roberto Cavaliere, Vorstandsmitglied im EMB und Vorsitzender der Associazione Produttori di Latte Pianura Padana (APL)

Marktindikatoren (Stand 13.09.)

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Anfang September konnte der Global Dairy Trade Index (GDT) erstmals wieder einen Anstieg (4,9%) verzeichnen, nachdem er im Juli und August im Negativbereich gelegen hatte (5. Juli: -4,1%, 19. Juli und 2. August: jeweils -5%, 16. August: -2,9%). Davor hatte der Index bereits seit März 2022 fast durchgehend einen negativen Verlauf, nachdem er seit Anfang des Jahres bis dahin stets positive Werte verzeichnet hatte. Ob sich mit dem Anstieg Anfang September ein neuer Positivtrend ankündigt, bleibt abzuwarten.

 

Mit 66,88 Cent pro kg Milch liegt der Durchschnittspreis für italienische Spotmilch Mitte September über dem Juli-Wert von 65,13 Cent, nach einem leichten Rückgang im August. Im Vergleich zu Januar mit 44,75 Cent bedeutet das für September einen Anstieg von fast 50%. Betrachtet man den September-Vorjahreswert von 40,38 Cent, ergibt sich eine Steigerung von ca. 65%. Um ca. 108% ist der aktuelle Spotmilchpreis im Vergleich zu April 2021 (32,13 Cent) gestiegen.

Der EU-27-Milchpreis lag mit 49,40 Cent pro kg Milch letztmalig im Juni unter der 50-Cent-Marke. Seitdem ist er um 5% auf 51,89 Cent im August gestiegen. Gegenüber August 2021 (36,41 Cent) ist das ein Plus von ca. 43%.

Der EU-Butterpreis lag Anfang 2022 bei 559 Euro pro 100 kg und ist seitdem stark gestiegen. Anfang September liegt er mit 725 Euro ca. 30% über dem Januar-Wert. Im Vergleich zur Vorwoche (28. August 2022: 716 Euro) kletterte er um 1,3%. Vor einem Jahr bewegte sich der EU-Butterpreis mit 401 Euro (5. September 2021) noch auf einem deutlich niedrigeren Niveau.

Der Preis für EU-Magermilchpulver beträgt aktuell (4. September 2022) 376 Euro pro 100 kg, womit er gegenüber der Vorwoche um ca. 1,6% gestiegen und im Zweimonatsvergleich um ca. 6% gesunken ist. Vor einem Jahr lag er noch bei 257 Euro (5. September 2021). Ende März 2022 hatte der Preis die 400-Euro-Marke überschritten und sich bis Ende Juni fast durchgängig über ihr bewegt. Danach rutschten die Preise wieder unter 400 Euro.

Die Kurse für Futures auf Milcherzeugnisse an der European Energy Exchange (EEX): Die Magermilchpulver-Kontrakte für Januar 2023 stiegen von 3.371 Euro am 12. August 2022 um ca. 11% auf 3.740 Euro pro Tonne am 12. September 2022. Bei Butter gab es im gleichen Zeitraum keine Veränderungen für die Januar-Kontrakte. Hier betrug der Preis sowohl im August als auch im September jeweils 6.850 Euro pro Tonne.

 

European Milk Board, September 2022

Milchpreise: Ja sicher, aber welche?

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© Coordination Rurale

Seit einiger Zeit droht der Milcherzeugerverband FNPL (Fédération nationale des producteurs de lait) mit einer großen Aktion, um eine Milchpreiserhöhung zu fordern. Die Coordination Rurale (CR) wundert sich über diesen plötzlichen Sinneswandel beim größten „Bauern”-Verband Frankreichs, dessen Vorsitzender Thierry Roquefeuil erklärt: „Wir möchten bei den Erzeuger- und Verbraucherpreisen im europäischen Mittelfeld liegen."

