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Agrar-Reformen JETZT!

Politische Antwort auf Bauernproteste müssen Reformen AM MARKT zur Einkommensstärkung sein

Frankreich, Deutschland, Belgien, Polen, Litauen, Italien etc. - eine große Protestwelle der Bäuerinnen und Bauern rollt durch Europa. Obwohl in einigen Ländern die Politik schon reagiert und Zugeständnisse gemacht hat, stehen die LandwirtInnen und ihre Traktoren auch weiter bereit, um Straßen und Städte zu blockieren. Denn es geht nicht um kleinere oder größere Subventionsbewilligungen oder Steuererleichterungen, sondern es geht um den gesamten Agrarsektor, der sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten mit Hilfe der neoliberalen Politik zu einer finanziellen Falle für die LandwirtInnen entwickelt hat. Lässt sich etwa mit Agrarprodukten kein Geld mehr verdienen? Doch, nur ist das in der Wertschöpfungskette dermaßen falsch verteilt, dass bei den Produzenten und ihren Familien nichts ankommt.

Kjartan Poulsen beschreibt als Vorsitzender des European Milk Board asbl die Situation als chronisch festgefahren, wenn keine fundamentalen Änderungen im Landwirtschaftssektor durchgeführt werden. „Wir haben es nicht mit nationalen Sondersituationen zu tun, sondern mit einer europaweiten krassen Schieflage. Daher adressieren wir auch die EU-Politik und fordern sie auf, endlich längst überfällige Reformen zu unternehmen, so dass die ErzeugerInnen die Möglichkeit haben, sich aus der finanziellen Falle zu lösen. Die Frage des Einkommens ist für die Erzeuger absolut zentral. Wird sie nicht gelöst, werden die starken Proteste weitergehen.“

Véronique Le Floc’h, Präsidentin der französischen Organisation Coordination Rurale (CR) schildert die finanzielle Situation der LandwirtInnen in ihrem Land folgendermaßen: „Zwischen 2020 und 2022 sank bei den französischen Milcherzeugern die Bruttomarge um 4 %. Sollte es nicht möglich sein, die Margen besser zu verteilen? Ich verlange von niemandem, dass er Konkurs anmelden muss, aber ich verlange, dass wir Erzeuger nicht Bankrott gehen!“

Auch der Präsident von der französischen Organisation l’Association des Producteurs de Lait Indépendants (APLI), Adrien Lefèvre, sieht der Zukunft der Produktion sehr besorgt entgegen: „Wir sind mit steigenden Auflagen konfrontiert, aber vor allem mit einem Preisverfall in allen Produktionsbereichen in ganz Europa. Es ist dringend notwendig, eine echte, starke und positive Botschaft an die zukünftigen Generationen von Landwirten zu senden, wenn wir auch in Zukunft noch eine zentrale Rolle bei unserer Ernährung spielen wollen!“

Dass eine faire Verteilung der Margen möglich ist, weiß Jean-Luc Pruvot, der Präsident der fairen Erzeugermarke „Die Faire Milch“ von FaireFrance, aus eigener Erfahrung: "Die faire Milch ist eine echte Lösung für die Zukunft der Erzeuger, sowohl auf französischer als auch auf europäischer Ebene. Es ist an der Zeit, dass sie von unseren Politikern anerkannt und unterstützt wird!"

Angesichts schwindender Subventionen und der zurückgehenden Bereitschaft, die Landwirtschaft mit Steuergeldern quer zu finanzieren, müsste es auch im Interesse der Politik sein, Reformen einzuleiten und den Markt so zu gestalten, dass dort kostendeckende Erzeugerpreise erzielt werden können. Das heißt, dass der Preis der Verarbeiter an die Erzeuger auch die Kosten der Produktion widerspiegeln und dass dafür das Geld in der Wertschöpfungskette endlich fair verteilt sein muss.

Die folgenden Reformmaßnahmen müssen daher sofort in die Wege geleitet werden:

1. Eine EU-weite Verordnung, durch die Preise unterhalb der Erzeugerkosten verboten werden

Warum?

Was in anderen Branchen eine Selbstverständlichkeit ist – dass die Kosten weitergegeben werden und sich im Preis widerspiegeln – ist in vielen landwirtschaftlichen Sektoren nicht der Fall. Die unsichtbare Hand des Marktes drückt hier sehr deutlich und sichtbar die Preise unter die Kostenlinie. Eine EU-Verordnung, die diese Unterdeckung verbietet, würde EU-weit zu einer Stabilisierung der Einkommenssituation und damit auch der Produktionsstruktur führen.

2. Passende Kriseninstrumente müssen in das EU-Agrarsystem eingebunden werden. Dazu gehört ein funktionierender Frühwarnmechanismus, der mit den richtigen Indikatoren, die die tatsächlichen Produktionskosten inklusive eines angemessenen Erzeugereinkommens widerspiegeln, arbeitet und der bei Krisengefahr Maßnahmen wie den freiwilligen Lieferverzicht/ das Marktverantwortungsprogramm automatisch aktiviert.

Warum?