 

Wenn dem so ist, müsste man wohl die Indikatoren überprüfen! Hört man, dass Herr Roquefeuil die Meinung vertritt, dass „die Milcherzeuger im Juni 445,50 Euro pro Tonne Milch hätten haben müssen, der Durchschnitt aber eher bei 425 Euro lag“, wirft das Fragen auf. Offensichtlich berücksichtigen die Indikatoren, die dieser Einschätzung zugrunde liegen, keine angemessene Bezahlung der ErzeugerInnen!

Die Coordination Rurale hatte bereits im Februar anlässlich der Agrarmesse „Salon de l’Agriculture“ einen Milchpreis von 500 Euro pro Tonne gefordert, der nötig ist, damit die ErzeugerInnen von ihrer Arbeit würdig leben können. Angesichts der Folgen des Kriegs in der Ukraine stieg im Frühjahr der IPAMPA (Indice des Prix d'Achat des Moyens de Production Agricole, Einkaufspreisindex für landwirtschaftliche Betriebsmittel) für den Zeitraum von Mai 2021 bis Mai 2022 bei den Düngemitteln um 108,3%, bei Energie und Schmiermitteln um 47,2% und beim zugekauften Futter um 27%. Wie kann man unter solchen Bedingungen zu der Einschätzung kommen, dass bei einem Preis von 445,50 Euro alle Kosten gedeckt sind?

Für Sophie Lenaerts, die selbst Milcherzeugerin ist und den Milchzweig der Coordination Rurale verantwortet, „ist es an der Zeit, die Augen zu öffnen und aufzuhören, die Landwirtinnen und -wirte als Stellgröße zu betrachten, und stattdessen wirklich kostendeckende Preise zu verlangen.“

Milchnebelsuppe: Schluss mit der Preisintransparenz

Angesichts der jüngsten Kommunikation-Coups, die die französischen Supermärkte gelandet haben, ruft die Coordination Rurale in Erinnerung, dass man sich nicht im Feind vertun darf. Der Anteil der Trinkmilch macht nur 10% der gesamten Milchwirtschaft aus. Und wo bleiben die restlichen 90%? Auch wenn wir uns immer beklagen, dass die Landwirtinnen und -wirte „Resteverwerter“ sind und nehmen dürfen, was übrigbleibt, verwehren wir uns trotzdem dagegen, dass der Anstieg der Produktionskosten in voller Höhe auf die VerbraucherInnen abgewälzt wird.

Denn das Milchproblem ist systemisch: Der gesamte Milchsektor muss seinen Teil der Verantwortung schultern und die Gesetze einhalten. Die fehlende Transparenz, die bei gewissen nachgelagerten Gliedern der Kette zu beobachten ist, entgeht niemand. So beklagt zum Beispiel der Geschäftsführer der französischen Beobachtungsstelle für die Preis- und Margenbildung bei Nahrungsmitteln (OFPM), Philippe Chalmin, dass es unmöglich sei, die Milchdaten nach den Sparten der Industrie aufzugliedern (Multiprodukte, Grundnahrungsmittel, Commodities,…), da „manche Unternehmen den Geheimhaltungskult auf die Spitze treiben“. So ist der Datenmangel zur Butter- und Pulververwertung ein offenes Geheimnis: Wer wird endlich von den Verarbeitern verlangen, dass sie ihre Margen öffentlich machen?

Die Fehlfunktion hat auch hier System, denn einige Genossenschaften drücken die Preise ungestraft nach unten – trotz Sektorenplan und EGalim (Gesetz über das Gleichgewicht der Handelsbeziehungen im Agrar- und Nahrungsmittelsektor und eine gesunde, nachhaltige und für alle erschwingliche Ernährung). Und alle profitieren davon – mit Ausnahme der ErzeugerInnen natürlich! Berechnungen des European Milk Board (EMB) zufolge lag 2021 die Kostenunterdeckung in der Milchproduktion in Frankreich im Schnitt bei 29%. Darf man sich wirklich auf die Schulter klopfen, wenn der Sektor dergestalt organisiert ist, dass das erste Glied der Kette nicht angemessen vergütet werden kann?

Wenn nichts passiert, steuert der Milchsektor mit Vollgas in den Abgrund. Die ErzeugerInnen sind kurz davor, das Handtuch zu werfen, und es ist niemand da, der ihre Höfe übernehmen möchte. Seit mehreren Monaten fordert die Coordination Rurale bereits einen Milchpreis von 50 Cent pro Liter: Es ist höchste Zeit, dass die anderen Akteure des Sektors ihrer Verantwortung gerecht werden und den ErzeugerInnen ein würdiges Einkommen garantieren.

 

Sophie Lenaerts, Verantwortliche des Milchzweigs der Coordination Rurale

ICMSA spricht von ‚nahezu sicherem‘ Verdacht, dass die irische Regierung eine ‚kontrollierte Abwicklung‘ der Haupterwerbslandwirtschaft plant

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© ICMSA

Der Vorsitzende des irischen Milcherzeugerverbands ICMSA, Pat McCormack, erklärt, dass niemand den in ländlichen Kreisen weitverbreiteten Eindruck ignorieren könne, die Regierung habe beschlossen, die Haupterwerbs-Landwirtschaft in Irland ‚abzuwickeln‘ und hier insbesondere die familiengeführten Milchviehbetriebe ins Visier genommen habe.

 

Pat McCormack äußerte sich nach einem Besuch der ‚Virginia Show‘ und berichtete, dass alle, mit denen er im Rahmen dieser Agrarmesse gesprochen habe, einhelliger Meinung gewesen seien: Entgegen ihrer öffentlichen Verlautbarungen scheint die irische Regierung eine Politik des ‚kontrollierten Niedergangs‘ der Landwirtschaft beschlossen zu haben. Jedes Mal, wenn sie vor der Wahl stehe, die MilchviehhalterInnen entweder zu unterstützen oder zu benachteiligen, entscheide sie sich systematisch zum Nachteil der Bäuerinnen und Bauern. McCormack erklärte, dass ICMSA nicht unbedingt diese Überzeugung teile. Es sei aber nicht von der Hand zu weisen, dass bereits eine oberflächliche Betrachtung der Regierungsbilanz in allen Landwirtschaftsfragen offenbare, wie voreingenommen die irische Regierung gegenüber der Haupterwerbslandwirtschaft sei und dass dies insbesondere für die familiengeführten Milchviehbetriebe gelte.

„Die Regierung wird natürlich vehement bestreiten, dass sie gegen die Landwirtschaft ist. Das sollte sie aber besser langsam durch ihr Handeln und entsprechende Finanzmittel beweisen. Denn die einhellige Meinung unserer Mitglieder ist, dass diese Regierung in jeder Situation, in der sie die Möglichkeit hatte, die Landwirtinnen und -wirte entweder zu unterstützen oder ihnen das Leben schwer zu machen, sich zuverlässig jedes Mal für letzteres entschieden hat. Ein eklatantes Beispiel ist der Unterschied, wie die Regierung zum Beispiel Rechenzentren einerseits und die Milchviehwirtschaft andererseits sieht. Sie scheint sich zu verbiegen, um Wege zu finden, riesige, energiefressende Rechenzentren ausländischer Firmen in Irland anzusiedeln, in denen weniger Menschen arbeiten als im Coop-Laden um die Ecke. Gleichzeitig denkt sie sich ständig neue Bestimmungen und Auflagen aus, die Kosten verursachen, allesamt die Landwirtinnen und -wirte treffen und es in der Summe für sie immer schwieriger machen, die Nahrungsmittel zu erzeugen, die die echte wirtschaftliche und einheimische Infrastruktur der ländlichen Bevölkerung sind“, meint McCormack.