Im Milchmarkt beispielsweise jagte in den vergangenen Jahren eine Krise die nächste. Überschussproduktion ließ die Preise tief stürzen und drängte jedes Mal sehr viele Erzeuger aus der Produktion. Diese Krisen kann man verhindern bzw. vermindern, wenn man sie mit dem richtigen Mechanismus zeitig genug erkennt und beispielsweise mit einem Mengenreduktionsprogramm der Überschussproduktion entgegenwirkt. Das funktioniert, wie der Einsatz dieses Programmes 2016/ 2017 in der EU zeigt.

3. Konkrete EU-Vertragsvorgaben zu u. A. Mengen und kostendeckenden Preisen vor Ablieferung der Milch. Diese müssen für alle Marktakteure und damit auch Genossenschaften gelten.

Warum?

Nur wenn Verträge die richtigen Elemente enthalten müssen, können sie die Position der Erzeuger am Markt verbessern. Die ungleiche Verteilung in der Wertschöpfungskette ist auf die ungleiche Marktstärke der Akteure zurückzuführen. Während Verarbeiter und Handel sicherstellen können, dass ihre Produktionskosten gedeckt sind und sie außerdem hohe Profite mit Lebensmitteln erzielen, sind auf der Erzeugerstufe Defizite an der Tagesordnung.

4. Starke horizontale Erzeugerorganisationen, die, ohne Ausnahme von Genossenschaften, Erzeuger für eine bessere Verhandlungsposition bündeln

Warum?

Starke Erzeugerorganisationen sind auch starke Verhandlungspartner, wenn es um das Aushandeln der Erzeugerpreise gegenüber den Molkereien geht. Stark kann so eine Organisation aber nur sein, wenn sie viele Erzeuger bündelt und mit mehreren Molkereien verhandelt, also horizontal ist. Sogenannte vertikale Erzeugergemeinschaften, die von einer Molkerei abhängen, können diese Stärke nie entwickeln.

5. Ein wirklicher Einbezug der Erzeuger in Konzepterstellung und Umsetzung des Green Deals, inklusive Bereitstellung der richtigen Tools

Warum?

Aktuell werden Erzeuger an der Erstellung des Green Deals nicht beteiligt. Ihnen werden die Ziele lediglich diktiert und sie sollen mit ihrem ohnehin schon niedrigen Agrareinkommen die Lasten dieser Strategien tragen. Das muss sich ändern. ErzeugerInnen müssen ins Zentrum der Agrarstrategien gesetzt werden und diese maßgeblich mitgestalten. Der Klimaschutz braucht die Bäuerinnen und Bauern. Der Green Deal muss genutzt werden, um das aktuelle System zu einem sozial-nachhaltigen Modell zu reformieren.

6. Spiegelklauseln, die gewährleisten, dass importiere Lebens- und Futtermittel den Vorgaben in der EU entsprechen. Deren Befolgung muss zudem durch ausreichende Kontrollen und Sanktionen sichergestellt werden.

Warum?

Wenn Waren importiert werden, die beispielsweise nicht unter den gleichen Umweltauflagen wie EU-Produkte produziert wurden, schaden sie gleich mehrmals. Zum einen können sie durch geringere Produktionskosten aufgrund der geringeren Umweltqualität die Produkte der EU-Erzeuger unterbieten und diese vom Markt drängen. Das geringe Kostenniveau motiviert zudem zum Auslagern der Produktion außerhalb der EU, was dort zu stärkerer Umweltbelastung führt. Und das für Waren, die in der EU konsumiert werden.

7. Das Projekt der Fairen Milch in der EU öffentlich stärken und ausweiten.

Warum?
Die Faire Milch zeigt, wie es geht. Bei diesem Projekt werden kostendeckende Preise an teilnehmende Erzeuger ausbezahlt, inklusive eines fairen Einkommens. Auch wenn es die Faire Milch Projekte bereits in Ländern wie Frankreich, Deutschland, Belgien, Luxemburg und der Schweiz gibt, erreichen sie noch nicht ausreichend Verbraucher und Produzenten. Der positive Einfluss, den die Faire Milch auf das Leben und Einkommen der Bäuerinnen und Bauern hat, sollte weitaus mehr Produzenten zu Gute kommen. Dazu kann die EU sowie jedes ihrer Mitgliedsländer mit einer öffentlichen Anerkennung der Fairen Milch beitragen.

 

Kontakte:


Kjartan Poulsen – EMB-Präsident (EN, DK, DE): +45 (0)212 888 99
Boris Gondouin – EMB-Vorstandsmitglied (FR): +33 (0) 6 79 62 02 99
Silvia Däberitz – EMB-Geschäftsführung (FR, DE, EN) : +49 (0)176 380 98 500

Adrien Lefèvre – APLI-Präsident (FR): +33 (0) 6 75 43 62 82

Aline Braunsteffer – Koordinatorin Sektion Milch (FR, EN, DE, IT): +33 (0)6 30 73 06 60

Jean-Luc Pruvot – Präsident FaireFrance (FR): +33 6 76 98 00 50