Der ICMSA-Vorsitzende äußerte seine Verwunderung, dass nicht mehr Abgeordnete begriffen hätten, wie weit die Erkenntnis in ihren ländlichen Wahlkreisen inzwischen gereift sei, dass die Regierung diese Doppelmoral praktiziert. „Es ist nicht unsere Aufgabe, den Abgeordneten in ländlichen Wahlkreisen begreiflich zu machen, was auf der Hand liegt, aber niemand kann behaupten, nicht informiert worden zu sein. Der Gerechtigkeit halber muss man einräumen, dass sich einzelne Abgeordnete aller Parteien über die offizielle Politik verwundert gezeigt haben. Aber das reicht im Falle einer Parlamentswahl bei weitem nicht. Wir denken, dass einige geschockt feststellen werden, wie viele Landwirtinnen und -wirte, die traditionell ihre Partei gewählt haben, entweder nicht zur Wahl gehen oder andere Parteien wählen werden. In vier Wochen wird über den Haushalt abgestimmt. Wenn die Regierung jemals dringend unter Beweis stellen musste, dass sie die Enttäuschung und offene Wurt der Landwirtinnen und -wirte versteht, dann jetzt“, schloss der ICMSA-Vorsitzende.

 

Pat McCormack, Vorsitzender der Irish Creamery Milk Suppliers‘ Association (ICMSA)

Schweiz: Einfuhrgesuche für Butter ohne Ende!

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© BIG-M

Bereits Mitte Juni waren wir von Uniterre und BIG-M empört über ein drittes Einfuhrgesuch für weitere 1000 Tonnen Butter, womit das für 2022 freigegebene Kontingent auf 4100 Tonnen anstieg. Nun noch das: Mitte August hat „das Bundesamt für Landwirtschaft das Zollkontingent für Butter für das Jahr 2022 zum vierten Mal erhöht“. Grund sei, dass „gemäß Schätzungen der Branche das inländische Butterangebot in diesem Jahr nicht ausreichen wird. Da ein großer Teil der Schweizer Milch zu Käse verarbeitet wird, bleibt zu wenig für die Butterherstellung übrig“. Für 2022 kommen wir nun auf ein Importkontingent von 5100 Tonnen. Welch ein Schock!

 

Die Pressemitteilung der Milchkommission von Uniterre vom 29. Juni dieses Jahres hat damit noch mehr an Bedeutung gewonnen. Lesen Sie hier den ganzen Artikel:

Das Importkontingent für Butter wird erneut um 1000 Tonnen erhöht – verkehrte Prioritäten

Auf der Webseite des BLW ist am 16. Juni 2022 zu lesen: „Das Bundesamt für Landwirtschaft BLW erhöht das Zollkontingent Butter für das Jahr 2022 zum dritten Mal.“ (Dies gilt für den Zeitraum vom 1. Juli 2022 bis zum Ende des Jahres.) „Die Branchenorganisation Milch hat dafür einen Antrag eingereicht. Die zusätzliche Importmenge von 1000 Tonnen ist nötig, um die inländische Nachfrage bis Ende Jahr zu decken. (…) Da ein Grossteil der Schweizer Milch zu Käse verarbeitet wird, bleibt zu wenig für die Butterherstellung übrig.“

Bis heute hat das BLW 4100 Tonnen Butterimport für 2022 freigegeben. Ein böser Traum? Leider nein! Das Importkontingent wird erhöht, obwohl die Branchenorganisation Milch (BO Milch) seit 2021 einen neuen „Fonds“, die sogenannte MPC-Box, aufgelegt hat, um den Export von hochverarbeiteten Milcheiweiß-Konzentraten zu unterstützen. Ein wiederkehrendes Problem bei der Butterherstellung ist die Ratlosigkeit, was man denn mit dem anfallenden Protein-Nebenprodukt tun solle. Um sich dieses Problem vom Hals zu schaffen, wurde der MPC-Fonds gegründet. Er wird durch den Fonds „Regulierung“ finanziert, einer der zwei Fonds, die seit 1. Januar 2019 das Schoggigesetz ersetzen.

Wie sieht nun die Lage anderthalb Jahre später aus?

Im Fondsbericht von 2021 räumt die BO Milch ein, dass die Butterherstellung 2021 trotz der Unterstützung des MPC-Nebenprodukts nicht gestiegen sei. Für Uniterre ist diese Situation inakzeptabel! Zudem sind in der Zwischenzeit die Exporte von Käse ohne „Wertschöpfung“ noch weiter gestiegen: im Vergleich von 2020 mit 2021 um +13,6 % für „Andere Halbhartkäse“ und um +2,2% für den „Switzerland Swiss“. Das ist nichts Neues, denn wegen der Zulage für verkäste Milch ist es für die VerarbeiterInnen interessanter, Käse für den Export zu produzieren als Butter für den heimischen Markt. Komplett verkehrte Prioritäten!

Die Frage nach der Logik dahinter besteht zurecht. Wann wird endlich die einheimische Produktion durch eine angemessene Planung unterstützt, anstatt um jeden Preis zu exportieren? Denn das wäre tatsächlich Ernährungssouveränität!

 

Pressemitteilung von Uniterre in Absprache mit BIG-M vom 29. Juni 2022

Dürre 2022 – die Viehhaltung ist in Gefahr

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© Provulvia

„Frankreich erreicht jeden Tag einen neuen Rekord bei der Bodentrockenheit“, warnte der französische Wetterdienst bereits Ende Juli. Mit einer Niederschlagsmenge, die auf ganz Frankreich gerechnet 85% unter dem Soll lag, und Rekordtemperaturen waren die Böden noch trockener als 1976 oder 2003 zum gleichen Zeitpunkt. Und alles deutete daraufhin, dass sich diese Lage im August weiter verschärfen würde.

 

Die Landwirtinnen und -wirte in ganz Frankreich spüren jetzt bereits die Folgen für die Viehhaltung. Im Gebirge sind manche ErzeugerInnen gezwungen, den Almabtrieb vorzuziehen. Im Pays de la Loire (an der Mündung der Loire im Westen Frankreichs) oder auch in der Bretagne oder im Norden Frankreichs stellen die ErzeugerInnen fest, dass sich der Futterertrag halbiert und der Maisertrag um 50% bis 80% verringert. Nach Aussage von Agreste (Statistik- und Prognosedienst des Agrarministeriums) betrug das Wachstumsdefizit in Südfrankreich im Juli 60%, während in der Region Provence, Alpen und Côte d’Azur seit Anfang des Sommers nicht ein Tropfen Regen gefallen ist. Die Bauern holen überall ihre Tiere von der Weide, weil kein Gras mehr da ist, und verfüttern, was für den Winter gedacht war.

Andere prognostizieren bereits einen Produktionsrückgang, wie Tanguy Le Bonniec, Biomilchviehhalter aus der Region Côtes-d’Armor, der Teil einer landwirtschaftlichen Erzeugergemeinschaft ist (550.000 Liter pro Jahr auf 110 ha): „In diesem Jahr haben wir 50% weniger Futtervorrat angelegt und fangen gleichzeitig fünf Monate früher an, davon zu füttern. Um das auszugleichen, haben wir die Herde verkleinert und die Erstkalbenden sechs statt zwei Monate trocken gestellt. Rechnet man noch die geringere Milchmenge aufgrund der schlechten Grasqualität ein, sind wir bei geschätzt 150.000 Liter Milch, die wir weniger verkaufen werden. Bei einem Milchabgabepreis von 0,50 Euro pro Liter macht das 75.000 Euro. Hinzu kommt noch die Senkung des Milchverkaufspreises um 50 Euro pro 1.000 Liter, also noch einmal 20.000 Euro, und der Zukauf zusätzlichen Heus mit geschätzten Kosten von 10.000 Euro. Wir gehen davon aus, dass sich unser Ergebnis um 100.000 Euro verschlechtert.“ Die Schätzungen der Coordination Rurale in der Bretagne zeigen, dass sich die Kosten durch die Ertragsminderung beim Mais auf 100 Euro pro 1.000 Liter belaufen.

In dieser Dürresituation haben einige Mutterkuhhalter „keine andere Wahl als ihre Tiere zu verkaufen, weil sie kein Grünfutter haben und aufgrund fehlender Liquidität kein Futter zukaufen können, das zu teuer ist“, warnt S. Charbonneau, der bei der Coordination Rurale für den Fleischviehhalterzweig verantwortlich ist. Der Erzeuger aus der Vendée befürchtet angesichts dieser Situation, „dass der französische Mutterkuhbestand drastisch reduziert wird.“ Das lässt sich im Süden Frankreichs bereits beobachten: Auf dem Hochplateau von Aubrac zwingt die Dürre die Behörden, die Wasserversorgung per Tanklastwagen sicherzustellen. Mutterkuhhalter Noël Entraygues stellt fest, dass die Landwirte noch nicht ausgemolkene Kühe lieber verkaufen, weil sie es nicht leisten können, sie zu füttern.

In allen französischen Departements auf dem Festland ist die Bewässerung für landwirtschaftliche Zwecke derzeit unterschiedlich stark eingeschränkt (vollständiges Verbot, Beschränkung der entnommenen Wassermenge oder zeitlich beschränkt, siehe Frankreich-Karte); und dennoch gibt es Menschen, die nicht davor zurückschrecken, Landwirte und sogar ihre Tiere anzugreifen. Es kommt regelmäßig zu Sabotageakten, zum Beispiel an zwei Wasserbassins in der Vendée, aber auch an Tränken, wie in der Region Haute-Marne, wo mehrere Dutzend Tiere verdursteten, weil ihre Wasserfässer geleert wurden.

Die Coordination Rurale sieht sich in ihren Forderungen bestätigt: Man muss den ErzeugerInnen dringend kostendeckende Preise garantieren und die Wasserspeicherung im Winter verstärken, um die Bewässerung zu erleichtern und die Erträge und Einnahmen zu sichern. Die Regierung mag vielleicht nicht für den Regen und das Wetter verantwortlich sein, aber sie muss die Folgen dieser jetzt schon als historisch eingestuften Dürre erkennen und schnellstmöglich einen Krisenfonds einrichten, um den Landwirtinnen und -wirte das Überleben zu ermöglichen und die Nahrungsmittelsouveränität des Lands zu bewahren.

 

Sophie Lenaerts, Verantwortliche für den Milchzweig der Coordination Rurale

Das Zusammenspiel zwischen Klima und Weidehaltung

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© Vanessa Langer

Wir Landwirte haben ein Interesse am Klimaschutz, denn wir sind von den Folgen des Klimawandels unmittelbar betroffen. Die Möglichkeiten sind dabei vielfältig. Wie bei Milchviehhaltungen Treibhausgas eingespart werden kann, muss spezifischer bewertet werden, da dies stark orts-, struktur-, anbau- und nutzungsabhängig ist. Milchviehhaltung ist nicht per se ein Klimakiller, so wie es aktuell gern suggeriert wird.

 

Es ist zu beobachten, dass die Diskussionen verkürzt geführt werden und die Milchproduktion nicht komplex genug betrachtet wird. Positive Klimaeffekte der Milcherzeugung finden damit nicht ausreichend Beachtung. Für den Erhalt von Dauergrünland ist beispielsweise die Milchviehhaltung unverzichtbar. Die Kuh kann Gras, das der Mensch nicht essen kann, in nährstoffreiche Milch verwandeln. Außerdem kann Grünland Kohlenstoff binden und hat so positive Klimawirkung. Henning Haschenburger hat sich zum Beispiel auf seinem Betrieb an der Nordsee für graslastiges, wiederkäuergerechtes Füttern und Weidehaltung entschieden. Dabei spielen auch natürliche, regionale Kreisläufe eine wichtige Rolle. Wie er dies auf seinem Betrieb praktiziert, erfahren Sie in einem Video. Anknüpfend an diesen Beitrag machen wir auf unser Klimaschutzpapier aufmerksam.

Bundesagrarminister Özdemir setzt Ökoregelungen aus

Die erstmalige verpflichtende Flächenstilllegung soll im kommenden Jahr ausgesetzt werden. Stattdessen soll der Anbau weiterhin möglich sein, allerdings nur von Getreide (ohne Mais), Sonnenblumen und Hülsenfrüchten (ohne Soja). Dies gilt nur für die Flächen, die nicht bereits 2021 und 2022 als brachliegendes Ackerland ausgewiesen waren. Wissenschaftliche Berechnungen gehen davon aus, dass damit etwa 100.000 bis 180.000 Hektar Acker weiterhin für die Getreideproduktion zur Verfügung stehen. Die Regelung zum Fruchtwechsel soll einmalig im Jahr 2023 ausgesetzt werden. Damit können Landwirtinnen und -wirte in Deutschland auch im Jahr 2023 Weizen nach Weizen anbauen. In den Vorjahren galt dies für etwa 380.000 Hektar. Es bleibt zu hinterfragen, ob durch die Beschlüsse das seit langem bestehende weltweite Hungerproblem gelindert wird und auch ob die aktuell einsetzende Entwicklung zu neuer Mehrproduktion den Preisen für unsere Agrarrohstoffe gut tun wird.

BDM verleiht Journalistenpreis

Auf dem Hof des BDM-Mitgliedsbetriebs der Familie Fockenbrock im münsterländischen Telgte haben wir die Preisträgerinnen in den Kategorien „Fachpresse“ und „Printmedien“, Kirsten Gierse-Westermeier und Stefanie Dullweber, ausgezeichnet. Die traditionelle und feierliche Verleihung im Rahmen des BDM-Symposiums war durch den pandemiebedingten Ausfall leider nicht möglich. Aus organisatorischen Gründen haben wir Ulrike Werner in der Kategorie „Radio“ bereits am 1. Juni im Rahmen unserer Aktion zum Tag der Milch in Berlin den Preis verliehen.

 

Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM)

Nationales Treffen der portugiesischen MilcherzeugerInnen

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© APROLEP

Am 1. Juli kamen beim nationalen Milcherzeugertreffen rund 100 Mitglieder des Milchproduzentenverbands APROLEP mit Fachleuten aus dem Sektor zusammen. Sie trafen sich auf dem Milchviehbetrieb ‚Flor do Vale‘ mit eigener Käserei im Dorf Alfeizerão, Alcobaça.

 

Gastgeber des Treffens waren der APROLEP-Vorsitzende Jorge Silva und seine Familie, die die Teilnehmenden mit einer Führung über den Milchviehbetrieb und durch die Käserei mit anschließendem Mittagessen sehr gastfreundlich empfingen. Der Agrarstaatssekretär Rui Martinho nahm ebenfalls am Treffen teil.

Es gab eine Podiumsdiskussion zum Thema „Die Produktionskosten und der Milchpreis“, an der MilcherzeugerInnen sowie VertreterInnen von Genossenschaften und Molkereien teilnahmen. Moderiert wurde das Gespräch von Carlos Neves, dem Generalsekretär von APROLEP.

Die durchschnittlichen Milchproduktionskosten sind in Portugal seit Jahresbeginn aufgrund der Preiserhöhung bei den Betriebsmitteln um 51% gestiegen. Der Milchauszahlungspreis der ProduzentInnen stieg im gleichen Zeitraum jedoch nur um 35%, was nicht ausreicht, um die Mehrkosten zu decken, wie Milcherzeuger André Barão deutlich aufzeigte. Die Getreidepreise erreichen mit 410 Euro pro Tonne für Mais und 585 Euro pro Tonne für Sojabohnen ein Rekordniveau, was die Futterkosten in inflationäre Höhe treibt.

Portugal ist das Land in der EU mit dem zweitniedrigsten Milcherzeugerpreis (im Schnitt 40 Cent). Nach Meinung der Verarbeiter liegt dies am Preisdruck der großen Handelsunternehmen.

Die fehlende wirtschaftliche Nachhaltigkeit der Milchviehbetriebe sollte der Milchindustrie Sorge bereiten, denn sie bedroht die Zukunft des Sektors, weil junge Menschen sich von der Milchviehhaltung abwenden. Das Risiko ist real und statistisch belegt: Zwischen 1999 und 2019 sank die Anzahl der Milchviehbetriebe in Portugal um 90,7% auf dem Festland und 52,5% auf den Azoren. Derzeit hat Portugal (noch) 3.800 MilcherzeugerInnen.

 

Carlos Neves, Generalsekretär, Associação dos Produtores de Leite de Portugal (APROLEP)

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